Tino Wieser, Chef der Hygiene Austria an: "Ich rufe alle paar Stunden alle an, um zu zeigen, wir sind nicht tot. Aber keiner hebt ab."

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Betrug und Schwarzarbeit: Tino Wieser muss schwere Vorwürfe aus dem Weg räumen. Der Hygiene-Austria-Chef verspricht Aufklärung, fertigt weiterhin Masken und ist sich keiner schweren Schuld bewusst.

STANDARD: Woran ist für Kunden ersichtlich, ob Ihre Masken in Österreich oder von Lohnfertigern in China produziert wurden?

Wieser: Das ist nicht erkennbar. Material und Baumuster der Masken sind gleich.

STANDARD: Wann haben Sie mit dem Zukauf der FFP2-Masken aus China begonnen?

Wieser: Die erste Lieferung kam Ende Dezember, Anfang Jänner. Wir hatten zuvor die Produktionskapazität jedes Monat verdoppelt. Es herrschten kriegsähnliche Zustände, denn jeder forderte Masken ein. Es war ein Horror, alles dafür notwendige Material auf den Weltmärkten aufzutreiben. Wir hackelten sieben Tagen die Woche 24 Stunden. Der Druck war immens, es war Chaos pur.

STANDARD: Ermittler berichten, dass von 20 Masken in Ihren Kartons 17 aus China waren.

Wieser: Ein Kriminalist hatte eine Packung vor sich, meinte, es seien 17 chinesische, drei österreichische. Ich selbst bin seit einem Jahr im Maskengeschäft, ich erkenne den Unterschied nicht. Meine Einvernahme dauerte fünf Stunden – nach zwei wusste die Presse, was mir vorgeworfen wird, ehe ich es wusste.

STANDARD: Wie viele China-Masken waren es denn Ihren Berechnungen nach?

Wieser: Wir selbst haben über 100 Millionen Masken produziert. Von einem Verhältnis 17:3 sind wir weit entfernt. Exakt kann ich es noch nicht beziffern, wir machen gerade Inventur, was ohne Leute nicht leicht ist. Für eine Million Masken braucht es 170 Paletten. Sie allein als Chef durchzuzählen ist schwierig.

STANDARD: Viele fühlen sich betrogen. Ihnen drohen auch Schadenersatzansprüche. Warum haben Sie die Herkunft der Masken nicht deklariert, sondern auf made in Austria umetikettiert?

Wieser: Made in Austria ist nicht klar geregelt. Und Menschen machen Fehler. Hätte ich gewusst, was dabei rauskommt, hätte ich es mir gespart. Aber so wie mich alle an die Wand nageln – dieser Schuld bin ich mir nicht bewusst. Ja, wir haben Lohnfertiger in Anspruch genommen. Aber die Masken sind bester Qualität.

STANDARD: Viele Kunden zweifeln die Qualität der Masken an, unterziehen sie Eignungstests.

Wieser: Wir haben die Masken übers Wochenende erneut testen lassen. Sie sind auf FFP3-Niveau. Keiner muss sich Sorgen um den Schutz machen.

STANDARD: In sozialen Medien riefen Sie noch im Jänner dazu auf, regional zu kaufen, kritisierten die Beschaffung aus China. Wie ist das zu verstehen?

Wieser: Das kommt deppert rüber, das ist klar. Es begann mit einer Ausschreibung des Gesundheitsministeriums für Masken für über 65-Jährige. Bedingung dafür war ein Sicherheitsbestand eines Lohnfertigers für den Fall, selbst zu scheitern. Was ist, wenn Maschinen ausfallen?

STANDARD: Haben Sie die Masken aus China über eine Liechtensteiner Stiftung Ihres Geschäftspartners Matvei Hutmann, Hälfteeigentümer von Palmers, verrechnet?

Wieser: Keine Ahnung, woher dieser Blödsinn kommt. Die Familienstiftung gibt es seit 1970. Wir haben vor Gründung der Hygiene Austria im März überlegt, ins Maskengeschäft einzusteigen. Da gab es eine Anfrage. Mit Hygiene Austria hat das jedoch nichts zu tun.

STANDARD: Warum haben Sie auch Stoffmasken der bulgarischen Firma Bapa gekauft?

Wieser: Sie waren für die Palmers-Mitarbeiter gedacht. Auftragswert: maximal 12.000 Euro. Sie liegen heute noch im Lager, Stoffmasken sind kein Geschäft.

STANDARD: FFP2-Masken sind ab 59 Cent zu haben. Kann man zu diesen Preisen in Österreich produzieren? Mitbewerber bezweifeln das.

Wieser: Wir können 600 Millionen produzieren, es ist ein gutes Geschäft. Unsere Idee war, Palmers damit zu stabilisieren. Denn keiner wusste, wie lang der Lockdown noch dauern wird. Wir haben eine halbe Milliarde Wertschöpfung generiert.

STANDARD: Sie geben an, für Masken aus China mehr bezahlt zu haben als für die eigene Produktion in Österreich. Nach dieser Rechnung könnte Österreich mit günstiger Ware Asien fluten.

Wieser: Unsere eigene Produktion kostet fast die Hälfte weniger als zugekaufte Masken. Wir haben nicht gespart und keinen China-Schrott eingekauft. Unsere Aufgabe war es, Versorgungssicherheit für Österreich zu schaffen.


Tino Wieser: "Ja, wir haben Lohnfertiger in Anspruch genommen. Aber die Masken sind bester Qualität. Keiner muss sich sorgen."
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STANDARD: Warum heuerten Sie Zeitarbeitsfirmen mit dürftiger Bonität an, die als Scheinfirmen identifiziert sind, zum Teil keine Gewerbeberechtigung haben, mitunter gar pleite sind?

Wieser: Die beauftragten Firmen haben eine Gewerbeberechtigung. Die Eigentümer waren täglich da. Wir haben allein letztes Monat 700.000 Euro an diese überwiesen. Kein Arbeiter, der nicht angemeldet war, durfte in den Betrieb. Wir kümmerten uns um den Aufbau der Produktion, um Materialbeschaffung und den Verkauf. Das Personalthema hätte unsere Kapazität gesprengt.

STANDARD: Waren Sie selbst regelmäßig in der Kellerproduktion, in der miserable Arbeitsbedingungen geherrscht haben sollen?

Wieser: Das Arbeitsinspektorat hat uns erneut bescheinigt, vorbildhaft zu sein.

STANDARD: In der Kritik steht familiäre Nähe zu Kanzler Sebastian Kurz. Hygiene Austria wurde einen Tag vor dem ersten Lockdown gegründet. Es gab kein politisches Insiderwissen?

Wieser: Wir bedienten uns einer Vorratsgesellschaft durch die Rechtsanwalts-Kanzlei Binder Grösswang, die am 12. März gegründet wurde. Am 24. April wurde diese umfirmiert auf Hygiene Austria. Masken bringen nichts, sagte Kurz noch bis Mai.

STANDARD: Wie viele Masken hat die öffentliche Hand bei Ihnen gekauft?

Wieser: Der Umsatzanteil der direkt über die Bundesbeschaffungsagentur BBG bestellten Masken beträgt ein Prozent. Das Land Niederösterreich orderte 4,5 bis fünf Millionen, alle Bundesministerien zusammen knapp 150.000 Masken.

STANDARD: Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner hat die Betriebsstättengenehmigung offenbar beschleunigt. Sie warnte Sie davor, ihr Schande zu machen. Haben Sie noch Kontakt zu ihr?

Wieser: Sie war die einzige Politikerin, die uns beim Produktionsaufbau unterstützt hat. In ihren Augen machten wir ihr nun Schande. Aber wir werden alles aufklären, ich hoffe, sie redet mit uns.

STANDARD: Sie wollen Hygiene Austria zu 100 Prozent übernehmen. Telefonieren die Chefs der Lenzing wieder mit Ihnen?

Wieser: Es ist es wie in einer Ehe. Manchmal haut man sich die Köpfe ein und geht auf Abstand. Ich rufe alle paar Stunden alle an, um zu zeigen, wir sind nicht tot. 200 Leute warten auf Techniker der Lenzing. Aber keiner hebt ab. Ich stehe seit April täglich 16 Stunden im Betrieb, kann die Maschinen bedienen. Ich ging nie weg, lasse mich medial hinrichten, produziere weiter, denn es wird in einer dritten Corona-Welle Masken brauchen. Hygiene Austria ist unser Baby, ich lasse es nicht den Bach runter gehen. (Verena Kainrath, 10.3.2021)