Die Gastronomie fordert rasche Öffnungsschritte.

Foto: Regine Hendrich

Es ist der Schlachtruf vieler Corona-genervter Menschen, die auf Lockerungen drängen: Die Lockdowns hätten sich abgenützt, tönt es von allen Seiten, die Leute hielten sich nicht mehr an die Regeln. Da sei es doch gescheiter, die Gastronomie unter kontrollierten Bedingungen zu öffnen, bevor alle heimlich kollektive Gelage abhielten.

Ein schöner Gedanke – aber leider nicht plausibel. Ja, die Wirkung der Lockdowns hat nach einem quälenden Jahr nachgelassen. Doch immer noch respektieren genügend Menschen die Gebote, um die Infektionszahlen entscheidend zu dämpfen. Bei offenen Wirtshäusern, Hotels und Bühnen hätte die ansteckendere Virusmutation die Steigerungsrate wohl schon in die Dimensionen des desaströsen Herbstes getrieben.

Die Theorie von der kanalisierenden Lockerungsübung mag für einen Teil der Bürger funktionieren. Viele andere aber werden Öffnungsschritte als Signal verstehen, dass nun generell wieder alles Mögliche akzeptiert werde. Die unzähligen jungen Menschen, die sich am Wiener Donaukanal oder in irgendeinem Dorfwinkel scharen, werden sich kaum für 3,80 Euro pro Bier in einen Gastgarten setzen, um der Pandemiebekämpfung zuliebe für geordnete Verhältnisse zu sorgen. Oft genug wird auch das eine das andere bedingen: vorglühen und Unterlage anessen beim Wirten, weiterfeiern privat.

Aufsperrszenarien sind nicht a priori falsch

Das soll nicht heißen, dass die geplanten Aufsperrszenarien a priori falsch sind. Es ist einen Versuch wert, für Ende März das Comeback der Gastgärten anzupeilen. Doch steigen die Infektionsraten wieder derart, dass die Intensivstationen zu kollabieren drohen, führt am Lockdown kein Weg vorbei. Da ist es verständlich, dass Gesundheitsminister Rudolf Anschober, der sich im Herbst dem Verdacht der Nachlässigkeit ausgesetzt hat, dieses Instrument vorsorglich zu schärfen versucht.

An seinen neuen Gesetzesentwürfen ist manches fragwürdig, so etwa der Passus, dass als Begründung für Ausgangsbeschränkungen künftig auch der Kollaps des Contact-Tracings herhalten kann. Beim Aufbau der Kontaktverfolgung im Infektionsfall haben die zuständigen Länder viel verschlafen – da ist es eine Chuzpe, wenn das Versagen nun zum Parameter gemacht wird. Entscheidendes Kriterium sollte, wie längst im Gesetz festgeschrieben, allein der drohende Zusammenbruch der medizinischen Versorgung bleiben.

Auch bei anderen Verschärfungen steckt der Teufel im Detail – beim Austreiben desselben sollten die vielen Stellungnahmen helfen, die im Begutachtungsverfahren zum Gesetz eingetrudelt sind. Grundsätzlich aber legt Anschober die Finger auf die richtige Wunde, wenn er härtere Strafen und strengere Limits ermöglichen will, um unerwünschte Events und Versammlungen zu verhindern. Offenbar sind es nicht zuletzt fröhliche Festln landauf, landab, die Cluster sprießen lassen.

Die Auf-zu-Politik ist ärgerlich, deprimierend und wirtschaftlich katastrophal – aber immer noch erträglicher als eine Situation, in der Menschen sterben, weil ihnen eine überlastete Intensivstation die Tür vor der Nase zuschlagen muss. (Gerald John, 7.3.2021)