Ist die Konzentration von Blütenstaub in der Luft hoch, steigen auch die Ansteckungszahlen in signifikanter Weise – um bis zu 20 Prozent.

APA / DPA / WOLFGANG KUMM

Wenn in unseren Breiten vor 2020 Menschen im Frühjahr draußen eine FFP2-Maske trugen, dann handelte es sich meist um Pollenallergiker, die damit noch ziemlich auffielen. Denn der heute allgegenwärtige Mund-Nasen-Schutz filtert natürlich auch den lästigen Blütenstaub aus der Atemluft und schützt vor allergischen Reaktionen.

Ziemlich genau ein Jahr nach dem offiziellen Ausrufen der Corona-Pandemie durch die WHO hat ein deutsches Forscherteam nun einen neuen überraschenden Zusammenhang zwischen dem Pollenflug und Covid-19 dokumentiert: Daten aus 130 Regionen in 31 Ländern zeigten, dass es bei höhere Pollenkonzentrationen in der Luft zu deutlich mehr Ansteckungen durch Sars-CoV-2 kommt.

Erleichternde Faktoren

Seit längerem ist bekannt, dass eine CoV-Ansteckung mittels Tröpfchen oder Aerosolen nicht allein von deren Anzahl in der Atemluft abhängt. Es gibt einige Faktoren, die Infektionen mit dem neuen Coronavirus deutlich erleichtern: Kalte und trockene Luft gehört ebenso dazu wie das Rauchen, das die Ausschüttung antiviraler Immunbotenstoffe dämpft, die das Eindringen der Viren verhindern.

Pollen könnten womöglich für ähnliche Effekte sorgen, vermuteten die Forscher um Athanasios Damialis (TU München) vor Beginn ihrer Untersuchungen. Bekannt war nämlich unter anderem, dass die Pollenbelastung die Immunabwehr gegen bestimmte saisonale Atemwegsviren wie Rhinoviren unabhängig vom Allergiestatus reduziert. Die Wissenschafter gingen davon aus, dass dies auch für Sars-CoV-2 gelten könnte.

Klares Signal

Etwas aufwendiger gestaltete sich dann die Bestätigung dieser Vermutung: Damialis und seine Kollegen organisierten sich Daten von 248 Pollenmessstationen rund um den Globus, die über die jeweilige Pollenkonzentration im Frühling 2020 Auskunft gaben. Zudem wurden weitere Faktoren wie Bevölkerungsdichte, Wetter und die Strenge der Maßnahmen gegen Corona erhoben. Schließlich setzten die Forscher diese Daten in Relation zu den Infektionsraten der betreffenden Länder und Gebiete.

Die Ergebnisse bestätigten ihre Vermutung: In jenen Regionen, wo die Pollenbelastung zunahm, stiegen rund vier Tage später auch die gemeldeten Infektionszahlen an. Bei so vielen weiteren Faktoren lasse sich ein Zusammenhang nur beobachten, wenn es ein klares Signal gibt, erklären die Forscher. Und genau so ein klares Signal zeige sich bei der Korrelation von Pollenflug und Infektionsraten. Verstärkt wurde sie, wenn eine hohe Bevölkerungsdichte dazukam. Der Zusammenhang zeigte sich aber auch in gering besiedelten Regionen.

Bis zu 20 Prozent Erhöhung

Es gibt aber noch einen zweiten klaren Hinweis auf die Signifikanz des Zusammenhangs. Stieg die Pollenbelastung in der Luft an, nahm die Infektionsrate linear zu. Die Forscher nennen in ihrer Studie im angesehenen Fachblatt "PNAS" auch konkrete Werte: 100 Pollen mehr pro Kubikmeter Luft ließen – ohne Lockdownmaßnahmen – die Infektionsrate um vier Prozent ansteigen.

Bei stärkeren Pollenbelastungen von mehr als 500 Pollen pro Kubikmeter, die auch hierzulande in Städten vorkamen, macht das immerhin ein Plus von 20 Prozent aus, das sich bei einem Lockdown allerdings halbierte.

Auswirkung aufs Immunsystem

Wie aber kommt dieser Polleneffekt überhaupt zustande? Schuld dürfte, wie nicht weiter überraschend, das Immunsystem sein: Der häufige Kontakt mit Pollen in der Atemluft dürfte, wie auch schon frühere Untersuchungen zeigten, die Reaktion des Immunsystems auf Erreger aller Art reduzieren. Im Normalfall werden diese Mikroben sofort mit Interferonen und antiviralen Botenstoffen bekämpft. Das Immunsystem reduziert bei stärkerem Pollenflug aber diese "Daueraufgeregtheit" des Immunsystems.

Das wiederum bedeutet, dass beim Kontakt von Viren auch die Reaktion in Form einer Entzündung schwächer ausfällt. Und das wiederum kann den Coronaviren das Eindringen in die Nasen- und Rachenschleimhaut entscheidend erleichtern – und zwar nicht nur bei Allergikern, sondern auch bei allen anderen Personen, die es mit Pollen und Sars-CoV-2-Aerosolen zu tun bekommen. Womöglich aber fällt der Effekt bei Allergikern noch stärker aus, vermuten die Wissenschafter.

FFP2-Masken helfen doppelt

Was bedeutet das nun für die Pollensaison 2021, die längst begonnen hat? Auch in diesen Tagen kann eine erhöhte Konzentration von Blütenstaub in der Luft auch die Zahl der Covid-19-Infektionen erhöhen. Aber es gibt, so der Tipp der Forscher, eine einfache Gegenmaßnahme: Ist die Pollenkonzentration hoch (aktuell halten wir bei Stufe zwei von vier) sollten insbesondere Personen mit hohem Risiko auch im Freien Abstand halten und FFP2-Masken tragen. Im Frühjahr 2021 wird das im Gegensatz zu den Jahren zuvor auch gar nicht mehr auffallen. (tasch, 9.3.2021)