Ozonbelastung wird auch über Wetterballone gemessen – hier einer der US-amerikanischen Weltraumbehörde Nasa.

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Bei der Bewältigung des Klimawandels ist die Hoffnung groß, die Zukunftsaussichten durch Veränderungen unseres Lebensstils zu verbessern, etwa durch seltenere Flugreisen und das Nutzen öffentlicher Verkehrsmittel. Vor einem Jahr wurden wir im Zuge der ersten Corona-Lockdowns plötzlich Teil eines globalen Experiments: Wenn sich viele von uns auf einmal extrem einschränken, was Reisen und Pendeln zur Arbeit angeht, sollte sich das zumindest positiv auf das Klima auswirken.

Schnell gab es messbare Verbesserungen, vor allem was Stickstoffdioxid angeht. Im März 2020 sank seine Konzentration in vielen Ländern um bis zu 30 Prozent. Ein Forschungsteam der Uni Innsbruck schreibt, dass Verkehr in Städten für 90 Prozent der Stickoxidbelastung verantwortlich sein dürfte. Daher gingen die Schadstoffemissionen im ersten Lockdown stark zurück.

Rückgang relativiert

In den vergangenen Wochen erschienen erneut Studien, die den Schadstoff- und Kohlenstoffdioxidrückgang aber relativieren: Der Klimawandel wurde durch die Lockdowns nicht gebremst, die Maßnahmen hätten kaum Einfluss auf den Trend zur globalen Erwärmung gehabt. Das ist ernüchternd. Wenn wir schon durch die massive Einschränkung eines wochen- oder monatelangen Daheimbleibens nichts verbessern – ist es realistisch, den Klimawandelkurs ändern zu können?

Daraus abzuleiten, dass man jegliche Maßnahmen bleibenlassen kann, wäre falsch: "Wir sehen deutlich den Effekt reduzierter Emissionen. Aber wir können nicht erwarten, dass wir uns ein Jahr lang darum bemühen und danach wieder zum Normalzustand übergehen", sagt Richard Engelen, stellvertretender Leiter des Copernicus-Atmosphärenüberwachungsdienstes (CAMS).

Ozon im Lockdown

Copernicus ist das Erdbeobachtungsprogramm der EU, das in Partnerschaft mit Organisationen wie dem Europäischen Zentrum für mittelfristige Wettervorhersagen und der Weltraumorganisation ESA läuft. Unterstützt wird es von österreichischer Seite auch durch Beiträge des Klimaschutzministeriums. Für Copernicus liefern Satelliten, Wetterballons und andere Messsysteme große Datenmengen. Sie geben zum Beispiel Aufschluss über Luftschadstoffe in verschiedenen Höhenlagen.

Für ein kürzlich veröffentlichtes Paper, an dem auch Engelen beteiligt war, wurde der Einfluss der Lockdowns auf Ozon, einen der Hauptschadstoffe, untersucht. Die 45 Messungen in verschiedenen Ländern zeigten, dass in der Luftschicht von einem bis acht Kilometer Höhe die Ozonwerte um etwa sieben Prozent niedriger waren als in den 20 Jahren zuvor.

Dieser Wert bezieht sich auf den Zeitraum von April bis August 2020 und vor allem auf die nichttropischen Bereiche der Nordhalbkugel, wo die meisten Messungen stattfanden. Hier sorgt die stärkere Luftverschmutzung meist für höhere Ozonwerte als andernorts in der gleichen Luftschicht.

Die Ozonverteilung in der Atmosphäre.
Grafik: C3S/ECMWF

Euphorie gedämpft

Die Studie, die vom Deutschen Wetterdienst geleitet wurde, führt diesen Rückgang hauptsächlich auf die Pandemiemaßnahmen zurück. Bei manchen Studien, die starke Schadstoffrückgänge mit Lockdowns in Verbindung brachten, musste die frühe Euphorie später gedämpft werden. Sie hatten Einflussfaktoren wie das Wetter nicht berücksichtigt. In der Ozon-Studie wollte man das vermeiden.

Im Frühjahr kam es auch zu einer überraschenden Anomalie in der Arktis, die zu niedrigeren Ozonwerten in höheren Schichten führte. Analysen des CAMS zeigten aber: Dieser Effekt trug weniger als ein Viertel zu den ungewöhnlich niedrigen Ozonwerten bei, die an vielen Messstationen für einen längeren Zeitraum aufgezeichnet wurden.

Ein paradoxer Effekt zeigt sich, wenn man Orte mit hohen Schadstoffkonzentrationen mit saubereren Regionen vergleicht. "Ozon wird nicht direkt ausgestoßen, sondern entsteht aus Vorläufersubstanzen, etwa Stickoxiden", sagt Engelen. In stark verschmutzter Luft zerstört Stickoxid allerdings Ozon, um ein chemisches Gleichgewicht der Stoffe zu erreichen.

Bei sinkenden Stickoxidwerten kann deshalb vor allem in Städten mehr Ozon entstehen – während in höheren Lagen weniger Stickoxide auch weniger Ozon bilden. "In Städten ist der Einfluss von sinkenden Stickoxiden auf Ozon leider nicht direkt", sagt Engelen. "Daher müssen die Emissionen hier generell stark gesenkt werden."

Nur ein erster Schritt

Großen Einfluss auf die Ozonmenge hat auch das Wetter. Sonneneinstrahlung ist für die Entstehung nötig. Wind durchmischt die Luftsphären und verdünnt Schadstoffkonzentrationen, sagt Marcus Hirtl von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG), einer Forschungseinrichtung des Wissenschaftsministeriums: "An Tagen, an denen in Österreich kräftige Westwinde vorherrschen, wird meist sauberere Luft zu uns transportiert." Im Jahr 2020 sei es nur an einem Tag zu einer Überschreitung des Ozon-Schwellwerts gekommen.

Die gemessenen sieben Prozent Ozonrückgang passen zum ebenfalls mit sieben bis zehn Prozent bemessenen Rückgang der weltweiten Kohlenstoffdioxidemissionen. Das mag nach einer bescheidenen Bilanz klingen. Man darf aber nicht vergessen, dass während der Lockdowns zwar einerseits der Verkehr zurückging, andererseits aber auch viele Personen auf Pkws statt öffentlicher Verkehrsmittel zurückgriffen, um die Ansteckungsgefahr zu senken. Der Schadstoffausstoß in anderen Bereichen, etwa der Industrie und durch das Heizen, hat sich durch die Corona-Maßnahmen wenig verändert.

Daher gehört der Fokus auf erneuerbare Energien und intelligente Bauweisen auf die To-do-Liste, sagt Engelen, der auch die Europäische Kommission berät. Ein Jahr relativer Askese werde das Klima nicht ändern: "Unser Ziel für CO2 muss bei null Emissionen liegen. Ich sehe die bisherige Reduktion verschiedener Schadstoffe als ermutigendes Zeichen, aber sie ist nur ein erster Schritt." (Julia Sica, 13.3.2021)