Freiwillige Maßnahmen allein reichen nicht, sagt der Verkehrsplaner Gerd Sammer. Im Gastkommentar will er eine "ehrliche und kritische Diskussion" anstoßen, wie man eine ökosoziale Steuerreform umsetzen kann.

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Die Zeit im Klimaschutz rast davon. Experten fordern eine Ökosteuerreform, auch im Verkehrsbereich.
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Im türkis-grünen Regierungsprogramm ist die ökosoziale Steuerreform mit einer Überschrift prominent vertreten. Vier von sechs Punkten davon betreffen den Verkehrssektor direkt. Die derzeit umgesetzten oder angekündigten Maßnahmen stellen nur einen kleinen, aber in keiner Weise ausreichenden Schritt dar, um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, seien es die nationalen Ziele für 2030 bis 2050 oder erst recht die durch die EU jüngst beschlossenen verschärften Ziele.

Die verkehrsbedingten CO2-Emissionen haben in Österreich in den letzten Jahren tendenziell zugenommen. 2019 betrugen sie 24 Millionen Tonnen. Die Prognose der national festgelegten Maßnahmen ergibt laut Umweltbundesamt für 2030 eine Zielüberschreitung von sieben Millionen Tonnen oder 46 Prozent und für 2050 eine Überschreitung von 18 Millionen Tonnen. Das sind 75 Prozent der heutigen Treibhausgasemissionen. Dabei baut die Prognose auf sehr optimistischen Annahmen auf. Sie enthält keine "Push-Maßnahmen", sondern nur Verbesserungen auf freiwilliger Basis. Eine unbedingt notwendige, aber allein nicht ausreichende Voraussetzung zur Erreichung der Klimaziele im Verkehrssektor ist daher eine ökosoziale Reform der Steuern, Gebühren und Ausgaben.

Dieser Beitrag basiert auf einem Diskussionspapier der Forschungsgesellschaft Straße-Schiene-Verkehr (FSV) und soll eine ehrliche und kritische Diskussion anstoßen, wie in Verbindung mit den sonstigen Verkehrsmaßnahmen sichergestellt werden kann, dass die Klimaziele mit sozial treffsicheren, ökologisch und ökonomisch fairen Steuerungsmaßnahmen erreicht werden.

Mehr Kostenwahrheit

Eine Lösung der Umwelt- und Klimaprobleme wird nur dann gelingen, wenn die externen Kosten im Sinne der Kostenwahrheit miteinbezogen werden. Für diese Kosten kommen die Verkehrsteilnehmer heute nicht auf, sondern belasten damit vor allem künftige Generationen. Diese Kosten müssen den Verursachern angelastet werden. Sie betragen in Österreich für fossil betriebene Pkws pro zurückgelegtem Personenkilometer etwa 13 Eurocent, für Bus und Bahn 3,5 und für Flugzeuge 3,4.

Zur Lösung der Klima- und Nachhaltigkeitsziele ist es notwendig, dass jene, die nicht auf klimaneutrale und nachhaltige Verkehrsmittel umsteigen, den von ihnen verursachten Schaden bezahlen. Letztendlich bedeutet dies, dass der Verkehr mit fossilem Antrieb spürbar teurer wird, während Verkehrsmittel mit klimaneutralem Antrieb von dieser Teuerung nicht betroffen sind, aber ausreichend angeboten werden müssen.

Anreiz beim Pkw-Kauf

Die derzeitigen Steuern und Abgaben werden in fahrzeugbezogene und fahrleistungsbezogene Arten unterteilt: Zu Ersteren zählen die motorbezogene Versicherungssteuer und die Normverbrauchsabgabe für Pkws, die Kfz-Steuer für Lkws und die Mautvignette. Die Ökosozialisierung hat das Ziel, dass beim Kauf eines Fahrzeuges ein spürbarer Anreiz durch eine Steuerreduktion bewirkt wird, ein umweltfreundliches, möglichst fossilfreies Fahrzeug anzuschaffen.

Die derzeit in geringem Ausmaß vorhandene ökosoziale Komponente dieser Steuern muss deutlich verstärkt werden, wenn die vorgegebenen Ziele erreicht werden sollen. Da die Lebensdauer eines Pkws im Mittel 15 Jahre beträgt, sind die Maßnahmen so zu setzen, dass zur Erreichung des Pariser Klimaziels 15 Jahre vorher, also 2035, nur mehr fossilfreie Pkws in Betrieb gehen. Für die Erreichung des Regierungsziels, ab 2040 fossilfrei unterwegs zu sein, wäre das ab 2025.

Höherer Treibstoffpreis

Zu den verkehrsleistungsbezogenen Steuern, Abgaben und Förderungen zählen die Mineralölsteuer, die Maut sowie die Flugabgabe und die Pendlerförderung. Eine Ökosozialisierung bewirkt zum Beispiel eine Umwelt- und Klimaabgabe für fossilen Treibstoff:

· erstens im Zeitraum von 2021 bis 2030 zur Herstellung von Wettbewerbsfairness zwischen Pkw und öffentlichem Verkehr mit einer jährlichen Steigerung von 0,05 Euro/Liter Treibstoff, sodass die externen Kosten für den Pkw auf das Niveau des öffentlichen Verkehrs reduziert werden, sowie

· zweitens von 2031 bis 2035 zur Erreichung von Kostenwahrheit für Pkw mit einer jährlichen Steigerung von weiteren 0,16 Euro/Liter. Das ergäbe 2035 einen Treibstoffpreis von 2,60 Euro/Liter. Diese Internalisierung kann auch über eine flächendeckende fahrleistungsbezogene Straßenmaut für Pkw und Lkw auf allen öffentlichen Straßen erfolgen.

Sicherung der Mobilität

Eine zentrale Rolle einer ökosozialen Steuerreform im Verkehrssektor spielt die Zweckwidmung der Mehreinnahmen: Diese sollen einerseits für Investitionen und den Betrieb eines ökologischen und klimaneutralen Verkehrssystems verwendet werden und andererseits jenen Verkehrsteilnehmern zugutekommen, die sich umweltfreundlich verhalten. Eine sozial treffsichere Lösung dafür stellt der Mobilitätsbonus in Verbindung mit einer ökosozialen Pendlerförderung dar.

Im Sinne einer Grundsicherung für Mobilität erhält jeder Bürger einen monatlichen Bonusbetrag. Das ergäbe bei Herstellung der Kostenwahrheit im Jahr 2035 einen Betrag von 1370 Euro/Jahr oder 114 Euro/Monat und Person. Entscheidet man sich für ein umweltfreundliches Mobilitätsverhalten, so spart man sich trotz der Umwelt- und Klimaabgabe Geld. Wird eine weniger umwelt- und klimaschonende Mobilitätsform genutzt, so zahlt man dafür im Sinne des Verursacherprinzips mehr.

Was wollen wir?

Die vertiefende Beschäftigung mit der Thematik zeigt, dass die Klimaziele im Verkehrssektor nicht allein durch Maßnahmen technologischer Art oder durch Angebotsverbesserung umweltfreundlicher Verkehrsmittel erreicht werden können. Entscheidend sind ergänzende Push-Maßnahmen. Es braucht also eine ökosoziale Reform der Steuereinnahmen und der staatlichen Ausgaben für den Verkehrs- und Mobilitätssektor. Es sollte uns allen bewusst sein, dass keine Entscheidung für eine ökosoziale Steuer- und Ausgabenreform im Verkehrssektor zu treffen auch eine Entscheidung ist, nämlich weitermachen wie bisher. Wollen wir das? Eine erfolgreiche Reform bedarf natürlich einer breiten öffentlichen Information und Diskussion, um die demokratiepolitisch erwünschte Akzeptanz sicherzustellen. (Gerd Sammer, 9.3.2021)