Avshaloms und Annabels Ankunft in Paris wird überschattet von den Terroranschlägen: Eli Ben-David und Héloïse Godet in "The Attaché".

Foto: Starzplay

Eli Ben-David geht es gut. Er sitzt in seiner Pariser Wohnung: "Ich bin geimpft", sagt er gut gelaunt: "Ich kann gehen, wohin ich will. Großartig!" Dass der Regisseur, Autor und Hauptdarsteller der israelischen Serie "The Attaché" – ab Sonntag auf Starzplay im Angebot von Amazon Prime – noch immer in Paris ist, ist im Grunde genommen ein schwerer Spoiler. Denn zumindest nach jenen vier Folgen, die DER STANDARD vorab zu sehen bekam, ist es alles andere als selbstverständlich, dass der israelische Einwanderer tatsächlich bleibt. Ben-David spielt den Musiker Avshalom, der sein cooles Leben in Tel Aviv aufgibt, um seine Frau und die künftige israelische Kulturattachée nach Paris zu begleiten. An der Seite der hochrangigen Diplomatin hat es der Lebemann und Genussmensch Avshalom nicht einfach. Zumal auch die Umstände zunächst nicht danach sind.

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Denn kaum angekommen – wir schreiben November 2015 –, ereignen sich in Paris die verheerenden Terroranschläge, und Ben David gerät mit seiner Familie mitten hinein. Im Tumult verlieren die beiden einander, Ben David wird als Israeli mit marokkanischen Wurzeln sofort verdächtigt und verhaftet. Die Geschichte hat sich Ben-David nicht ausgedacht. Sie ist so passiert.

Ben-David lebt als Filmemacher in Tel Aviv und ist als Autor und Regisseur von Serien bekannt. Das alles aufzugeben, war zunächst reizvoll, wie er im STANDARD-Interview erzählt: "Eines Tages kam meine Frau nach Hause und sagte: 'Eli, ich habe das Angebot, ein Jahr als Kulturattachée nach Paris zu gehen, und würde es gerne annehmen.' Ich war so überrascht und sagte sofort: 'Machen wir das, ich komme mit.'"

"Was machen wir als Nächstes?" – "Vorerst gar nichts"

"Keine Sprache, keine Freunde, keine Arbeit", fasst Ben-David die Realität zusammen, mit der er sich zu Beginn konfrontiert sah. Dazu drängten die Filmpartner daheim auf neue Stoffe: "Sie sagten: 'Eli, was machen wir als Nächstes?' Ich sagte: 'Vorerst gar nichts, ich muss mein Leben neu organisieren, ich brauche Zeit, muss mich um mich selbst und um die Kinder kümmern, die Sprache lernen, weil meine Frau ihren Luxusjob bekleidet.' Sie sagten: 'Weißt du was? Das ist unser nächstes Projekt.' Also fing ich an, Memos und Notizen zu schreiben, und so wurde die Serie konkret.

Das schnelle laute Paris hält für Avshalom/Ben-David manche Hürden bereit. Der Musiker aus Tel Aviv lebt einen andern Rhythmus. Die Stadt heißt ihn aber auch so nicht willkommen. Das hat einerseits mit dem snobistischen Umfeld von Annabel zu tun, die sich nun in Diplomatenkreisen bewegt. Und andererseits mit Sprachschwierigkeiten. Ben David spricht fließend Englisch, in Paris steht er damit an, weil Franzosen selbst im Jahr 2015 noch immer der Meinung sind, Inhaber einer Weltsprache zu sein, die jedermann, jede Frau sprechen und verstehen müsse. Besonders skurrile Szenen spielen sich in der Schule des Buben ab, wo sich selbst der Direktor hartnäckig weigert, eine andere Sprache zu sprechen. "Alles, was hier passierte, habe ich so erlebt", sagt Ben-David, trotz alledem verständnisvoll: "Ich glaube aber nicht, dass sie kein Englisch können. Es geht da um Kultur. Franzosen sind nach wie vor ein stolzes Volk und sagen: 'Du bist in Frankreich, wir haben unsere eigene Geschichte, komm zu uns, wir geben dir viele Rechte, aber spiele unsere Regeln.' So ist die Philosophie."

Dass sich Annabel plötzlich in höheren Kreisen bewegt, Cocktailpartys besucht und Smalltalk führt, passt Avshalom/Ben-David nur wenig, und immer öfter geraten die beiden in Streit. Es stecke viel von einem selbst in der Rolle, erzählt Héloïse Godet, Darstellerin der Annabel: "Ich war Mutter eines kleinen Kindes und spielte plötzlich in einer großen Serie die Hauptrolle. Wie Annabel nahm ich diesen Traum in die Hände und musste lernen, damit umzugehen." Und wie Annabel plagte auch Godet das Gewissen, eine schlechte Mutter zu sein, weil sie sich nicht ausschließlich um ihr Kind kümmern konnte.

Zu sehr an Regeln haften

Die Trennung zwischen Fiktion und Realität erlebte auch sie als gelernte Schauspielerin als fließend: "Elis Frau war beim Vorsprechen dabei und hat mich ausgesucht", erzählt sie im Zoom-Interview. Man habe sich sofort gut verstanden, Vorbehalte gab es lediglich aufgrund ihrer Herkunft als Französin. "Eli fürchtete, dass ich als Französin zu sehr an Regeln hafte. Als ich bei einer Sabbat-Feier mit meiner Tochter am Boden spielte, galt ich als akzeptiert."

Israelische Serien sind von "Hatufim" und "Fauda" bis "Shitsel" und "Unorthodox" weltweit erfolgreich. Ben-David macht dafür Youtube verantwortlich: "Youtube hat unsere Ohren für andere Sprachen geöffnet. Wir können heute koreanische Gangnam-Style-Videos genauso sehen wie Geschichten auf Hebräisch." Einen weiteren Grund sieht der 44-Jährige im Produktionsland selbst: "Israel ist voller Konflikte. Du kannst heute zu einem x-beliebigen Haus gehen und anklopfen. Da wird dir eine Frau öffnen, und wenn du sagst: 'Erzähl mir eine Geschichte', dann wird sie erzählen – und du hast eine Fernsehserie. Und wenn du ihren Nachbarn fragst, ist es genau dasselbe. Es gibt so viele Gegensätze in Israel, orthodox, unorthodox, Araber, Juden, Gott, kein Gott, Kämpfe, Konflikte – Konflikte bringen das Drama." Ben-Davids nächstes Projekt ist voll davon: In Frankreich arbeitet er gegenwärtig an einer Serie über die israelische Armee in den 1970er-Jahren. (Doris Priesching, 11.3.2021)

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