Islamwissenschafterin, Friedens- und Konfliktforscherin Marie-Christine Heinze schreibt in ihrem Gastkommentar über die schwierigen Bemühungen um Frieden im Jemen.

Anfang Februar dieses Jahres hat die Biden-Administration angekündigt, die Unterstützung Saudi-Arabiens im Jemen-Konflikt einzustellen und die von der Vorgängerregierung kurz vor Amtsende eingeführte Designation der Huthis als Terrororganisation zurückzunehmen. Man wolle von nun an – auch durch die Ernennung eines eigenen Sondergesandten, des Diplomaten Timothy Lenderking – auf die Beendigung dieses brutalen Konflikts hinwirken. Diese Ankündigungen haben bei vielen Beobachterinnen und Beobachtern zur Einschätzung geführt, dass ein Ende des Jemen-Konfliktes kurz bevorstehe. Diese Bewertung greift jedoch zu kurz.

Seit Jahren wird im Jemen gekämpft. Eine Friedenslösung scheint schwierig. Wobei die geänderte Positionierung der USA im Konflikt ein wichtiger Schritt ist.
Foto: AFP/Mohammed Huwais

Fast sechs Jahre nach dem Eingreifen der saudisch geführten Koalition in den Jemen-Konflikt und erst nachdem tausende Zivilisten durch die Bombardements der Saudis getötet oder verletzt und hunderte Orte ziviler Infrastruktur wie Krankenhäuser, Schulen, Märkte, Nahrungsmittellager und Farmen zerstört worden sind, ist die Entscheidung der Biden-Administration, die Unterstützung für den saudisch geführten Krieg im Jemen einzustellen, wichtig. Sie rückt die USA in größere Distanz zu den kriegsführenden Parteien und damit in die Position eines möglichen Mediators in Unterstützung des UN-Sondergesandten Martin Griffiths.

Die Natur des Krieges

Gleichzeitig ist dieser Beschluss aber erst einmal vor allem symbolischer Natur und wird sich nicht direkt auf das Konfliktgeschehen auswirken. Auch die – nicht rechtsverbindliche – Resolution des EU-Parlaments vom 11. Februar, die unter anderem zu einem Stopp der Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) aufruft und bei der sich vor allem französische und spanische Abgeordnete enthielten, wird sicherlich kaum zu einer Beendigung des Konflikts beitragen. Das liegt aber nicht nur daran, dass die Golfstaaten über genug Waffen (und internationale Quellen hierfür, allen voran nun Großbritannien und Frankreich) verfügen, um den Krieg noch länger fortzusetzen.

Nein, das liegt vor allem erst einmal an der Natur des Krieges, der nicht – wie oftmals fälschlich dargestellt – ein reiner Stellvertreterkrieg ist. Der Krieg im Jemen ist ein Bürgerkrieg mit regionaler Beteiligung. Das heißt vor allem erst einmal, dass die multiplen lokalen Konfliktparteien im Jemen sich auch dann weiterbekämpfen würden, wenn sich morgen alle regionalen Akteure vollständig aus dem Konfliktgeschehen zurückziehen würden.

Das liegt aber auch daran, dass mit dem erhöhten internationalen Druck auf Saudi-Arabien die Anti-Huthi-Koalition im Jemen in eine Position der Schwäche gegenüber den Huthis geraten ist. Gepaart mit der vor allem aus humanitären Gründen erfolgten Rücknahme der Designation als Terrororganisation seitens der Biden-Administration stehen die Huthis nun gegenüber ihren Gegnern stärker da als zuvor. Dies macht sich derzeit vor allem im östlich von Sanaa gelegenen, öl- und gasreichen Gouvernement Marib bemerkbar. Marib ist die letzte nördliche Provinz unter Kontrolle der international anerkannten Regierung und sieht sich seit Februarbeginn einer erneuten gewaltsamen Offensive seitens der Huthis ausgesetzt. Sollten die Kämpfe Marib-Stadt erreichen und sollte es den Huthis tatsächlich gelingen, die Provinz Marib einzunehmen, drohen ein neues humanitäres Desaster und das Übergreifen der Kämpfe auf weitere Provinzen.

Diplomatisches Engagement

Es droht aber auch ein Zusammenbruch der diplomatischen Bemühungen um einen landesweiten Waffenstillstand, für den sich der UN-Sondergesandte Martin Griffiths seit nunmehr mehr als eineinhalb Jahren als Voraussetzung für breitere politische Verhandlungen um einen nachhaltigen Frieden einsetzt. Sollten die Huthis Marib einnehmen, werden sie zu stark und die international anerkannte Regierung zu schwach für die Bereitschaft zu Kompromissen sein. Auch ohne einen Sieg der Huthis in Marib ist dies aber inzwischen eigentlich schon längst der Fall.

Was also können internationale Akteure tun, um dem Land den Weg zurück zu einer Friedenslösung zu ebnen? Hier werden zuvorderst viel internationales diplomatisches Engagement und eine starke Koordination untereinander notwendig sein, um den Druck auf alle Seiten zu erhöhen, vor allem auch im Hinblick auf die internationale Haftbarkeit für Menschenrechtsverletzungen. Die USA und die EU stehen hier mit an vorderster Front.

Insbesondere im Hinblick auf die Huthis, die in den von ihnen kontrollierten Gebieten einen repressiven Polizeistaat aufgebaut haben, ist dies jedoch schwierig – sie stehen international sowieso isoliert da, wenn man einmal von Teheran absieht. Hier bietet sich am ehesten ein Zuckerbrot-und-Peitsche-Ansatz an: Zum einen sollten neue Sanktionen gegen einzelne Huthi-Akteure verhängt werden, die vor allem auch deren Kriegswirtschaft in den Blick nehmen. Gleichzeitig wird die Gegenseite wohl nicht darum herumkommen, durch Zugeständnisse die Huthis zu einer Einstellung ihrer Offensive auf Marib und zu einer Rückkehr an den Verhandlungstisch zu bringen. Ein solches Zugeständnis könnte zum Beispiel eine von den Huthis schon lange geforderte Lockerung der Blockaden des Hafens von al-Hudayda und des Flughafens von Sanaa sein.

Hauch von Hoffnung?

Der Weg zu einer Friedenslösung für den Jemen war aufgrund der Komplexität des Konflikts mit seinen vielfältigen lokalen und regionalen Dimensionen schon vor den aktuellen Entwicklungen schwierig. Die Huthi-Offensive auf Marib verstärkt noch einmal die Dringlichkeit dieser Bemühungen. Insofern ist die geänderte Positionierung der USA im Konflikt ein wichtiger Schritt. Es wird jedoch großen Drucks – und auch unser aller Aufmerksamkeit bezüglich der Rolle unserer eigenen Regierungen in diesem Konflikt – bedürfen, um den Menschen im Jemen auch nur den Hauch von Hoffnung auf nahenden Frieden zu geben. (Marie-Christine Heinze, 10.3.2021)