Lebenszeichen vom anderen Ende der Stadt: Auch Aspern hat jetzt ein sehr brauchbares Thai-Restaurant.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Wohnungspreise sind längst auch in den Retortenstädten des äußeren Nordostens der Hauptstadt schwindlig hoch. Davon abgesehen fühlt es sich aber nicht wirklich urban an, wenn man irgendwo bei den hintersten Stopps der U2 aussteigt: Schon beim Verlassen der Stationen kommen diverse Gstätten ins Blickfeld, die verdächtig nach Feld ausschauen.

Dementsprechend ist es da draußen ein Ereignis, wenn plötzlich ein Wirt aufsperrt, der sich nicht auf Schnitzelsemmel und Schaumstoffburger, Billig-Sushi oder Putendöner spezialisiert hat. Wenn das auch noch mitten im Lockdown passiert und sogar einen speziellen Fokus auf die Küche des thailändischen Nordens ("Lan Na") verspricht, dann hat es fast stadtpolitische Relevanz.

Das Thailanna ist strategisch gut platziert: gleich bei der U2-Station Aspernstraße, exakt gegenüber dem zugehörigen Busbahnhof. In der offenen, mit Induktionswoks ausgestatteten Küche werken vier Köchinnen und Köche, das Telefon läutet in einem fort, zwischen unausgepackten Möbeln und Kartons werden Bestellungen der Take-away-Gäste aufgenommen. Und die Lieferando-Biker geben sich wortlos die Türe in die Hand, suchen sich ihre befüllten und beschrifteten Taschen zusammen und verschwinden wieder in der Nacht.

Yi Pin "Jenny" Liu betreibt bereits den Brunch-Spezialisten Mae Aurel am Salzgries und einen kulinarisch wenig auffälligen Panasiaten ums Eck vom Thailanna. Ihre Schwester ist mit dem Iko auf der Wipplingerstraße im Designer-Sushi-Business, auch die weitere Verwandtschaft ist nachhaltig im gastronomisch aktiven Teil von Wiens chinesischer Community verankert.

Klingt jetzt nicht wie ein glasklarer Hinweis auf nordthailändische Küche? Was ist schon eindeutig: Weil eine Köchin in Lius anderem Restaurant Nordthailänderin ist und Personalessen am liebsten aus der eigenen Tradition kochte, wurde die Chefin irgendwann "voll süchtig" auf die explizite Aromatik dieser Küche.

Dass es in "ganz Donaustadt" keinen ordentlichen Thai gebe (okay, das als Kulturverein in einem Kleingartenhäuschen agierende "Jun Thai" auf der Breitenleer Straße kennen echt nur die Spezialisten), sei ein weiterer Grund gewesen, dass Liu den Sprung in die Länderküche Südostasiens gewagt habe.

Im Kompromiss braten

Knuspriger Tilapia mit Ingwer-Chili-Salsa sieht spektakulär gut aus.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Ihre Köchin muss nun nicht mehr Sushi drehen oder Fritter-Hendl in süß-saurer Sauce ertränken. Kompromisslose Chiang-Mai-Küche darf man sich aber auch nicht erwarten. Grüner und roter Curry werden sehr anständig, wenn auch standardisiert mittels bereitstehender Fertigpasten gerührt.

Aber es gibt auch ein sehr ordentliches Laab Lanna, den scharfen Salat aus gehacktem, gebratenem Schweinefleisch mit Shrimpspaste, Schalotten, fein geschnittenen Limettenblättern und Lemongrass – und, wie es sich gehört, mit Klebreis serviert.

Papayasalat, sehr fein geraffelt, mit einer anständigen Portion Trockenshrimps und den pflichtgemäßen Langfisolen, wirkt im Vergleich nicht ganz so gelungen – kann aber auch daran liegen, dass der Weg zurück aus der Peripherie halt auch an den Speisen Spuren hinterlässt.

Sen Lanna ist eine fantastisch würzige, rötlich schillernde Suppe mit Reisnudeln, Faschiertem, allerhand Kräutern und den typisch südostasiatischen, wurstähnlichen Fleischbällchen.

Knuspriger Tilapia mit Ingwer-Chili-Salsa sieht (siehe Bild) spektakulär gut aus, das dezidiert erdige (Schönwort für sumpfige) Aroma des Süßwasserfischs muss man aber mögen.

Der Curry-Pancake mit Garnelen und, huch, Surimi kann es dafür wirklich – auch wegen der extrem animierenden Dipsauce mit Thai-Basilikum und grünem Chili. (Severin Corti, RONDO, 12.3.2021)


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