Alle Kennzahlen – Infektionsrate, Spitalsbelegung, Mutationen des Virus – sagen eines: Österreich steuert in eine neue Welle hinein, und zwar gerade, wenn neue Lockerungen, vor allem in der Gastronomie, anstehen. Gesundheitsminister Rudolf Anschober ist "alarmiert", Kanzler Sebastian Kurz sah das am Freitag auch so, und die Experten räuspern sich nervös.

Die österreichische Wirtschaft ist zwar 2020 etwas weniger stark eingebrochen als befürchtet: minus 6,6 Prozent beim BIP statt rund acht Prozent. Aber es sieht so aus, als müsste die Politik jetzt unangenehme, aber dringende wirtschaftspolitische Entscheidungen treffen. Und zwar bessere als bisher.

Wirtschaftlich gefährdet ist vor allem der große Dienstleistungsbereich, also vor allem die Gastronomie und die Hotellerie.
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Mit der Ausrede vom dominanten Tourismus räumte vor kurzem die volkswirtschaftliche Research-Abteilung von Raiffeisen Bank International auf: "Die Tourismuslastigkeit steht oft im Fokus, ist aber nicht der Hauptgrund für den Konjunktureinbruch in Quartal vier. (…) Vielmehr war die Konjunktur in Quartal vier wie auch in den vorangegangenen Quartalen ‚Spielball‘ des Wechsels von Lockdown und Lockerung. (…) Entscheidend ist vielmehr, dass verglichen mit Quartal drei in fast keinem anderen Euroland die Daumenschrauben derart angezogen worden sind."

Übersetzung: Nach einem vertändelten Sommer musste die Regierung (zu) abrupt auf die Bremse steigen.

Was tun wir jetzt? Gefährdet ist vor allem der große Dienstleistungsbereich, also vor allem die Gastronomie und die Hotellerie, die sogenannten körpernahen Dienstleistungen, aber auch die ganze Kultur – also jener überwiegend mittelständische Bereich, der stark auf direkten, physischen Kundenkontakt ausgerichtet ist und wo viele, viele (klein)unternehmerische Existenzen auf dem Spiel stehen.

Wiener Idee

Umgekehrt muss man – leider auch noch nach einem Jahr Corona – den vielen Bürgerstimmen, wonach die Maßnahmen "übertrieben" seien und die Pandemie "eh nicht so arg", eines festhalten: Das Wesen einer Seuche ist es, dass sie sich rasend ausbreitet, wenn man keine Maßnahmen setzt. Dann wird es sehr schnell sehr arg.

Was tun? Die Politik müsste versuchen, nicht wieder voll auf die Bremse zu steigen und mit differenzierten Maßnahmen zu arbeiten. Die Wiener Idee, die Stadt zu einem einzigen riesigen "Schanigarten" auf öffentlichen Plätzen zu machen, hat was.

Es herrscht allerdings einerseits Ablenkung durch die zahllosen Skandale, von denen auch wichtige Player betroffen sind, andererseits Ideenarmut. Was haben wir bisher von den einschlägigen Ministerinnen und Ministern gehört? Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck hat nach ihrem Triumph mit dem "Kaufhaus Österreich" nun eine "Impfstoff-Produktions-Taskforce" angekündigt. Landwirtschafts- und Tourismusministerin Elisabeth Köstinger glaubt fest, dass man mit den privaten "Wohnzimmer-Nasenbohrtests" auch die Gastronomie besuchen wird können. Sicher, wenn man drei Zeugen mit eidesstattlichen Erklärungen mitbringt.

Ein Finanzminister, der ständig damit beschäftigt ist, interessante Diskussionen mit der Justiz zu führen, dessen SMS und E-Mails von der Staatsanwaltschaft nun auch im Bundesrechnungszentrum gesichtet werden, hat keinen Kopf für Krisenpolitik. Gernot Blümel hat bis 30. April Zeit, einen genauen Plan vorzulegen, was er mit den drei Milliarden an nicht rückzahlbarem Zuschuss aus dem EU-Corona-Wiederaufbaufonds macht. Bisher hat man da nichts gehört. Und das Finanzministerium ist in unserem System das Schlüsselministerium, jetzt erst recht. (Hans Rauscher, 6.3.2021)