Nach einem Jahr Coronavirus-Pandemie kann man problemlos folgende Feststellung treffen: Neben dutzenden Männern, Politikern wie Experten, haben es mit den Top-Virologinnen Elisabeth Puchhammer-Stöckl und Dorothee von Laer zwei Frauen als gefragte Expertinnen in die Medien gebracht – und erreichen damit eine breitere Öffentlichkeit. Immerhin. Zu Beginn der Pandemie konnte man denken, in Österreich ritten ausschließlich männliche Helden aus Politik und Wissenschaft gegen die virale Bedrohung aus. Doch mit ruhigen, fachkundigen Expertisen, präzisen Antworten und teils auch mutigen Forderungen (von Laer empfahl vor kurzem, Tirol unter Quarantäne zu stellen) haben zumindest diese beiden Expertinnen nun ihren fixen Platz in der Corona-gestressten Öffentlichkeit.

Gabriele Fischer, Psychiaterin und Leiterin der Kommission zum präventiven Menschenrechtsschutz.
Foto: Kim Pajor

"Ich freue mich darüber, dass zwei Top-Wissenschafterinnen jetzt sichtbar sind. Auch wenn wir immer noch stark in der Minderheit sind", sagt Gabriele Fischer. Dennoch: "Ohne Uni-Reform und Autonomiegesetz stünden jetzt wahrscheinlich nicht einmal zwei Forscherinnen in Spitzenpositionen."

Psychiaterin Fischer, Professorin an der Med-Uni Wien, hatte in ihrer Arbeit stets einen Fokus auf Frauen gelegt. Als Leiterin der Drogenambulanz der Med-Uni genauso wie als Uni-Rätin, Uno-Konsulentin für Menschenrechte und als Mitglied im Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen an der Uni Wien. Fischer erinnert sich an die Anfänge dort, als das Thema Gleichbehandlung erst im Bewusstsein universitärer Führungspersönlichkeiten verankert werden musste. Fischer: "Die Beschäftigung im Arbeitskreis hat zumindest Transparenz gebracht und eine gewisse Aufmerksamkeit dafür, dass Frauen, die sich für Positionen bewerben, bei gleicher Qualifikation Männern vorzuziehen sind." Von Verständnis dafür war man allerdings noch weit entfernt. Im Gegenteil, sagt Fischer. "Viel verändert hat sich dadurch nicht, der Frauenanteil bei Abteilungsvorständen und Primariaten stieg nur langsam."

Den wahren Unterschied machte das Universitätsgesetz 2002, das den Unis weitgehende Autonomie einräumte. Die Einsetzung von Universitätsräten, die gesetzlich verankerte Pflicht, diese Gremien paritätisch mit Frauen und Männern zu besetzen, und auch die Kontrolle über die finanzielle Gebarung der Unis hätten hier ein wenig Bewegung gebracht. Die Betonung liegt auf "ein wenig": Laut Statistik Austria lag der Anteil der Universitätsprofessorinnen 2020 bei mageren 26 Prozent – an der Uni Wien betrug er immerhin 31 Prozent.

Thema Finanzen

Fischer, die selbst lange Uniratsvorsitzende an der Med-Uni Innsbruck war, berichtet, wie stark und starr zunächst die Vorurteile beim Thema Finanzen waren: "Kann die überhaupt mit so viel Geld umgehen?" Solche und ähnliche Fragen seien anfangs immer wieder gekommen, obwohl mangelnde Vorsicht in Finanzdingen beileibe kein "Frauenthema" sei. Fischer: "An der Lehman-Pleite war keine einzige Frau beteiligt."

Grafik: DER STANDARD

Mittlerweile habe sich diesbezüglich an den Universitäten viel getan, sie selbst habe in Innsbruck mit männlichen Kollegen gute Erfahrungen gemacht: "Wir haben durchaus hart diskutiert, aber es war immer fair und mit offenem Visier." Ganz andere Erfahrungen macht sie derzeit als Vorsitzende der Menschenrechtskommission für die Steiermark und Kärnten, ein präventives Kontrollorgan, bestehend aus Expertinnen und Experten unterschiedlicher Berufe.

In dieser Funktion besuchte Fischer mehrmals medizinische Einrichtungen des Landes Steiermark und wies in ihren Berichten auf Mängel und Missstände in der Sache hin – etwa was die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention angeht, zu der sich Österreich verpflichtet hat. Die Reaktion darauf war nicht etwa eine Erklärung der geprüften Einrichtungen, wie sie dieser Verpflichtung künftig nachkommen wollen. Stattdessen kursierte eine schriftliche Beschwerde über Fischer, in der diese als "arrogant, schwierig, aggressiv, manipulativ" bezeichnet wird. Dies, sagt Fischer, habe sie dann doch sehr überrascht: "Diese Plumpheit und Übergriffigkeit wirtschaftlich und politisch gut vernetzter Männer in der Steiermark." Dies seien "klar sexistische Zuschreibungen – und das im Jahr 2021".

Männerstrukturen

Und sie erinnern frappant an jene diskriminierenden Zuschreibungen, welche die derzeit einflussreichste afrikanische Schriftstellerin, die nigerianische Feministin Chimamanda Ngozi Adichie, 2018 auf einer Konferenz in London ansprach: "Ein Mann ist durchsetzungskräftig, eine Frau ist aggressiv; ein Mann ist strategisch, eine Frau ist manipulativ; ein Mann hat Führungskompetenz, eine Frau ist kontrollierend; ein Mann ist maßgebend, eine Frau ist lästig."

Fischer empfiehlt hinsichtlich dieser "steirisch verwurzelten Männerstrukturen", Nachhilfe in gendersensiblen Umgangsformen zu nehmen. Vorbild könnte hier etwa die Uno sein, wo vor jeder Tätigkeit für die Vereinten Nationen ein Kursus in Sachen Verhaltenskodex belegt werden müsse. Ein solcher "Code of Conduct" für Institutionen der öffentlichen Hand sei dringend geboten, sagt Fischer – ebenso wie Frauenquoten für Führungspositionen.

Wie frau mit solchen Attacken (zumeist aus dem Hinterhalt) umgehen soll? Fischer: "Darüber reden, die Attacke kommunizieren und auf einer Entschuldigung bestehen. Die ersten Beschwerdeführer haben das in diesem Fall schon getan." Und: "Im Sinne der Prävention brauchen wir Schulungen auf vielen Ebenen. Vor allem in der politischen Landschaft muss das Bewusstsein dafür geweckt werden, dass Abwertung und Diskriminierung von Frauen nicht mehr möglich sein darf." (Petra Stuiber, 9.3.2021)