Mindestens drei Kilogramm Benzoylecgoninmethylester hat ein unbescholtenes Ehepaar seit 2010 in Wien verkauft.

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Wien – Offiziell lebten Herr und Frau C. wohl unter der Armutsschwelle. Die 47-Jährige sagt, sie habe mit ihrem Geschäft in der Wiener Innenstadt rund 700 Euro im Monat erwirtschaftet. Ihr 51 Jahre alter Gatte war, abgesehen von einem kurzen Ausflug ins Import-Export-Geschäft, zuletzt Mindestsicherungsbezieher. Umso erstaunlicher, dass Helene Gnida, Vorsitzende des Schöffengerichtes im Suchtmittelprozess gegen die C.s, festhält, der Erstangeklagte habe zehn Jahre lang "natürlich ein schönes Leben gehabt" und sei "mit Promis auf du und du" gewesen. Der Grund dafür ist Benzoylecgoninmethylester, besser bekannt als Kokain.

Drei bis dreieinhalb Kilo des Rauschmittels soll Herr C. seit 2010 um mindestens 225.000 Euro verkauft haben. Ab 2017 übergab seine Frau die Ware an die Abnehmer, wenn er selbst müde war oder keine Zeit hatte. So flog der illegale Nebenerwerb auch auf: Da Frau C. auch während des Lockdowns im Hof hinter ihrem Geschäftslokal dealte, zeigte eine Nachbarin sie im Mai 2020 anonym bei der Polizei an.

Abnehmer "aus guten Kreisen"

Beide bekennen sich schuldig, Vorsitzende Gnida interessiert, wie die von Nikolaus Rast verteidigten Unbescholtenen zu Drogenhändlern wurden. "Ich habe noch gearbeitet, als ich selbst süchtig geworden bin", verrät der Erstangeklagte. "Ich habe so viel hergeschenkt und Partys gemacht, dass mir das Geld ausgegangen ist." Also beschloss er, das Marschierpulver für 70 bis 80 Euro pro Gramm zu verkaufen. "Was für Leute waren Ihre Abnehmer?" – "Freunde. Bekannte von Partys." – "Aus welchen Kreisen?" – "Aus guten Kreisen, sodass ich es für normal gehalten habe." – "Die kennt man ja teils aus dem Fernsehen", merkt Gnida an.

Im Akt findet man durchaus bekannte Namen unter den ausgeforschten Abnehmern des von einem Serben namens "Goran" gelieferten Produkts. Eine ehemalige Miss, ein Kulturmanager, diverse Selbstständige sowie ein Dienstleister, der damit wirbt, auch Bundeskanzler Sebastian Kurz zu betreuen. Dieser Dienstleister kaufte nur zwei Gramm gegen Bargeld – aber ungefähr 18-mal nutzten die C.s seine Leistung im Tausch gegen Kokain.

"Weil ich ein Idiot bin"

"Warum ziehen Sie Ihre Frau da mit hinein?", will die Vorsitzende vom Erstangeklagten noch wissen. "Weil ich ein Idiot bin", gibt dieser zu. "Sie sitzt jetzt mit einem Strafrahmen bis zu fünf Jahren Gefängnis hier", hält Gnida fest. C. schweigt. Für Gnida ist "unbegreiflich", warum Frau C. mitgemacht hat. Denn die durfte das eingenommene Geld nicht einmal behalten. Die Zweitangeklagte sagt, sie habe jahrelang gedacht, ihr Mann sei Alkoholiker – dass er mit illegalen Drogen handelt, will sie erst gegen Ende mitbekommen haben. Und das, obwohl er das Kokain im Lager ihres Geschäfts streckte und abpackte.

Frau C. muss dennoch nicht mehr ins Gefängnis. Sie wird zu 15 Monaten Haft verurteilt. Einer davon ist unbedingt, aber bereits in der Untersuchungshaft verbüßt worden. Ihr Mann, der seit 27. August in U-Haft sitzt, muss insgesamt dreieinhalb Jahre ins Gefängnis. Beide nehmen die Entscheidung an, ebenso der Staatsanwalt, die Urteile sind daher rechtskräftig. (Michael Möseneder, 9.3.2021)