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Das Interview mit Meghan Markle und Prinz Harry sorgt für viel Diskussionsstoff.

Foto: Harpo Productions/AP

Latenter Rassismus, elitäres Gehabe, mehr Sorge um das Bild in der Öffentlichkeit denn um Familienmitglieder: Die Einblicke, die Meghan Markle und Prinz Harry – beide haben sich von der britischen königlichen Familie abgekoppelt – bei einem Interview mit der bekannten US-Talkerin Oprah Winfrey in das Leben der "Royals" gaben, haben für einige Aufregung gesorgt. Die Ausstrahlung hatte am Montagabend nach Angaben des Senders ITV mehr als elf Millionen Menschen vor die Bildschirme gelockt.

Insbesondere dass man im Buckingham-Palast offenbar sehr besorgt darüber war, welche Hautfarbe Markles ungeborenes Kind Archie haben werde, und ihr Unterstützung beim Umgang mit ihrer psychischen Belastung verweigerte, ließ die Wogen hochgehen. Vor allem auf Twitter formierten sich zahlreiche Kritiker. Das Hashtag "#AbolishTheRoyals", eine Aufforderung zur Abschaffung der Monarchie, landete während und nach der Ausstrahlung des Gesprächs in den Trends in mehreren Ländern, darunter auch Großbritannien selbst.

Irische Schadenfreude

Rassismus sei das Fundament, auf dem der gesammelte Reichtum der Royals stehe, kritisierte eine Nutzerin etwa – auch ein Verweis auf die Kolonialgeschichte Großbritanniens. Er sei keine Anomalie. Das Königshaus sei auf dem "Rücken schwarzer und brauner Menschen" wohlhabend geworden. In diesem Bezug sorgte auch Prinz Harry selbst 2005 einmal für einen Eklat. Es gelangten Fotos an die Öffentlichkeit, die ihn als Teilnehmer einer Party in einer Uniform des Afrikakorps des Nazi-Generals Erwin Rommel zeigten. Ein Auftritt, für den er sich vielfach entschuldigte.

Interessiert wurden die Ereignisse natürlich bei den Nachbarn mitverfolgt. Speziell aus Irland, wo die Zeit der britischen Herrschaft in der Erinnerungskultur nach wie vor eine große Rolle spielt und bis heute nachwirkt, und Schottland gab es auch die eine oder andere schadenfrohe Reaktion.

Auch im deutschsprachigen Raum beschäftigte das Interview die User. Auch hier kritisierten viele die koloniale Vergangenheit des Königreichs und machten sich für eine Abschaffung stark.

Hitzige Debatte im Morgen-TV

Im britischen Fernsehen war das Gespräch ebenso Thema Nummer eins. Für Zündstoff sorgte der konservative ITV-Moderator Piers Morgan, der sich in seiner Frühmorgen-Talkshow an den Forderungen zur Abschaffung der Monarchie störte – was den Twitter-Trend eher weiter befeuerte.

Zudem geriet er in eine hitzige Diskussion mit seiner schwarzen Berufskollegin Trisha Goddard, die ihm in deutlichen Worten erklärte, warum er kein Experte für Rassismus gegen dunkelhäutige Menschen sei. Ein Statement, das alsbald von vielen geteilt wurde.

Teil der Konversation war auch die Rolle der britischen Boulevardmedien. Als Antwort auf alle, die Meghan Markles Beschreibung des psychischen Drucks, dem sie ausgesetzt war, anzweifelten, lieferte ein Nutzer eine Sammlung von Titelseiten. Auf diesen wurde Markle etwa öffentlich dafür kritisiert, die Hände in die Taschen gesteckt zu haben, die Hand auf ihren Babybauch zu legen oder Avocados zu essen.

Kritik an den beiden Royals-Aussteigern kam oft von Usern, die sich dem rechten bzw. konservativen Lager zuordnen. Sie sehen in dem Interview vor allem eine Beschädigung des Königshauses als britischer Institution und bezichtigen das Paar der Undankbarkeit.

Warten auf eine Antwort aus London

Mehr als einem Tag nach dem polarisierenden Interview gab es noch keine Reaktion aus dem Buckingham Palace. Beim Besuch eines Impfzentrums hatte sich Prinz Charles zwar kurz in der Öffentlichkeit gezeigt, aber keinerlei Fragen beantwortet.

Aus dem Büro von Premierminister Boris Johnson hieß es, dass dieser das Interview zwar gesehen habe, es aber nicht weiter kommentieren werde. Wörtlich sagte Johnson bei einer Pressekonferenz am Montag, er habe "viel Zeit damit verbracht, royale Familienangelegenheiten nicht zu kommentieren" und dass er nicht die Intention habe, nun mit dieser Vorgehensweise zu brechen.

Eine Feier zum Commonwealth Day

Britischen Medien berichten indes von permanenten Krisengesprächen innerhalb des Palasts, das Thema dominierte die Titelseiten der Zeitungen. "Was haben sie getan?", titelte beispielsweise die "Daily Mail" zu einem Bild von Meghan und Harry. "Schlimmste royale Krise in 85 Jahren", hieß es auf der Titelseite des "Daily Mirror". Der "Guardian" bezeichnete die Rassismusvorwürfe als "vernichtend", und der "Daily Express" titelte: "So traurig, dass es so weit gekommen ist."

Am Montag hatte man im Palast noch ausgerechnet den Commonwealth Day mit einer aufgezeichneten Ansprache der Queen gefeiert, in der von Wertschätzung die Rede gewesen.

Kritik aus Australien

Der ehemalige australische Premierminister Malcom Turnbull sah sich durch das Interview in seiner Forderung nach einem Ende der Monarchie in seinem Land bestärkt. Wenn die Queen einmal nicht mehr auf dem Thron sitzen werde, müsse man darüber nachdenken, ob der König oder die Königin Großbritanniens automatisch das Staatsoberhaupt Australiens sein solle, sagte er dem Fernsehsender ABC TV.

Meghans Vater Thomas Markle verteidigte die Royals indes gegen den Rassismusvorwurf. "Ich habe großen Respekt für die Royals, und ich denke überhaupt nicht, dass die britische royale Familie rassistisch ist", sagte Markle dem britischen Sender ITV am Dienstagmorgen. Meghans Beziehung zu ihrem Vater gilt als zerrüttet und mündete sogar in einen Rechtsstreit, in dem es um private Briefe ging, die gegen ihren Willen veröffentlicht wurden.

"Ich vermute und hoffe, dass es nur eine dumme Frage von jemandem war", sagte der 76-jährige Thomas Markle: "Es könnte einfach so sein, dass jemand einfach eine blöde Frage gestellt hat, statt ein totaler Rassist zu sein." Der US-Amerikaner selbst ist weiß, Meghans Mutter ist schwarz. Der Vater bot seiner Tochter Meghan und Harry in seinem ITV-Interview an, den Gesprächsfaden wiederaufzunehmen und sich zu treffen. Wenn er von dem Paar direkt höre, werde er auch aufhören, mit den Medien zu sprechen, kündigte Markle an. (red, APA, dpa, Reuters, 9.3.2021)