Es scheint mir nicht allzu gewagt, die Aussage "3,3 Milliarden Euro haben oder nicht haben macht schon einen Unterschied" als "auch in Österreich maximal mehrheitsfähig" zu bezeichnen.

Umso erstaunlicher, dass ausgerechnet unser Finanzminister das nicht so sehen dürfte. 3,3 Milliarden Euro Corona-Hilfe will uns nämlich die EU schenken, sobald die Bundesregierung unter Einbindung von Bundesländern und Gewerkschaften einen Plan vorlegt, was mit dem Geld geschehen soll. Während in praktisch allen anderen EU-Staaten detaillierte Konzepte erarbeitet wurden, hat der bei uns dafür zuständige Gernot Blümel es gerade einmal geschafft, eine E-Mail-Adresse (mail@recover. austria.gv.at) für Geldverwendungsvorschläge aller Art einzurichten. Möglich, dass Blümel derzeit zu beschäftigt ist, um sich um solche Peanuts zu kümmern. Möglich aber auch, dass sich hier seine prinzipielle Skepsis gegenüber außertourlichen Zuschüssen für unseren Staatshaushalt zeigt. Für die zweite Erklärung spricht ein im hohen Maß aufklärungswürdiger Sachverhalt, dessen Wurzeln vier Jahre zurückreichen.

Bisher hat Finanzminister Gernot Blümel es nur geschafft, eine E-Mail-Adresse für Geldverwendungsvorschläge einzurichten.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Während Blümel sich 2017 mit Interventionen des damaligen Novomatic-Bosses Harald Neumann bezüglich eines Steuerbetrug-Problems in Italien beschäftigte, veröffentlichte der OGH das seither rechtskräftige Urteil, wonach Novomatic über viele Jahre illegales Automaten-Glücksspiel betrieben hat. Eine Rechtsprechung, die zahlreiche erfolgreiche Klagen von Automatenspielern ermöglicht hat und so den Glücksspielkonzern viel Geld kostet. Und dann gibt es andere, denen die Reaktion der Politik auf dieses Urteil noch viel mehr Geld kostet. Nämlich den Bürgerinnen und Bürgern der Republik Österreich.

Österreichische Lösung

Denn hierzulande muss man Steuern nicht nur für legales, sondern auch für illegales Glücksspiel zahlen. Eine, wie ich finde, sehr österreichische Lösung. Fairerweise sind die Abgaben für illegales Glücksspiel deutlich höher als jene für die legale Variante.

Daraus folgt: In dem Moment, in dem der Finanzminister erfuhr, dass Novomatic illegales Glücksspiel betrieben, Abgaben aber all die Jahre für legales Glücksspiel gezahlt hat, hätte er sagen müssen: "Liebe Novomatic, ihr schuldet uns ein bissl Geld."

Laut Schätzung von Sachverständigen rund 300 Millionen Euro. Seltsamerweise haben aber die Finanzminister Hans Jörg Schelling, Hartwig Löger, und Blümel das nicht gesagt. Und auch nichts unternommen. Im Gegenteil, Löger bezeichnete das OGH-Urteil als "Einzelfallentscheidung". Was immer er damit gemeint hat, vielleicht wollte er auch nur wieder einmal sagen: "Daumen nach oben, lasst mich damit in Ruhe!"

Beruht diese Arbeitsverweigerung auf der Überzeugung "wir ham’s ja"? Oder waren Blümel und Co der Meinung, dass Novomatic die 300 Millionen Euro dringender braucht als wir?

All jene, die nicht dieser Meinung sind, könnten versuchen, die oben angeführte E-Mail-Adresse für eine direkte Intervention im bewährten Blümel-Neumann-Stil zu nutzen: "Guten Morgen, wir hätten eine Bitte: bräuchten einen kurzen Termin bei Blümel. Erstens wegen Untätigkeit bei EU-Spende und zweitens bezüglich eines Novomatic-Steuer-Problems, das wir in Österreich haben. Tut es für uns!" (Florian Scheuba, 10.3.2021)