Man merkt es, wenn ein Unternehmen wirklich viel Geld ausgibt, um über Youtube bekannt zu werden. Und zwar nicht in Form von vor- oder dazwischengeschalteten Werbeclips, die die Plattform selbst ausspielt, sondern wenn diverse Videomacher selbst die Werbetrommel rühren. Meist angekündigt als "ein Wort von unserem Sponsor des heutigen Videos" folgt dann ein meist 30 Sekunden bis zwei Minuten langes Segment, in dem ein Produkt angepriesen wird.

Da wären etwa das lange praktisch überall auftauchende Mobile Game Raid: Shadow Legends, diverse VPN-Anbieter und Gadgets. In letztere Kategorie fallen die "Raycon Everyday", vulgo Raycon E25. Dabei handelt es sich um drahtlose Ohrhörer, die um knapp 70 Euro oder 80 Dollar (abzüglich etwaiger Einsparungen durch Rabattcodes aus den Werbesegmenten) verkauft werden und dabei selbst mit viel teureren Alternativen wie Apples Airpods konkurrieren können sollen. Immer wieder kauft sich der Hersteller in Videos von Techchannels bis hin zu veganen Kochsendungen ein, um dort sein Ware von Influencern anpreisen zu lassen, die oft auch angeben, die Hörer selbst zu benutzen und sehr zu mögen.

Dass das stets ehrlich gemeint ist, darf nach einem ausführlichen Test der Ohrhörer durch das Portal Soundguys aber zumindest angezweifelt werden. Denn in vielen Belangen kommen die Raycons dort nicht besonders gut weg.

Foto: Raycon

Mäßiger Ersteindruck

Da wären etwa schon Kritikpunkte bei den Basics. Die seit 2019 auf dem Markt erhältlichen Hörer fallen definitiv nicht mehr in eine günstige Preisklasse. Dennoch befindet sich am Gehäuse lediglich ein Micro-USB-Stecker anstelle eines weniger empfindlichen und reversibel einsteckbaren Typ-C-Ports. Auch eine Schnellladefunktion gibt es nicht. Die Hörer selbst benötigen eine Stunde, um sich voll aufzuladen. Das Ladegehäuse mit integriertem Akku rund zwei bis drei.

Mit einer vollen Charge liefern die Hörer knapp sechs Stunden an Wiedergabe, was sich mit den drei Aufladungen, die über den Akku der Ladestation möglich sind, auf etwa einen Tag Gesamtverwendungsdauer summiert. Immerhin ein solider Wert.

Bekrittelt wird allerdings auch die Verarbeitung. Während die Ladehülle recht kompakt, ordentlich gebaut ist und über einen sicher sitzenden Magnetverschluss verfügt, kommen die Hörer selbst in einem "glänzenden, billig aussehenden Kunststoff" daher. Beide verfügen zwecks Steuerung auf der Außenseite jeweils über einen Knopf, dessen haptisches Feedback als "wabbelig" beschrieben wird. In Sachen Wasserfestigkeit sind sie mit IPX4, Spritzwasserresistenz, deklariert.

Die Hörer sind recht klein, und zumindest der Tester hatte trotz beigelegter Silikonstöpsel in unterschiedlichen Größen Probleme damit, sie komfortabel in seine Ohren zu stecken, ohne dass sie – etwa beim Laufen – langsam verrutschten. Beim Betätigen der Knöpfe drückt man sie zudem jedes Mal etwas in den Gehörgang, was dazu führen kann, dass sie sich am Rand "ansaugen" und ein entsprechendes, unangenehmes Druckgefühl entsteht. Allein für das Verstellen der Lautstärke um eine Stufe muss man dreimal hintereinander schnell die Taste am linken bzw. rechten Hörer betätigen.

Minimalausstattung

Bei der restlichen Technik geben sie sich ebenfalls sparsam. Unterstützt werden lediglich die Bluetooth-Codecs AAC und SBC. LDAC oder aptX (HD), die höhere Bandbreite und potenziell bessere Soundqualität ermöglichen, sucht man vergebens. Latenzprobleme konnten nicht festgestellt werden, und auch die Verbindung blieb stets stabil.

Ein Schwachpunkt ist allerdings, dass kein Multipoint unterstützt wird. Die Raycon E25 können immer nur jeweils mit einem Gerät gekoppelt sein. Möchte man sie mit mehreren Handys, Tablets und Computern nutzen, müssen sie bei jedem Wechsel vom zuletzt genutzten Gerät gelöscht (oder dieses außer Reichweite gebracht) und dann in den Pairingmodus versetzt werden.

Foto: Raycon

Extrem dominanter Bass

Auch bei ihrer Kernfunktion, der Klangwiedergabe, überzeugen sie nicht. Es gibt keine aktive Lärmunterdrückung, und die Isolation von Umgebungsgeräuschen ist kaum gegeben. Klimaanlagen sind immer noch deutlich zu hören, wenn man die Hörer in den Ohren hat. Träger müssten das mit erhöhter Wiedergabelautstärke kompensieren, was wiederum gesundheitlich problematisch sein kann.

Der Hersteller wirbt mitunter damit, dass die Raycon Bässe gut abbilden können. Das Klangbild zeigt auch sehr deutlich, dass sie darauf getuned sind, das hohe und tiefe Ende des Spektrums stärker zu betonen. Bei den Bässen hat man es aber nach Ansicht des Testers massiv übertrieben. Viele Songs würden durch die extreme Dominanz des Basses praktisch ruiniert. Aber auch Songs, die höhenbetont sind – beispielsweise Hotel California – klingen nicht gut. Die Höhen werden zwar laut abgebildet, dem Klang fehlt es aber an Klarheit.

Wenig zu bemängeln gibt es immerhin an den eingebauten Mikrofonen. Diese klingen für drahtlose Ohrhörer ordentlich. Mittlere Frequenzbereiche werden lauter übermittelt, was Sinn ergibt, tiefe Frequenzen – in die sich oft Hintergrundlärm einreiht – dafür schwächer.

Nicht das Geld wert

In Summe kommt der Test zu dem Ergebnis, dass es keine Umstände gibt, unter denen sich die Raycon E25 empfehlen lassen, es sei denn sie wären "signifikant billiger". In ihrer Preisklasse gibt es genug Konkurrenz, die deutlich mehr fürs Geld bietet. Soundguys empfiehlt hier die Anker Soundcore Spirit Dot 2, die Jlabs Jbuds Air Sport und die Creative Outlier Gold.

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