Der Transparenzbereich ist bei den NEOS in Oberösterreich durchaus ausbaufähig

Foto: Barbara Gindl

Linz – Als "einzige Alternative zur bequemen Einheitspolitik der Proporzparteien" sieht man sich bei den oberösterreichischen Neos per Eigendefinition. Mit drei pinken Mandaten plant man nach der heurigen Landtagswahl im Landtag vertreten zu sein. So weit zumindest die Theorie – tatsächlich müssen sich die Neos aktuell nicht nur gegen politische Mitbewerber behaupten. Vor allem auf Linzer Ebene fliegen seit Wochen intern die Fetzen.

Klage wegen Rufschädigung

Vertreten ist man im Linzer Stadtparlament mit drei Gemeinderäten: Fraktionschef Lorenz Potocnik – nach einem Parteiaustritt 2016 erst seit acht Wochen wieder Neos-Mitglied –, Olga Lackner und Elisabeth Leitner-Rauchdobler. Vor allem die pinke Damenrunde pflegt ein heikles Verhältnis.

Neben inhaltlichen Auffassungsunterschieden war es zuletzt eine Klagsankündigung von Leitner-Rauchdobler gegen ihre Fraktionskollegin, die für einen Knalleffekt sorgte. Lackner soll mehrfach den Vorwurf verbreitet haben, dass Leitner-Rauchdobler "nur wegen einer unwahrscheinlichen Intrige" in der Vorwahl für die Gemeinderatswahl 2015 auf der pinken Liste nach vorne gerückt sei. Leitner-Rauchdobler kündigte umgehend eine Klage an – und erhielt ebenso umgehend von Potocnik und Lackner die Aufkündigung der Fraktionszusammenarbeit.

Listengerüchte

Das schlechte Bild rundeten zuletzt noch Gerüchte über eine eigene Listenerstellung von Potocnik abseits des offiziellen Vorwahlverfahrens sowie angebliche Ungereimtheiten auf finanzieller Ebene ab. Was die eigene Liste betrifft, gab es zumindest bereits im Herbst ein ganztägiges Treffen im oberösterreichischen Waxenberg unter dem Titel "Allianz mit Neos in Linz". Vertreten war dort neben Potocnik auch Neos-Landeschef Felix Eypeltauer. Und tatsächlich finden sich heute etliche Teilnehmer des damaligen inoffiziellen Treffens auf der offiziellen Kandidatenliste.

Noch spannender wird es aber auf finanzieller Ebene: Ein Vergleich der dem STANDARD vorliegenden Kontoauszüge der letzten fünf Jahre mit der dazugehörigen Transparenzdatenbank der Linzer Neos wirft nämlich tatsächlich einige Fragen auf. Konkret offenbaren sich bei Durchsicht Diskrepanzen zwischen Bank- und Transparenzkonto hinsichtlich der Ausgaben in einer Höhe von mehreren tausend Euro. 2019 wurde überhaupt drei Monate lang vergessen, die Transparenzdatenbank zu füllen. Was für eine Partei, die sich absolute Transparenz auf die Parteifahne geheftet hat und sonst gerne jede Wurstsemmel offenlegt, durchaus ungewöhnlich ist.

Faktum ist also, dass laut Unterlagen in den vergangenen fünf Jahren offensichtlich nur ein Jahr vollständig und richtig abgerechnet wurde. Was aber einer offiziellen Freigabe durch einen Rechnungsprüfer nicht im Wege stand: Zweimal prüfte dieser in den fünf Jahren das finanzielle Gebaren der Linzer Neos, mit folgendem Ergebnis: "Ich bestätige, dass die Gelder der GR-Fraktion in den Jahren 2017, 2018, 2019 für den Zweck der Mitwirkung an der politischen Willensbildung verwendet worden sind. Darüber hinaus sind die Daten auf der Transparenzdatenbank von Neos einsehbar, womit unserem Statut Rechnung getragen wird."

Nutzungsfragen

Gestolpert ist man bei der Prüfung übrigens auch nicht über Zahlungen, die durchaus einer näheren Erklärung bedürfen würden. So findet sich am 4. Oktober 2018 folgende Kontobewegung: AREV/TFL bezüglich Miete Tabakfabrik Linz (Jänner bis Juli 2018, 2.214,91 Euro und 48,71 Euro Betriebskosten) mit dem Verwendungszweck "obj nr 1501 Lorenz Potocnik". Bei dem Objekt handelt es sich um das private Büro des pinken Fraktionsobmanns. Die Linzer Neos-Fraktion verfügt übrigens seit Anfang 2016 über ein eigenes Fraktionsbüro im Rathaus.

Auffallend auch die Nähe zu einschlägigen Medien. So finden sich mehrere Überweisungen an das Stadtmagazin "Linza": 28. Februar 2020 – 1.247,40 Euro/Linza "Redaktionelle Werbung" Regiopole Linz OÖ. Im "Linza" selbst erscheint dann ein nicht als Werbung gekennzeichneter redaktioneller Beitrag rund um Lorenz Potocnik unter dem Titel "Gemeindegrenzen überwinden". Ebenso am 28. Juli 2020: 1.247,40 Euro mit Verwendungszweck "Linza 22, Saubermacher" – es erscheint ein Interview mit Potocnik.

Ein gewisses Naheverhältnis pflegte man in den vergangenen Jahren auch zu diversen Bürgerinitiativen. Mehrmals wurden diese mit Geld vom Fraktionskonto bedacht. So gingen etwa 3.500 Euro an Renate Ortner von der Bürgerinitiative "Linzer Grüngürtel". Ortner kandiert jetzt übrigens für die Linzer Neos. Weiters gingen etwa 3.000 Euro an "Kein Transit Linz" und mehrfach Zahlungen an "Rettet den Pichlinger See". Was Potocnik übrigens einmal in einer Anfrage des LASK klar bestritt: "Finanzielle Zuwendungen gibt es vonseiten der Fraktion keine." Auch vonseiten der Bürgerinitiativen hüllte man sich gerne in Schweigen: Eine Nachfrage einer Journalistin anlässlich einer Pressekonferenz mit Vertretern der Bürgerinitiativen im Februar, ob man Geld der Linzer Neos erhalten habe, wurde klar verneint.

Keine Unterhosen-Transparenz

Potocnik selbst bestreitet auf STANDARD-Nachfrage diverse Zahlungen an Bürgerbewegungen auch gar nicht: "Wir sind stolz darauf, einzelne davon bei Bedarf unterstützt zu haben im Kampf David gegen Goliath." Zu den Transparenzdatenbank-Problemen merkt Potocnik an, dass "Transparenz nicht grundsätzlich bedeutet, sich bis auf die Unterhose auszuziehen". Aber er gehe davon aus, dass alles "korrekt" sei. Derzeit finde eine externe Rechnungsprüfung statt, die man Ende März veröffentlichen werde.

Zu den Büroräumen in der Tabakfabrik stellt der pinke Linz-Chef klar, dass diese sehr wohl auch jahrelang für Neos-Besprechungen genutzt worden seien. Potocnik: "Aber wenn es etwas zu korrigieren gibt, dann korrigieren wir das. Auch das ist Transparenz."

Für die Bundespartei sagte Neos-Generalsekretär Nikola Donig am Dienstag zum STANDARD: "Ich begrüße die angekündigte unabhängige Prüfung der Fraktionsfinanzen ausdrücklich. Nur so können anonyme Anschuldigungen geklärt werden." (Markus Rohrhofer, 9.3.2021)