Architekt Gregor Eichinger in seinem Büro, das er nun für sich allein hat. Seine Mitarbeiter arbeiten von zu Hause aus.

Foto: Katharina Gossow

"Zum Thema Homeoffice fällt mir ein, wie man sich bei Videocalls präsentiert, die Art, wie man sichtbar wird. Bruno Kreisky ließ sich neben der Türschnalle einer vier Meter hohen Barocktüre interviewen. Damit wollte er Augenhöhe mit der Aristokratie signalisieren. Der Hintergrund ist wichtig für intensive Messages.

Ich tauche etwas freundlicher, bunter und floraler als Kreisky auf. Wobei ich gleich sagen muss, dass ich nicht im Homeoffice arbeite, sondern in meinem Büro. Aus dem einfachen Grund, dass meine sieben Mitarbeiter zumeist von zu Hause aus arbeiten. Das heißt, das ganze Büro gehört mir. Wir treffen uns einmal pro Woche zu Meetings, natürlich getestet.

Ich halte in Sachen Homeoffice eine räumliche Trennung für das Allerwichtigste. Man muss das Homeoffice innerhalb der eigenen vier Wände verlassen können. Das ist je nach Platzangebot, Lebenssituation und Grundriss für viele Menschen schwierig. Vor allem wenn man das mit einer ganzen Familie unter einen Hut bringen muss.

Befreiung

Es geht um einen Arbeitsplatz, der den Menschen optisch und akustisch vom Geschehen abtrennt. Für diese Arbeitswelten gilt es, neue Möbel zu entwickeln. Wobei auf diesem Gebiet einiges passiert ist. Ich denke zum Beispiel an eine Art erweiterter Ohrensessel oder Klapplösungen.

Dem Homeoffice zugute kommt, dass alles immer kleiner wurde. Eine Telefonzelle ist heute so groß wie eine Geldtasche. Ein Tablet kann man überallhin mitnehmen. Wenn man an einen mongolischen Reiter denkt, der galoppierend vom Pferd aus mit Pfeil und Bogen schießt, könnte man doch auch beim Joggen an einer Videokonferenz teilnehmen.

Wie man die Sache auch dreht und wendet, es passiert gerade eine zwangsweise Befreiung vom klassischen Arbeitsplatz. Mir fällt zu dieser neuen Freiheit auch eine alte Form der Freiheit ein. Denken Sie daran, dass manche Menschen früher gern im Kaffeehaus gearbeitet haben. Ich sehe dieses Bild als eine Vorwegnahme der neuen Arbeitseinteilung.

Boosterfunktion

Das Homeoffice hat eine Riesenzukunft, denn vielen Menschen sind die positiven Seiten dieser Arbeitsweise bewusst geworden. Firmen rüsten um, denken daran, Büros als soziale Treffpunkte zu gestalten, für Besprechungen, Meet and greet usw. Die klassische Arbeitsmühle wird verlassen.

In diese Richtung dachten manche schon vor der Pandemie, die nun als eine Art Booster funktioniert. Man denke an die IT-Branche in den USA, in der bei Microsoft, Google usw. bereits seit langem an neuen Arbeitswelten getüftelt wird, die sehr wohnlich wirken und fast schon an Unterhaltungswelten denken lassen.

Akademisch betrachtet, finde ich es sehr begrüßenswert, wenn es die Möglichkeit gibt, seinen Arbeitsstandort frei zu wählen. Es geht halt auch um Vertrauen, Dinge wie Angst vor dem Chef, soziale Kontrolle. Die Beteiligten selbst hinken der Entwicklung oft hinterher, denn Arbeiten bedeutet für viele immer noch ,schwitzen müssen‘. Irgendwann werden wir lernen, dass sich Arbeiten auf das gesamte Existieren bezieht.

All das hat mit der Bewegung von einer Arbeitsgesellschaft hin zu einer Wissensgesellschaft zu tun. Salopp betrachtet, wird die Gesellschaft dafür bezahlt, dass die Menschen Wissen erwerben, dass sie studieren und zur inhaltlichen und kulturellen Weiterexistenz beitragen.

Viele alltägliche Jobs werden von künstlicher Intelligenz übernommen. Ich sehe das als Befreiungsschlag. Diese Prognose ist nichts Neues, aber die Entwicklungen in Sachen Homeoffice tragen dazu bei, dies noch einmal anders zu denken und uns ein Stück weiter in die Zukunft zu schubsen." (Michael Hausenblas, RONDO, 20.3.2021)