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Hat ein Fötus Anspruch auf einen Uterus?

Foto: APA/AFP/GETTY IMAGES/Elijah Nouv

Wir müssen mal wieder über Schwangerschaftsabbrüche reden. Klar, das ist ein leidiges Thema, irgendwie unangenehm, und am liebsten würden wir uns alle überhaupt nicht damit befassen, aber es hilft alles nichts. Für die Rechte von Betroffenen auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung sieht es nicht gut aus. Überall auf der Welt werden sie angetastet.

In Österreich wie in Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche nach wie vor nicht legal, sondern lediglich unter gewissen Umständen straffrei. Deutschland verfügt darüber hinaus über eine desaströse Gesetzeslage, die Werbung für Abtreibung verbieten möchte, tatsächlich aber medizinische Informationsfreiheit einschränkt. Gegen diesen ursprünglich zur Ausweitung der arischen Rasse angedachten Paragrafen zieht die Ärztin Kristina Hänel nach mehreren vorinstanzlichen Verurteilungen gerade vor das Bundesverfassungsgericht.

Im EU-Mitgliedsstaat Polen sind Abtreibungen nach einer Reihe von umstrittenen Gesetzesverschärfungen bis auf wenige Ausnahmen faktisch verboten.

Keine Ausnahme

Im EU-Mitgliedsstaat Malta mit römisch-katholischer Staatsreligion gibt es nicht einmal diese Ausnahmen. Nicht bei Vergewaltigungen und auch nicht bei Schwangerschaften, die das Leben der Betroffenen gefährden. Für die wohlhabenderen maltesischen Frauen bedeutete das bis vor der Pandemie und dem Brexit Abtreibungstourismus nach Großbritannien. Für ärmere Frauen bedeutet es, was es schon seit Jahrzehnten bedeutet: Kleiderbügel, Stricknadeln, Treppenstürze, Putzmittelvergiftungen, Schmerz, Leid, Gefährdung des eigenen Lebens.

Und mit diesen Beispielen bleiben wir noch in der beschaulichen EU. Da haben wir noch kein Wort darüber verloren, dass im US-Bundesstaat Tennessee republikanische Politiker gerade ein Gesetz zu implementieren versuchen, das Männern ein Vetorecht bei möglichen Schwangerschaftsabbrüchen einräumt – auch bei Vergewaltigung und/oder nicht belegbarer Vaterschaft. Oder dass sich in Brasilien ein zehnjähriges Vergewaltigungsopfer von einem unter anderem durch Regierungsmitglieder aufgestachelten Mob als Kriminelle und Mörderin beschimpfen lassen muss, wenn ihm die Justiz ausnahmsweise einen Schwangerschaftsabbruch zugesteht.

Kein Rechtsanspruch auf meinen Körper

Aber es ist auch gar nicht nötig, so weit zu gehen. Die Frage, ob Betroffene das Recht auf freien Zugang zu sicheren und legalen Schwangerschaftsabbrüchen haben sollten, bedarf keiner Extremfälle und ist einfach zu beantworten. Diese Tatsache wird von Gegner*innen dieser Lösung gerade mit Blick auf die schwerwiegenden moralischen Implikationen dieser Frage gerne geleugnet. Die Antwort lautet selbstverständlich. Die Antwortet lautet, dass niemand das Recht hat, den Körper eines anderen Menschen gegen dessen Willen zu benutzen. Das gilt auch für ungeborenes Leben. Ein Fötus hat ebenso wenig Anspruch auf einen Uterus wie ich auf Ihr Blut, Ihr Knochenmark, Ihre Niere oder Ihr Herz.

Daran ändern auch Verwandtschaft und die Lebensbedrohlichkeit der Situation nichts. Selbst wenn meine Kinder schwer erkrankt wären, und ich sie mit einer Organspende, die für mich keinerlei Risiken birgt, vor dem sicheren Tod retten könnte, bin ich dazu gesetzlich nicht verpflichtet. Ich würde eine moralische Verpflichtung fühlen es zu tun, weil ich mich für sie verantwortlich sehe und sie liebe. Aber niemand hat einen Rechtsanspruch auf meinen Körper. Nicht aus Liebe und auch nicht wegen größtmöglicher Dringlichkeit des andernfalls unmittelbar bevorstehenden Todes.

Es geht ja "nur" um Belange von Frauen

Und deshalb hat die sogenannte Lebensrechtsbewegung außer religiösen Ansichten und einer nachvollziehbaren Verzweiflung über den moralischen Härtegrad der gesellschaftlichen Tragweite von Schwangerschaftsabbrüchen keine Argumente. Sie kämpft nicht etwa für das etwaige Menschenrecht ungeborenen Lebens, sondern für ein seltsames Hypermenschenrecht auf Kosten der Menschenrechte von Schwangeren, das sie mit keiner Silbe begründen oder herleiten kann.

Wenn niemand Anspruch darauf erheben darf, dass Sie oder ich unsere Körper gegen unseren Willen in welcher Weise auch immer totranken Menschen zur Verfügung stellen, wieso nimmt sich dann die Gesellschaft stellvertretend für ein ungeborenes Leben das Recht heraus, den Uterus zum Allgemeingut zu erklären? Warum machen wir keine Gesetze, die Menschen dazu verpflichten, im Sinne des Allgemeinwohls nachwuchswilligen Personen Sperma zur Verfügung zu stellen? Oder sich mit Bezug auf die planetare Überbevölkerung per Losverfahren zwangssterilisieren zu lassen? Weshalb ist die Möglichkeit sich krankenversichern zu lassen nicht daran gekoppelt, ob man einmal pro Quartal Blut spendet? Die Antwort auf all diese Fragen lautet immer gleich: Bei Abbrüchen geht es ja "nur" um die Belange von Frauen. Menschen mit Uterus sind mehrheitlich Frauen und mit denen kann man(n) es ja machen. Über ihre Körper darf verfügt, ihre Rechte können im Bedarfsfall übergangen werden.

Am Montag ist Weltfrauentag. Auch Frauenkampftag genannt. Eine gute Gelegenheit also, für den freien und legalen Zugang von Betroffenen zu Schwangerschaftsabbrüchen zu kämpfen. Aus Solidarität und aus Eigennutz. Denn wenn Frauen kein Recht auf körperliche und sexuelle Selbstbestimmung zusteht, dann steht es niemandem zu. (Nils Pickert, 8.3.2021)