Da er eine Arbeitskollegin vergewaltigt haben soll, sitzt ein 26-Jähriger vor Gericht. Er gibt zu, sich falsch verhalten zu haben – und wird dennoch freigesprochen.

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Wien – Eines kommt im Vergewaltigungsprozess gegen Herrn F. klar heraus: In dem Ordensspital, in dem er 2020 arbeitete, müssen recht lockere Sitten geherrscht haben. Die Kollegenschaft in seiner Abteilung lieferte sich offenbar quasi Wet-T-Shirt-Contests mit Desinfektionsmittel, mit Leuchtfarbe und Stempel wurden auf der Kleidung sexuell konnotierte Körperteile markiert. "Es war Spaß unter Kollegen. Es war immer nett und unterhaltsam", schildert eine 27-jährige Zeugin das Klima.

Frau I., eine weitere Mitarbeiterin, fand es aber nicht spaßig, was am 24. August in einem Dienstkammerl passiert sein soll. Sie zeigte den 26 Jahre alten F. wegen Vergewaltigung an. Er soll sie gegen ihren Willen berührt, geküsst und schließlich gegen die Wand gedrückt und mit einem Finger penetriert haben.

Grenzen überschritten

Der Angeklagte bekennt sich teilschuldig: Er habe damals zwar Grenzen überschritten, gesteht auch zu, I. zwischen die Beine gefasst zu haben – dabei sei sie aber angezogen gewesen, und er habe auch sofort aufgehört, als sie sagte, sie wolle das nicht.

Allerdings: Der Beziehungsstatus zwischen I. und ihm sei damals unklar gewesen. Anfang des Jahres sei sie in Kollegenrunde auf seinem Schoß gesessen und habe ihm ins Ohr geflüstert, ob er sie nicht küssen wolle. Danach habe sie ihm einmal gesagt, wenn sie keinen Freund hätte, würde sie mit F. eine Beziehung eingehen, behauptet der Angeklagte.

Im fraglichen Spätdienst hätten beide in dem kleinen Raum gearbeitet. Wie schon öfters habe sich das Gespräch um geschlechtliche Themen gedreht. Nach F.s Darstellung habe zunächst I. ihn am Oberschenkel berührt. Als er sie streichelte und schließlich im Nacken küsste, habe sie gesagt, sie habe einen Freund und er solle aufhören.

Angeklagter verließ Vorfallsort zweimal

Tatsächlich wurde er angerufen und musste für 15, 20 Minuten anderswo im Krankenhaus arbeiten, kam dann wieder in das Kammerl. Die Sache habe sich wiederholt, sagt F.: Die Frau wurde initiativ, man umarmte sich, er griff ihr in den Schritt, sie beendete es. Er wurde neuerlich anderswo benötigt, nach seiner Rückkehr habe man über ihre Beziehungssituation gesprochen und er sich auch entschuldigt.

Da dem Antrag von Privatbeteiligtenvertreterin Sonja Aziz auf Ausschluss der Öffentlichkeit stattgegeben wird, ist größtenteils unbekannt, was I. dem Schöffengericht unter Vorsitz von Elisabeth Reich erzählt hat. Erst aus den Schlussplädoyers und der Urteilsbegründung lässt sich das erahnen.

"Die Zeugin I. machte zunächst einen glaubwürdigen Eindruck", erklärt die Vorsitzende nämlich, nachdem sie, Beisitzer Christian Noe und die beiden Schöffinnen F. freigesprochen haben. Die Glaubwürdigkeit muss massiv gelitten haben, als Verteidiger Roland Friis eine Whatsapp-Kommunikation zwischen März und Juni vorlegte.

"Sie hat sich massiv widersprochen"

Aus der geht hervor, dass I. sehr wohl etwas von F. wollte, was sie bestritt. "Sie hat sich massiv widersprochen", fasst Reich es zusammen. Der Senat könne schlicht nicht sagen, was in dem Kammerl passiert sei. An eine Penetration glaubt das Gericht aber nicht.

Eine Verurteilung wegen sexueller Belästigung, die F. ja zugegeben hat, ist unmöglich, da I. während des Ermittlungsverfahrens keine Verfolgungsermächtigung dafür abgegeben hat. Aziz versucht, das im Prozess zu korrigieren, was rechtlich nicht möglich ist.

Die Staatsanwältin akzeptiert den Freispruch, Aziz, die für ihre Mandantin 11.386,32 Euro Entschädigung gefordert hat, nimmt sich Bedenkzeit, das Urteil ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 5.3.2021)