Die Covid-19-Krise hat außerordentliche Auswirkungen auf die menschliche Mobilität und die kurzfristigen internationalen Migrationsströme. Während Anfang März 2020 nur ein Prozent der bilateralen Reisekorridore von Mobilitätsbeschränkungen betroffen war, sind diese derzeit in 43 Prozent aller Migrationsrouten in Kraft. Die Auswirkungen, die solche Reisehindernisse auf Geldüberweisungen durch Migrantinnen und Migranten in deren Herkunftsländer haben können, sind ungewiss.

Die Verringerung der Migrationsströme hat zu einem Rückgang der potenziellen Rücküberweisungsabsender geführt, aber auch das Überweisungsverhalten wurde möglicherweise beeinflusst. Die vorhandene Evidenz zu den Folgen der Krise für den Umfang der von Migrantinnen und Migranten getätigten Geldüberweisungen ist in der Tat sehr heterogen. Im April 2020 prognostizierte die Weltbank einen Rückgang der weltweiten Rücküberweisungen um etwa 20 Prozent für das vergangene Jahr. Die Prognosen für 2021 gehen immer noch von einem Volumen der weltweiten Rücküberweisungen aus, das um 14 Prozent unter dem von 2019 liegt. Die Erfahrungen der einzelnen Länder im vergangenen Jahr sind sehr unterschiedlich ausgefallen: Viele Volkswirtschaften berichten von einem deutlichen Rückgang des Zuflusses von Rücküberweisungen, während andere, wie Pakistan oder Bangladesch, einen Anstieg der Überweisungen durch Migrantinnen und Migranten verzeichneten.

Die Verringerung der Migrationsströme hat zu einem Rückgang der potenziellen Rücküberweisungsabsender geführt, aber auch das Überweisungsverhalten wurde möglicherweise beeinflusst.
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Katalysator der Armutsbekämpfung

Rücküberweisungen tragen auf verschiedene Weise zur sozioökonomischen Entwicklung bei, auf Haushalts-, Gemeinde- und nationaler Ebene. Insbesondere ihre Wirkung als Katalysator der Armutsbekämpfung ist weithin anerkannt. Ziel zehn der Sustainable Development Goals identifiziert Rücküberweisungen explizit als ein Instrument, um eine positive wirtschaftliche Entwicklung auf der Haushalts- und Gemeindeebene in den Empfängerländern zu unterstützen. Ziel 10.c zielt darauf ab, die Transaktionskosten für Rücküberweisungen von Migrantinnen und Migranten auf weniger als drei Prozent zu senken und Rücküberweisungskorridore mit Kosten von mehr als fünf Prozent zu eliminieren. Um dieses Ziel durch die Gestaltung effektiver, evidenzbasierter Politiken zu erreichen, die die Senkung der Kosten für Rücküberweisungen erleichtern, werden Daten über die jeweiligen Standorte der Geldtransferanbieter auf einem granularen räumlichen Detailniveau benötigt.

Einerseits sind solche Informationen notwendig, um den Grad des (räumlichen) Wettbewerbs auf dem Markt für Geldüberweisungen zu beurteilen und damit Unterschiede bei Preisen und Transaktionskosten zwischen und innerhalb von Ländern zu erklären. Andererseits sollte die Kombination von Daten über die geografische Lage von Geldtransferagenten mit Bevölkerungskarten und anderen Quellen geocodierter Informationen bei der Identifizierung potenziell unterversorgter Gemeinden und infrastruktureller Hindernisse für die Rücküberweisungstätigkeit helfen.

Datenerhebung

Solche Daten waren bis vor kurzem nicht verfügbar und wurden nun im Rahmen einer Partnerschaft von Forschern des World Data Lab, der Wirtschaftsuniversität Wien und Developing Markets Associates mit der Europäischen Union und dem International Fund for Agricultural Development (IFAD) durch das Financing Facilities for Remittances Programm (FFR) erhoben. Unter Verwendung alternativer Datenquellen, die auf Web Scraping basieren, wurden Informationen über den geografischen Standort von Geldtransferagenturen gesammelt und in Kombination mit geocodierten Bevölkerungsdaten für neun afrikanische Länder südlich der Sahara visualisiert.

Die Websites bekannter Überweisungsdienstleister bieten die Möglichkeit, nach allen Geldtransferagenten zu suchen, und liefern Informationen über deren Standort innerhalb eines Radius um eine bestimmte geografische Koordinate. Unter Verwendung von sechseckigen Suchrastern über dem Gebiet des interessierenden Landes führte das Projekt zu neuen Datensätzen mit geocodierten Standorten von Geldtransferagenturen auf dem afrikanischen Kontinent, die dann mit Informationen zur Bevölkerungsdichte kombiniert werden können.

Die Abbildung zeigt dies am Beispiel Kenia. Diese Datenrekonstruktion ermöglicht es, unterversorgte Bevölkerungsgruppen in Bezug auf den physischen Zugang zu Geldtransferagenten zu identifizieren, und kann als Grundlage für politische Maßnahmen dienen, die darauf abzielen, die finanzielle Eingliederung als Instrument zur Armutsbekämpfung zu erleichtern. In Kenia leben fast 13 Millionen Menschen – also ein Viertel der EinwohnerInnen – mehr als zehn Kilometer vom nächsten Überweisungsdienstleister entfernt. Diese unterversorgten Teile der Bevölkerung sind überall in Kenia zu finden, besonders aber im Norden.

Zugang zu finanzieller Infrastruktur

Der Zugang zu finanzieller Infrastruktur ist ein treibender Faktor der Kostenreduktion sowohl für Absender als auch für Empfänger von Rücküberweisungen. Die Bemühungen zur Erfüllung des Ziels 10c der Sustainable Development Goals stehen vor mehreren Herausforderungen. Die Identifizierung von Bevölkerungsgruppen, die von finanzieller Ausgrenzung bedroht sind, ist der erste Schritt zur Entwicklung effizienter Maßnahmen, um die Verbreitung von Zugangspunkten für den Empfang von Bargeld in den Regionen zu erhöhen, in denen dies erforderlich ist. Die Senkung der Kosten für Rücküberweisungen sollte wesentlich dazu beitragen, die Armut zu reduzieren und Wanderarbeiter als Agenten des Wandels in lokalen Gemeinschaften zu stärken. Die hier vorgestellten neuen Entwicklungen im Bereich der Data-Science-Anwendungen können helfen, die finanzielle Inklusion zu fördern und zu einer nachhaltigen wirtschaftlichen Entwicklung auf dem afrikanischen Kontinent beizutragen. (Jesús Crespo Cuaresma, Max Thomasberger, 9.3.2021)