Dieser Tage hat die Fraktion der Europäischen Volksparteien (EVP) im EU-Parlament die ungarische Fidesz-Partei de facto hinausgeschmissen. Viktor Orbáns Partei ist längst nicht mehr bürgerlich-konservativ oder christdemokratisch, sondern schlicht extrem rechtspopulistisch und vor allem undemokratisch. Interessanterweise stimmte nur einer der österreichischen ÖVP-Abgeordneten, Othmar Karas, dafür, dass die Geduld mit Orbán zu Ende sein sollte. Die anderen hätten vielleicht das Buch von Paul Lendvai, Orbáns Ungarn, lesen sollen. Hätte wahrscheinlich auch nichts genutzt, denn Sebastian Kurz will offenbar keine klare Grenze zwischen Türkis und autoritärem Rechtsnationalismus à la Orbán ziehen.

Faszinierendes Porträt: Orbáns Ungarn.
Kremayr & Scheriau

Paul Lendvai liefert einerseits ein faszinierendes Porträt des politischen Charakters Viktor Orbán, andererseits eine beklemmende Chronik, wie man in einem Land, das sich erst vor einem Vierteljahrhundert vom Kommunismus und von der Sowjetherrschaft befreit hat, durch schrittweise Aushöhlung der demokratischen Institutionen und Abwürgen fast der gesamten Opposition eine neue Demokratie in eine alte autokratische Herrschaft verwandelt: "Orbán ist ein schlauer, zutiefst zynischer Machtpolitiker, den nicht Ideologien, sondern ausschließlich persönliche Machtinteressen leiten."

Praktisch unabwählbar

Aber er hat dabei erfolgreich auf einen traditionellen ungarischen Nationalismus, EU-Feindschaftlichkeit (bei gleichzeitigem Bezug riesiger EU-Hilfsgelder), auf Angst vor der Migration und einen "verklausulierten Antisemitismus" mit einer stetigen Schaffung von Feindbildern gesetzt. Nach einer Reihe von Wahlsiegen und einer Wahlrechtsänderung ist das System Orbán praktisch unabwählbar. Orbán konnte sein Konzept einer "illiberalen Demokratie" bisher verwirklichen. Und: Die Fidesz-Regierung habe "sich mit ihren außenpolitischen Handlungen bei der Untergrabung der Werte und der Geschlossenheit der EU als tatkräftige Verbündete Russlands und zugleich der westeuropäischen Rechtsextremisten entpuppt". (Hans Rauscher, 8.3.2021)