Hoher Besuch von Wirtschaftsministerin Schramböck (links) und Landeshauptfrau Mikl-Leitner bei Hygiene Austria.

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Wien – Der Druck der Ermittler, der Politik und der Öffentlichkeit wäre eigentlich schon schwer genug auszuhalten, doch jetzt kommt es auch noch zum internen Zerwürfnis. Es klingt nach Rosenkrieg bei der Hygiene Austria, die wegen der Umetikettierung chinesischer Masken, des Verdachts des schweren Betrugs und der organisierten Schwarzarbeit unter Beschuss geraten ist. Die Partnerschaft der beiden österreichischen Firmen Lenzing und Palmers – vor einem Jahr anlässlich der Gründung mit Vorschusslorbeeren bedacht – geht gerade in die Brüche.

Der Ehestreit geht dabei alles andere als leise vonstatten – im Gegenteil: Lenzing, oberösterreichischer Faserhersteller und an der Börse notiert, ging am Montag mit einer aufsehenerregenden Mitteilung an die Öffentlichkeit. Er zieht seine beiden Geschäftsführer aus der Hygiene Austria ab. Einer davon war erst vergangene Woche an den Produktionsstandort in Wiener Neudorf entsandt worden, um die Aufklärung der Vorgänge zu betreiben.

"Kein Zugriff"

Als Grund für den Rückzug wird angegeben, keinen vollen Zugang zu wichtigen Dokumenten zu haben. Die Unterlagen befänden sich in den Räumlichkeiten von Palmers, wo Lenzing "weder Zutritt noch Zugriff" habe. Und die Oberösterreicher beklagen in ihrer Aussendung weiter: "Trotz intensivsten Ressourceneinsatzes seitens von Lenzing war die dringend erforderliche rasche Aufklärung mit belastbaren Resultaten ebenso wenig möglich wie die tatsächliche Ausübung der Geschäftsführung."

Nun übergibt der Faserhersteller die Verwaltung der Firmenanteile einem Treuhänder. Bei Lenzing wird sich im Vorstand ausschließlich der kürzlich zur Aufarbeitung der Vorfälle in die Hygiene Austria entsandte Stephan Sielaff um das Debakel kümmern. Stephan Trubrich wird als Geschäftsführer des Joint Ventures abberufen, womit derzeit Palmers-Chef Tino Wieser alleiniger Chef ist.

Offener Bruch

Wieser kann die Vorwürfe nicht nachvollziehen. "Von der Aufgabenaufteilung her war von Anfang an klar, dass die Lenzing die Produktion und die Materialbeschaffung plus Qualitätssicherung und Zertifikate macht", sagte er der APA.

Zertifiziert in Ungarn: Hygiene-Austria-Masken.
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"Ich finde es einfach nicht in Ordnung, wenn sich ein Partner in dieser Zeit, salopp gesagt, ein bissl davonstiehlt." Die Unterlagen seien im Rahmen der Hausdurchsuchung an die Behörden übergeben worden, zudem seien sie immer dem von Lenzing entsandten Geschäftsführer vorgelegen.

Der offene Bruch hat sich in den letzten Tagen und Wochen abgezeichnet. Lenzing hatte erst kürzlich die Mehrheit an Hygiene Austria übernommen, nachdem das Gemeinschaftsunternehmen davor zu gleichen Teilen gehalten worden war. Der Faserkonzern fühlt sich hintergangen und sorgt sich dem Vernehmen nach, bei einer Teilnahme an der Aufklärung ohne ausreichende Möglichkeiten in den Verdacht der Verdunkelung zu geraten. Auch Investoren goutieren die Ereignisse in Wiener Neudorf nicht, die Lenzing-Aktie fiel vergangene Woche um knapp zehn Prozent, erholte sich dann aber wieder etwas.

Druck von Lenzing

Von der Lenzing-Seite wird seit Bekanntwerden des Maskenskandals ordentlich Druck gemacht. Die Oberösterreicher rechneten schon vergangene Woche nicht damit, dass die Partnerschaft mit Palmers Zukunft habe, berichteten Insider dem STANDARD. Auch die Schließung der Produktion in Wiener Neudorf werde geprüft, hieß es. Die Kunden – allen voran große Händler wie Rewe, Spar, DM sowie die Apotheken – kaufen ohnehin nichts mehr bei Hygiene Austria ein. Palmers wiederum berichtet, die Wäschekette verhandle die Übernahme der Lenzing-Anteile.

Ermittler, Lieferanten und ehemalige Mitarbeiter haben in den letzten Tagen über abenteuerliche Zustände bei dem Unternehmen berichtet, das vor kurzem noch hohe Politiker zu Betriebsbesichtigungen empfangen hatte. Von unangemeldeten Leiharbeitern ist die Rede, von vertuschten Arbeitsunfällen und widrigsten Bedingungen für die Mitarbeiter. Die Zukäufe aus China sollen demnach massiv gewesen sein – die Geschäftsführung spricht in einer der kärglichen Mitteilungen dagegen lediglich von Lieferungen zur Abdeckung von Auftragsspitzen. Die Vorwürfe der Schwarzarbeit und des Betrugs wurden bisher von Hygiene Austria energisch zurückgewiesen – es gilt die Unschuldsvermutung.

Opposition macht Druck

Die Politik setzt sich immer stärker auf die Affäre. Die Opposition schießt sich auf den Umstand ein, dass die Büroleiterin von Bundeskanzler Sebastian Kurz mit Hygiene-Mann Wieser verschwägert ist. In diesen Zusammenhang wird auch eine angebliche Bevorzugung des Unternehmens beim Ankauf von FFP2-Masken für über 65-Jährige gerückt, bei dem offenbar Exklusivverhandlungen mit Hygiene Austria geführt wurden. Laut Gesundheitsministerium handelte es sich nur um lose Vorgespräche, wegen gröberer preislicher und anderer Differenzen kam das österreichische Unternehmen ohnehin nicht zum Zug.

Kurz selbst sagte zu den Vorfällen: "Wenn es hier Betrug gibt, dann sind wir alle betrogen worden." (Andreas Schnauder, 8.3.2021)