Mit großem Getöse brach die Wienwert zusammen, die Liste der Beschuldigten wird immer länger.

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Manchmal zeitigt schon eine vertraute Anrede juristische Folgen – etwa jüngst in der Causa Wienwert. Dem Ex-Chef des pleitegegangenen Immobilienunternehmens, Stefan Gruze, Ex-Eigentümern und Aufsichtsratsmitgliedern werden unter anderem Untreue, betrügerische Krida, Betrug und Bilanzfälschung vorgeworfen. Es geht um das laut Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zu hoch verbuchte Markenrecht und um fragwürdige Anleihen. Der Wert der Marke (Bildmarke: ein roter Stephansdom) wurde mit drei Millionen Euro angesetzt, laut Gutachter war sie maximal 100.000 Euro wert.

Seit Juli 2020 sind auch eine große Wirtschaftsprüfungskanzlei und einer ihrer Prüfer beschuldigt. Womit wir bei den legeren Anreden wären. Die beiden beantragten nämlich die Enthebung des Gutachters, er sei befangen. Denn der Experte sei auch in zwei Wienwert-Verfahren am Handelsgericht Wien tätig. Und: In einem davon habe er den Kläger (den Masseverwalter) in einer Mail mit "Lieber Herr Mag. Abel" angeschrieben. Zudem zogen sie seine Sachkunde in Zweifel.

"Liebe Grüße" schreibt man halt

Die Beschuldigten sind mit ihrem Anliegen beim Oberlandesgericht (OLG) Wien abgeblitzt. In den Zivilverfahren gehe es zum Teil ums gleiche Thema wie im Strafverfahren, Befangenheit ergebe sich daraus nicht. Und: Die Verwendung des Wortes "Lieber" bei der Anrede des Masseverwalters (…) oder "LG" für Liebe Grüße sei "offensichtlich auf eine im modernen Kommunikationsverkehr übliche lockere Ausdrucksweise beim Verfassen von E-Mails zurückzuführen", so das OLG.

Abgeblitzt ist auch der FPÖ-nahe Verein "Wirtschaft für Österreich", der ebenfalls als Beschuldigter geführt wird. Ihm hatte Wienwert im September 2017 10.000 Euro gespendet, nun wird unter anderem wegen Untreue ermittelt. Die WKStA vermutet eine verdeckte Parteispende an die FPÖ, die Beschuldigten bestreiten das. Obmann des Vereins war damals Ex-FPÖ-Mandatar Markus Tschank, er hatte ein Spendenersuchen an Wienwert gestellt. Der Verein hat die Einstellung des Verfahrens beantragt, durchgekommen ist er damit nicht.

"Keinerlei Tätigkeit"

Er argumentierte so: Gruze habe sich im Vorfeld über die Tätigkeit des Vereins erkundigt, die Spende mit den Interessen der Wienwert abgewogen, zudem habe er die Spende auch veranlassen dürfen. Keine Untreue also. Das Straflandesgericht Wien entschied anders, das Verfahren wurde fortgesetzt, Kontoöffnungen verfügt. Auch gegen diesen Beschluss legte der Verein Beschwerde ein, die prallte am OLG Wien ab. Laut OLG haben die Ermittlungen ergeben, dass der Verein aus der Spende "keinerlei operative Tätigkeit an den Tag gelegt habe", und die Wienwert-Gruppe habe keinen Nutzen daraus gezogen.

Gruzes Darstellung, wonach er Vernetzungsmöglichkeiten und Werbeplattform des Vereins nutzen wollte, schenkte das Gericht keinen Glauben. Die Chats der beteiligten Freiheitlichen ("Stefan Gruze von Wienwert wartet auf ein Spendenaufrufschreiben"; Antwort: "Könnten wir über 'Wirtschaft für Österreich' machen!") zeigten die "Austauschbarkeit des von Wienwert zu bedenkenden Vereins", heißt es im OLG-Beschluss vom Oktober. Zudem habe der 2015 gegründete Verein bisher durch keine einzige nach außen gerichtete, öffentlichkeitswirksame Veranstaltung auf sich aufmerksam gemacht.

Andere Spenden waren okay

Ganz anders sei das bei jenen je 10.000 Euro, die Wienwert 2017 an "Unser Stephansdom" und "Wiener Tafel" spendete. Dort gebe es "sehr konkrete Hinweise auf die Verwendung der Spenden". Diese Spendenempfänger wurden Wienwert vom Echo Medienhaus empfohlen, unter dessen Dach etwa das Magazin der Wiener Linien herausgegeben wird. (Renate Graber, 10.3.2021)