Stolze 27 Jahre ist das Trek 970 Singletrack alt, aber nach wie vor eine Renn- und Spaßmaschine. Die kleine Delle am Oberrohr verleiht zusätzlich Charakter.

Foto: Steffen Arora

Innsbruck – Der Frühling ist die Jahreszeit, in der ich mich mit Vorliebe meiner "alten Dame", dem Trek 970 Singletrack, widme. Mit 27 Jahren hat sie für ein Mountainbike schon einiges auf dem Buckel. Doch ihr Rahmen aus gehärtetem, dreifach geschmiedetem Chrom-Molybdän-Stahl ist noch heute eine Schönheit. Zugegeben, abgesehen von diesem stählernen Kunstwerk in Schwarzchrom sind die Anbauteile nicht original. Aber nach Möglichkeit ebenfalls retro oder zumindest gebraucht. Ich bin kein passionierter Bastler, der Wert auf Authentizität legt. Ich liebe es einfach, mit diesem wunderschönen Radl zu fahren.

Wirklich original ist eigentlich nur mehr der Rahmen.
Foto: Steffen Arora

Daher war es mir wichtig, das Mountainbike einsatzbereit aufzubauen. Gefunden habe ich diese Schönheit auf dem Sperrmüll, besser gesagt, ein guter Freund von mir. Er hat einen Riecher für solche Schätze und einen guten Draht zur Innsbrucker Hausmeisterszene. Es ist kaum zu glauben, was in den Radlkellern der Mietskasernen unbeachtet sein Dasein fristet. Er erhält oft vorab Bescheid, wenn wieder mal ein Hausputz ansteht und irgendwo ein Keller von Radleichen befreit wird. Fast immer finden sich unter den Verlassenschaften echte Perlen.

Oldtimer mit technischem Facelifting

So wie mein geliebtes Trek. Als dieses Rad 1994 auf den Markt kam, war es das Topmodell unter Treks Stahlrahmen-Mountainbikes. Handgeschweißt, wie man seitens des Unternehmens betonte, und 11,367 Kilogramm leicht. "Suspension ready" ist die "aggressive Geometrie". Und tatsächlich war in meinem eine originale Rock-Shox-Judy-XC-Gabel verbaut, als ich das Rad übernahm. Sie ziert heute die Radlwerkstatt, eine Reparatur war mir zu aufwendig. Stattdessen kam wieder eine Stahlgabel, diesmal aber von Surly, hinein. Das teuerste Teil am Rad – 60 Euro, gebraucht. Den Steuersatz und den Vorbau hatte ich noch in der Teilekiste, ebenso den flashigen türkisen Highriser, der eigens gekürzt wurde. Ein 760er-Geweih würde diese zarte Stahlschönheit entweihen. Ganz neu waren nur die Griffe, weil ich auf meinen Mountainbikes nur Odi fahre.

Die bisher größte Herausforderung am Trek 970 war das Lines-Retro-Rennen beim Vienna Bike & Trail 2019.
Foto: Markus Frühmann Fotografie

Schaltung und Bremsen sind ebenfalls aus besagter Wühlkiste. Deore XT, robust und praktisch gleichermaßen. Richtig veredelt wurden erst jüngst die Felgen. Und zwar mit zwei Schmankerln aus dem Hause Ritchey. Aber gebraucht und somit zum Spottpreis. Ursprünglich hatte ich Billigsdorferfelgen verbaut, die noch im Keller verstaubten. Doch die waren nach ein paar Runden auf den großartigen Wienerwald-Trails bei der Hohe-Wand-Wiese schrottreif. Ein dilettantischer Whip-Versuch am Mini-Table reichte aus, um dem Hinterrad einen 48er zu verpassen.

Die Retro-Rennmaschine

Beim Retro-Rennen des nicht minder großartigen "Lines"-Magazins – wer es nicht kennt, sollte es umgehend abonnieren – beim ersten "Vienna Bike & Trail"-Festival im Jahr 2019 hatten mein Trek und ich unsere bisher größte Stunde. Eigens dafür habe ich vorne einen Magic Mary und hinten einen Minion aufgezogen. Steht dem Radl optisch, soll Traktion bringen und dient, mit 1,5 Bar oder weniger gefahren, auch als Federungsersatz. Am Ende fehlte dennoch ein Wimpernschlag auf den ersten Podestplatz meines Lebens bei einem Radlrennen. Uneinholbar in Führung liegend wurde uns die Zielkurve beim Parallelslalom zum Verhängnis. Der Vorderreifen verlor auf dem rutschigen Gras trotz 2,6-Zoll-Patschen den Halt. Ausgeträumt war der Traum vom Stockerl.

Fast wäre es der erste Stockerlplatz geworden.
Foto: Klemens König Fotografie

Leider machte diese vermaledeite Pandemie der Festival-Fortsetzung und somit der Neuauflage des Retro-Rennens seither einen Strich durch die Rechnung. Doch mein Trek und ich trainieren weiter eifrig. Denn sobald sich die Zeiten wieder ändern, stehen wir parat zur Revanche. Dieses Rad verdient ganz einfach einen Podestplatz.

Generationenverbindendes Mountainbike

Im Moment hat es zumindest einen Ehrenplatz. Und zwar bei meiner 16-jährigen Tochter. Sie nutzt es für Alltagswege, und einmal die Woche gehen wir gemeinsam auf Tour. Dann leihe ich es mir aus, und sie nimmt das All-Mountain-Fully. Wer gern radelt, weiß, dass es nichts Schöneres gibt, als wenn die Kinder die elterliche Leidenschaft teilen.

Zumindest ist dem schönen Radl nichts passiert.
Foto: Klemens König Fotografie

Und so ist die "alte Dame" nun wieder richtig viel beschäftigt. Darf durch die Stadt flitzen und die Hometrails rocken. Ich kann es nur empfehlen, gerade im Frühjahr immer ein paar Wochen lang zurück zum Mountainbike-Ursprung zu finden. Die Freuden eines spinnerten Dreifachumwerfers gehören da ebenso dazu wie die Kamikaze-Kombi "nasse Felgen – V-Brakes – Steilhang" oder völlig taube Arme nach einem längeren Trailritt ohne jede Federung. Aber es wirkt nach einem langen Winter mit wenigen Bike-Ausflügen echte Wunder. Es gibt kein besseres Techniktraining als diese Frühlingsausflüge auf der "alten Dame". Steigt man danach wieder aufs vollgefederte Bike um, ist der Lerneffekt spürbar.

Fahren Sie auch einen Oldtimer?

Haben Sie auch so eine Schönheit im Radlkeller stehen? Dann posten Sie doch bitte, was Sie an Ihrem Retro-Bike so schätzen und wohin Sie es am liebsten bewegen. Das nächste "Vienna Bike & Trail"-Festival kommt bestimmt. Im Moment – so wird kolportiert – ist das Pfingstwochenende 2021 ein möglicher Termin. Wir werden an dieser Stelle auf jeden Fall berichten, wenn es dazu Neuigkeiten gibt. Und sollte wieder ein Retro-Rennen stattfinden, kommen Sie vorbei und machen Sie mit! (Steffen Arora, 7.3.2021)