Die Bühne der Bregenzer Festspiele 2019 mit "Rigoletto".

APA

Leicht haben es nur die Museen. Für sie ändert sich vorerst nämlich nichts. Sie haben ohnehin in ganz Österreich geöffnet, sind mit FFP2-Maske und dank des ausbleibenden Tourismus auch bei relativ wenig Andrang entspannt zu besuchen. Aufsperren soll nun in Vorarlberg als Testregion für das ganze Land aber auch der restliche Kulturbetrieb. Dabei handelt es sich grob betrachtet um Veranstalter: vor allem sind das Theater, Kinos, Konzerte.

Die Vorgaben, unter denen dies möglich werden soll: 100 sitzende Personen maximal in Innen- sowie Außenräumen beziehungsweise 50 Prozent der zulässigen Personenanzahl für Räume, in die weniger als 100 Personen hineindürfen. Dazu braucht es verpflichtend FFP2-Masken (auch während der Veranstaltung) sowie den Vorweis eines gültigen negativen Corona-Tests – akzeptiert werden, anders als in der Gastronomie, auch Schnelltests für zu Hause.

Mehrheitlich Freude über Öffnung

Vorarlbergs Kulturbetriebe sehen die kleine Öffnung mehrheitlich positiv. Eilig werden nun Spielpläne für 100-Personen-Vorstellungen erstellt: Man freue sich natürlich total, sagt Stephanie Gräve vom Vorarlberger Landestheater dem STANDARD, es sei aber klar, dass man im Haus, das normal 500 Personen fasst, längst nicht alle Abonnenten zufriedenstellen wird können. "Da müsste man die Anzahl der Vorstellung so sehr erhöhen, dass man Probleme mit dem Arbeitsrecht bekäme. Das geht nicht", sagt Gräve.

Viele Stücke, für die man seit Monaten geprobt hat, können gar nicht aufgeführt werden oder müssen mühsam adaptiert werden: Derzeit versucht man etwa die Premiere von "Tasso" (nach Johann Wolfgang von Goethe) für 100 Zuseher hinzubekommen, Wolfgang Herrndorfs "Tschick" werde ebenfalls möglich sein. Geplant seien auch einige musikalische Veranstaltungen, etwa zu Tom Waits oder Jacques Brel.

Perspektive für ganz Österreich gefordert

Gräve hofft, dass das "Experiment" in Vorarlberg gutgeht und die Öffnungsschritte auch von Deutschland, der Schweiz und dem Rest von Österreich umgesetzt werden können. Nach zahlreichen Telefonkonferenzen zwischen der Kultur und Regierungsvertretern – darunter seien nicht nur die Kulturverantwortlichen Werner Kogler und Andrea Mayer (beide Grüne), sondern auch Sebastian Kurz oder WKO-Präsident Harald Mahrer (beide ÖVP) gewesen – hätte sich Gräve, wie sie dem STANDARD sagt, auch eine Perspektive für ganz Österreich erwartet. "Wir bräuchten einen langfristigen Stufenplan wie im letzten Frühsommer." Wegen der bleibenden Sperrstunde um 20 Uhr plant man jedenfalls, nur an den Wochenenden zu öffnen.

Auch die Kinos wollen dies so halten – wenngleich einige geschlossen bleiben könnten, wie es heißt. Michael Wieser, Sprecher der Vorarlberger Kinos und selbst Leiter des "Kino Bludenz", will auf alle Fälle öffnen. Euphorisch stimmt ihn etwa, dass Disney erlaubt hat, den Blockbuster "Raya und der letzte Drache" zeigen zu können, was finanziell einen großen Unterschied ausmachen kann.

"Kinofans haben genug vom Streaming"

"Es gibt einige Filme, die kurz vor dem Lockdown gestartet sind und die wir zeigen können. Wir arbeiten mit Hochdruck an attraktiven Programmen. Ich persönlich bin erfreut. Es ist natürlich ein großes Experiment, ich bin aber stolz darauf, dass wir das machen dürfen", sagt Wieser. Und weiter: "Die Kinofans haben genug vom Streaming, die wollen auf die große Leinwand schauen. Ich bin mir sicher, dass Kino die Nummer eins bleiben wird."

Die Kultureinrichtung Spielboden, die neben Theater unter anderem auch Kabarett und Musik im Programm hat, begrüßt die Öffnungsschritte. "Es ist natürlich klar, dass ein kostendeckender Betrieb mit Sperrstunde 20 Uhr nicht möglich ist. Wir sehen es als Experiment, werden sicher auch in reduziertem Umfang veranstalten. Kino, kleine Konzerte, Kinderveranstaltungen, wir werden unser Publikum beobachten, ob eine frühe Beginnzeit angenommen wird. Organisatorisch sind wir gerüstet. Präventionskonzepte liegen genug in den Schubladen."

Beim kleineren Theater Kosmos "freut" man sich ebenfalls: "Ab nächster Woche werden wir Veranstaltungen anbieten. Mit einer Lesung von Monika Helfer (in Zusammenarbeit mit dem Franz-Michael-Felder-Archiv) starten wir am Mittwoch und werden dann am Samstag, den 20. März um 17 Uhr die Premiere von Peter Handkes 'Wunschloses Unglück' präsentieren. Endlich." Die Möglichkeit der Selbsttests erleichtere das Prozedere sehr. "Gut, dass sich etwas tut, gut, dass wir auch wieder etwas tun können", sagen Hubert Dragaschnig und Augustin Jagg vom Theater Kosmos.

Für Orchester keine Lösung

Nichts anfangen kann mit der 100-Personen-Regel hingegen das Vorarlberger Symphonieorchester: "Wir bräuchten eine Öffnung für 500 Besucher, damit es sich irgendwie rechnet", sagt Leiter Sebastian Hazod. Er versteht nicht, warum man derart strikt an einer 100-Personen-Grenze festhält und es nicht etwa vom vorhandenen Raumangebot abhängig macht. Man habe 2.000 Abonnenten sowie einen Eigenfinanzierungsgrad von zwei Dritteln, weswegen das Orchester mit 100-Personen-Veranstaltungen wenig anfangen kann. Dennoch werde man sich bemühen, mit reduziertem Orchester das ein oder andere umzusetzen.

Generell hält Hazod fest, wie sicher bisher geprobt wurde: Bei 95 Musikern pro Probe habe es keinen einzigen positiven Corona-Fall gegeben. "Wir testen extrem sorgsam." Die Finanzen seien derzeit weniger das Problem, denn der Mix aus NPO-Fonds, Veranstalterschutzchirm, Fixkostenzuschuss, Lockdown-Umsatzersatz und Kurzarbeit würde trotz bürokratischen Aufwands und Verzögerungen mittlerweile ankommen. Für die Zukunft nach der Pandemie sieht Hazod aber finanzielle Lücken entstehen.

Stehkonzerte weiterhin ausgeschlossen

Keine Möglichkeit, unter diesen Bedingungen ein sinnvolles Programm anzubieten, sieht man schließlich auch beim Musikclub Conrad Sohm. Man warte sehnlichst auf die Wiederermöglichung von Stehkonzerten, und auch die 100-Personen-Regelung würde sich nicht rechnen. Vorsichtig optimistisch zeigt sich Betreiber Hannes Hagen im Gespräch mit dem STANDARD für die Zeit ab den Sommermonaten.

Die Sorge, dass Kulturbetriebe, die den Öffnungen nicht nachkommen, große Nachteile bei den Wirtschaftshilfen befürchten müssen, versucht man auf Nachfrage im Kulturstaatssekretariat zu zerstreuen: Unabhängig davon, ob ein Betrieb öffne oder nicht, bleibe der Anspruch auf den Ausfallbonus, Fixkostenzuschuss sowie NPO-Fonds erhalten, heißt es. (Stefan Weiss, 10.3.2021)