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Bittere Worte zum Abschied von Nicola Zingaretti.

Foto: AP / Mauro Scrobogna

Selten ist in Italien ein Parteichef mit so bitteren Worten zurückgetreten wie Nicola Zingaretti: "Ich schäme mich dafür, dass im Partito Democratico (PD), dessen Sekretär ich bin, seit zwanzig Tagen über nichts anderes mehr geredet wird als über Minister- und andere Posten und über parteiinterne Vorwahlen – und das, während wir vor der dritten Welle der Covid-Pandemie stehen und wir uns eigentlich darüber unterhalten sollten, wie wir am besten die Regierung von Mario Draghi unterstützen", schrieb der 55-jährige Römer auf seiner Facebook-Seite. So könne er nicht weiterarbeiten; er trete "aus Liebe zu Italien und der Partei" zurück.

Zingaretti, der auch Präsident der Hauptstadtregion Latium ist, war in den drei Wochen seit der Vereidigung der neuen Regierung unter Mario Draghi parteiintern zum Blitzableiter für die Frustrationen von mehreren PD-Parlamentariern geworden, die unter Draghi ein Ministerium erhofft hatten und vom ehemaligen EZB-Chef übergangen wurden. Außerdem gab und gibt es innerhalb der Partei unterschiedliche Meinungen darüber, ob mit der Fünf-Sterne-Protestbewegung eine strategische Allianz im Hinblick auf die zahlreichen in diesem Jahr bevorstehenden lokalen Wahlen (unter anderem in Rom, Mailand, Turin, Neapel und in Kalabrien) anzustreben sei.

Chaotische Gruppierung

Das sind Fragen, die mitten in der Gesundheits- und Wirtschaftskrise außerhalb des PD in der Tat kaum jemanden interessieren. Dass Zingaretti die Endlosstreitereien und Profilierungsneurosen einiger seiner Genossinnen und Genossen nicht mehr mittragen will und den Hut nimmt, ist ein Zeichen von politischer Geradlinigkeit und persönlichem Rückgrat – und lässt erahnen, welch großer Verlust sein Abgang für seine Partei sein wird. Mit dem Eklat im PD stürzt nun auch die zweitgrößte Regierungspartei in eine Führungskrise, nachdem schon die stärkste politische Kraft in Draghis Mehrparteienkoalition, die Fünf-Sterne-Protestbewegung, von Flügelkämpfen zerrieben wird.

Bei den "Grillini" ist die Beteiligung an der Regierung des "Bankers" Draghi zur Zerreißprobe geworden: In den letzten Tagen sind Dutzende von Rebellen aus der Bewegung ausgeschlossen worden, die in der Vertrauensabstimmung über Draghi mit Nein gestimmt hatten. Der lachende Dritte ist Lega-Chef Matteo Salvini, der den Einfluss seiner Partei in der Regierung wegen der Streitereien der anderen steigen sieht und der sich ohnehin seit Wochen wie ein Schattenpremier aufführt. Scheinheilig ließ Salvini verlauten, dass es ihm leid tue für Zingaretti. "Ich hoffe, dass das für die Regierung nicht zum Problem wird." Natürlich hofft Salvini genau das Gegenteil – denn in diesem Fall könnte er Draghi seine Lega definitiv als tragende Säule der Regierung andienen. (Dominik Straub aus Rom, 5.3.2021)