Vergangene Woche feierten österreichische Gesundheitsbehörden in Bund und Ländern öffentlich einen großen Erfolg. Es sei gelungen, an nur einem Tag mehr als 30.000 Menschen gegen Covid-19 zu impfen, so viele wie noch nie, wurde stolz verkündet.

Ein Rekord. Die frohe Botschaft der Bundesregierung, die mitten hinein in das parteipolitisch umstrittene Hin und Her bei den Pandemiemaßnahmen samt ansteigender Wut und Verunsicherung in der Bevölkerung zielte, sollte vor allem ein Gefühl vermitteln: Es gehe aufwärts. Wir schafften das mit der Verteilung der Vakzine, die von den zentralen Stellen in Wien an die einzelnen Bundesländer delegiert wurde. Es fehle jetzt nur noch mehr Impfstoff, aber leider seien die EU-Institutionen säumig.

Seit der Zulassung und EU-weiten Auslieferung des ersten Impfstoffs sind lange zehn Wochen vergangen.
Foto: imago/Bernd Günther

Wenn sich da manche, insbesondere im Gesundheitsministerium, nur nicht täuschen. Seit der Zulassung und EU-weiten Auslieferung des ersten Impfstoffs sind lange zehn Wochen vergangen. Was sich seither bei der Vorbereitung und Abwicklung der Impfaktion in der Bürokratie, an den vielen Fallstricken des Föderalismus und auch im Umgang mit Ärzten und Ärztekammern abgespielt hat, lässt nicht auf effiziente Vorgangsweise schließen.

Die verunglückten Massentests im Dezember, an denen sich viel zu wenige Bürger beteiligten, lassen grüßen.

Kommunikationsdefizite

Schon die Erfassung der Impfwilligen ist ein Problem. Das Gesundheitssystem ist nicht ausreichend digitalisiert und vernetzt. Die Menschen, insbesondere die Alten ohne Internetzugang, klagen über Kommunikationsdefizite. Und die Jüngeren wissen oft schlicht und einfach nicht, wann sie an die Reihe kommen. Zettelwirtschaft regiert, es gibt zu wenig klare Information.

Das alles könnte sich – allen Beteuerungen von einer guten Vorbereitung in Ländern und Bezirken zum Trotz – sehr bald als Problem größeren Ausmaßes erweisen. Es sieht ganz danach aus, als stünde nicht nur in Österreich, sondern auf EU-Ebene eine scharfe Wende bei der Versorgung mit Impfstoff bevor: hin zum viel Besseren.

Ursula von der Leyen, die Präsidentin der EU-Kommission, hat es am Wochenende im Standard angekündigt. Nach dem schleppenden und holprigen Start zeichnet sich das folgende Szenario ab: Noch diese Woche wird ein vierter Impfstoff, der von Johnson & Johnson, zugelassen. Und die drei anderen Pharmakonzerne werden ihre Gesamtproduktion und Lieferung von Jänner und Februar jetzt im März verdoppeln können – auf 50 Millionen Dosen.

Ab April kommt es dann noch einmal zu einer Verdoppelung des Outputs auf 100 Millionen Dosen im Schnitt pro Monat, die auf alle 27 EU-Staaten fair aufgeteilt werden. Auf Österreich umgerechnet heißt das, dass pro Tag nicht 30.000, sondern mehr als das Doppelte, bis zu 100.000 Menschen geimpft werden sollten und müssten. Und zwar jeden Tag. Hört man in Brüssel genau hin, könnten die Zahlen bis zum Sommer sogar noch deutlich höher werden, wenn es keine gröberen Rückschläge mehr gibt.

Daraus ergeben sich für Österreich, für die Verwaltung und auch die Bürger ganz andere Dimensionen der Aktion. Es könnte der Fall eintreten, dass plötzlich zu viel Impfstoff da ist, aber zu wenige, die auf eine Impfung vorbereitet sind. Man hat in Wahrheit nicht einen Tag an Zeit zu verlieren, um sich auf solche Massenimpfungen einzustellen. In drei Wochen beginnen die Osterferien. (Thomas Mayer, 9.3.2021)