Alexander Lukaschenko bereitet sich im Dezember 2020 auf das kommende Jahr vor.

Foto: Imago / Maxim Guckek

Als Diktator lässt sich's leben, das ist bekannt. Nun hat der oppositionelle belarussische Telegram-Kanal "Nexta" – offenbar inspiriert von Alexej Nawalnys Recherchen zum Schwarzmeerpalast Wladimir Putins – eine Enthüllungsstory über den Luxus von Alexander Lukaschenko veröffentlicht.

Die Journalisten berichten darin über zahlreiche Residenzen des belarussischen Präsidenten, über seinen protzigen Fuhrpark und seinen Harem. So hat sich Lukaschenko rund ein Dutzend Wohnsitze im ganzen Land angelegt. Der wohl teuerste ist der "Palast der Unabhängigkeit" in Minsk, den er 2011 bauen ließ, um seinen Freund, den turkmenischen Diktator Gurbanguly Berdymuhammedow, zu übertreffen.

Nach Angaben des Oppositionspolitikers Anatoli Lebedjko hat allein der Bau ohne Inneneinrichtung 250 Millionen Dollar (etwa 210 Millionen Euro) verschlungen. Der 50.000 Quadratmeter große Palast der Unabhängigkeit dient dabei beileibe nicht nur Repräsentationszwecken. Seltene Besuchergruppen werden nur durch einen kleinen Teil des Palasts geführt, während Lukaschenkos Privatgemächer tabu bleiben.

Mit dem Tesla durch Minsk

Opulent ist demnach auch seine Fahrzeugkollektion: Neben zwei Maybachs, die Lukaschenko eigenen Angaben nach "geschenkt" worden sind, gehören auch zwei Audi A8, ein Rolls-Royce, mehrere gepanzerte Mercedes-Limousinen und ein Tesla zum gewöhnlichen Fahruntersatz Lukaschenkos. Elon Musk dementierte übrigens die Behauptung des belarussischen Präsidenten, ihm den Tesla geschenkt zu haben. Allein dieser Teil seines Fuhrparks wird auf vier Millionen Euro taxiert. Hinzu kommt allerdings noch eine Reihe von Oldtimern, die mitunter deutlich teurer sind.

Kostspieliger sind auch die amourösen Abenteuer des Staatschefs, der offiziell seit 1975 verheiratet ist, seine Frau aber längst aufs Land abgeschoben hat und sich mit wechselnden Schönheiten vergnügt. Aus einer dieser Affären stammt Lukaschenkos Lieblingssohn Nikolai, den er anscheinend zum Thronfolger aufbaut. Inzwischen hat er laut "Nexta" aber andere Gespielinnen wie die Miss Belarus 2018, Maria Wassiljewitsch, die auf seine Protektion hin ein Jahr später ins Parlament rutschte.

Bezahlt wird Lukaschenkos Lebensstil einerseits von den belarussischen Steuerzahlern, andererseits aber auch von Oligarchen aus Lukaschenkos Umkreis, die dafür mit zahlreichen Präferenzen belohnt werden. Namentlich genannt wird hier der russische Ölmagnat Michail Guzerijew.

Hilfe aus Brüssel

Überraschend ist, dass auch die EU als Finanzierungsquelle für Lukaschenkos Residenzen genannt wird. Natürlich floss das Geld nicht zu diesem Zweck, sondern für konkrete Projekte. Allein die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) soll Belarus zwischen 2014 und 2020 pro Jahr 179 Millionen Euro zur Verfügung gestellt haben. Aus anderen EU-Quellen kamen noch einmal 25 Millionen Euro pro Jahr.

Als Vehikel zum Abzweigen der Mittel dienten hier wohl Projekte, die die EU in den vergangenen Jahren im Bereich Umweltschutz mitfinanziert hat. Laut "Nexta" hat sich Lukaschenko aus diesem Topf bedient, da seine Residenzen teilweise in Naturschutzgebieten liegen.

Konkret genannt wird ein Wasserschutzprojekt in der Region Witebsk im Norden von Belarus. Das Geld diente zum Bau von Kläranlagen, um den Fluss Düna, der später nach Lettland weiterfließt, zu säubern. Auf der Website der EBRD ist das Projekt zu finden. Dort ist von einem Kredit über 15,5 Millionen Euro an die lokalen Wasserwerke die Rede, wodurch Trinkwasser im ländlichen Raum besser aufbereitet und die Wasserversorgung lokalisiert werden sollte. Mit dem Geld sei aber auch die Ufermeile in Witebsk gebaut, die Springbrunnen und der Siegesplatz in der Stadt renoviert worden, berichtet "Nexta" unter Berufung auf einen anonymen Mitarbeiter der Präsidialverwaltung.

Schöner Wohnen im Naturschutzgebiet

Mehr noch: "Das Geld wird für Umweltzwecke oder für den Nationalpark vergeben, aber in Wirklichkeit unterhält dieser Nationalpark dann nur eine der Residenzen Lukaschenko", erklärte der Informant. Gemeint ist der Nationalpark Braslauer Seen, wo sich Lukaschenko vor rund zehn Jahren eine von der Außenwelt abgeschirmte Residenz eingerichtet hat.

Auch andere Mittel, die entweder gratis oder zinslos für Umwelt- oder Infrastrukturprojekte vergeben wurden, soll Lukaschenko demnach teilweise an ihm nahestehende Oligarchen für deren kommerzielle Bauprojekte (zum Beispiel Wohnungsbau) weitergegeben haben.

Ein großer Fehler

Wenn die Informationen stimmen, stellt sich die Frage, wie die EU die Nutzung der vergebenen Hilfsgelder in der Vergangenheit kontrolliert hat. Oder ob geopolitische Aspekte die Oberhand gewannen. Schließlich präsentierte sich Lukaschenko seit 2014 gegenüber dem Westen als einzig möglicher Garant für die Bewahrung der Unabhängigkeit Belarus' gegenüber Russland.

Seit dem vergangenen Sommer, als Lukaschenko nach der umstrittenen Präsidentenwahl die Proteste blutig niederschlagen ließ, hat jedenfalls in Brüssel ein Umdenkprozess stattgefunden. "Jahrelang hat die EU das Budget Lukaschenkos mitfinanziert, das war ein großer Fehler", erklärte der litauische Europaabgeordnete Petras Auštrevičius in einem Interview dazu. Hilfsgelder wurden seither eingefroren, weshalb sich Lukaschenko nun verstärkt in Moskau um neue Kredite bemüht.

Derweil kritisiert die belarussische Opposition auch das Verhalten der Raiffeisenbank International (RBI). Die RBI habe noch im Juni eine Milliardenanleihe für das Regime lanciert, als bereits mehrere Oppositionskandidaten in Haft saßen und absehbar war, dass die Wahl nicht fair ablaufen würde, so der Vorwurf. Der inzwischen zur Opposition gewechselte Ex-Kulturminister Pawel Latuschka forderte die RBI, die in Minsk die Tochter Priorbank unterhält, dazu auf, alle Geschäftsbeziehungen zu staatlichen belarussischen Banken abzubrechen. (André Ballin aus Moskau, 10.3.2021)