Japanische Glückskatzen aus China made in Austria: Die Herkunft von Waren ist schwer zu bestimmen und rechtlich eine Grauzone.
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Die Affäre um umetikettierte chinesische Masken erregt die Nation. Die Hygiene Austria wird verdächtigt, die Kunden durch die Vermarktung der Schutzausrüstung als österreichisches Produkt getäuscht zu haben. Kunden – vom Lebensmittelhandel über DM bis hin zur ÖBB, zum Land Niederösterreich oder zum Parlament – überlegen Klagen gegen das Unternehmen, das alle Vorwürfe bestreitet. Doch wann darf eigentlich eine Ware als österreichisch beworben werden, und welche Ansprüche gibt es für Abnehmer bei Verstößen?

Um der Frage nachzugehen, kann ein Sortimentswechsel weg von Masken hin zu Fisch hilfreich sein. Der Fall einer Forelle gilt nämlich hierzulande als wegweisend. Das hängt damit zusammen, dass es keine klaren Regelungen gibt, wann eine Ware als österreichisch bezeichnet werden darf. Sehr wohl haben sich aber Höchstgerichte mit dem Thema befasst und Pflöcke eingeschlagen. Etwa im Fall von Räucherforellen im Jahr 2015. Die kamen zwar aus einer Aquakultur in Italien, wurden aber tatsächlich hierzulande geräuchert und verpackt. Der Hersteller garnierte die Verpackung mit der Aufschrift "zertifizierter österreichischer Familienbetrieb".

Unlauterer Wettbewerb

Obwohl die Aussage richtig war und auf der Rückseite der Verpackung ausgeschildert wurde, dass der Rohfisch aus Italien stammt, wurde der Auftritt als unlauterer Wettbewerb bewertet. Der Oberste Gerichtshof entschied, dass der Hinweis auf den österreichischen Familienbetrieb eine Täuschung wahrscheinlich gemacht habe. Es reicht also schon, wenn die Herkunftsangabe geeignet ist, Kunden in die Irre zu führen. Zudem assoziieren Verbraucher Forelle mit heimischem Gewässer.

Phillip Nell, Leiter des Instituts für International Business an der WU Wien, umreißt die rechtliche Beurteilung so: "Kunden reagieren auf Signale. Es muss nicht draufstehen, dass ein Produkt aus Österreich stammt. Es reicht, wenn Assoziationen geweckt werden, die das nahelegen. Firmen können so eventuell höhere Preise durchsetzen." Nachsatz des Experten: "Problematisch wird es, wenn Kunden gezielt hinters Licht geführt werden."

Streng beurteilt

Das bedeutet nicht nur hierzulande, dass bei der Verwendung von "Made in Austria" Vorsicht geboten ist. Auch deutsche Gerichte haben Herkunftsangaben streng beurteilt. Im Nachbarland importierte ein Unternehmen Kondome, befeuchtete, verpackte und versiegelte sie, um sie hernach als "made in Germany" in Verkehr zu bringen. Auch das war unzulässig.

Ob Masken, Kondome oder Räucherforellen: Entscheidend bei der Beurteilung ist, wie tief der Verarbeitungsgrad im Inland ist. Design, Planung, Kontrolle, Versand und ähnliche Aktivitäten reichen nicht, um eine Herkunftsbezeichnung zur rechtfertigen. Dazu kommen noch schwierige Abgrenzungen, etwa zu zollrechtlichen Aspekten.

Der Räucherfisch könnte demnach aufgrund der relevanten Verarbeitung als österreichischen Ursprungs durchgehen und damit das von der Wirtschaftskammer verliehene Siegel "Made in Austria" tragen. Unlauterer Wettbewerb wäre dadurch nicht ausgeschlossen, weil für diese Beurteilung die Verbrauchersicht ausschlaggebend ist, erläutern Experten der Kammer. Das Austria-Logo wiederum darf nicht auf Produkten angebracht werden und ist nur für die Verwendung auf Werbemitteln oder an Informationsständen erlaubt.

Masken von Hygiene Austria haben Herkunftsbezeichnungen in den Fokus gerückt. Dem STANDARD hat ein Insider erzählt, wie man chinesische von österreichischen Masken der Lenzing-Palmers-Kooperation unterscheiden kann.
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Rechtliche Lage unbefriedigend

Für unbefriedigend hält Thomas Hirmke, Chefjurist des Vereins für Konsumenteninformation (VKI), die rechtliche Lage. Einerseits wegen der fehlenden exakten Definition von "Made in Austria" bei Nichtlebensmitteln, aber auch wegen der geringen Schadensumme für viele einzelne Verbraucher.

Bei diesen Streuschäden seien wegen der geringen Beträge sowohl einzelne als auch Massenansprüche nur schwer durchsetzbar. Im konkreten Fall der Hygiene Austria würden aber die Handelskonzerne die Maske zurücknehmen – und sich ihrerseits wegen des Schadens an den Erzeuger wenden, erwartet Hirmke.

Der VKI prüft zudem eine Klage auf Unterlassung gegen Hygiene Austria. Ziel ist es, dass ein Gericht deren Vorgehen als unlauteren Wettbewerb wegen Irreführung einstufe. "Das gehört geklärt", sagt Hirmke. Ein solches Urteil würde zwar nur die beklagte Hygiene Austria betreffen, der VKI-Jurist hofft aber auf eine abschreckende Wirkung auch für andere Produkterzeuger.

Zudem wäre dies ein weiterer Mosaikstein zur Definition solcher Herkunftsbezeichnungen, die sich bisher eben nur aus diversen Gerichtsurteilen zusammensetze. "Man kann daraus zwar schon gewisse Kriterien ableiten", erklärt Hirmke, fügt jedoch hinzu: "Das bleibt aber ziemlich vage."

Gesetzgeber gefordert

Für eine exakte Definition von "made in Austria" wäre seiner Ansicht nach der Gesetzgeber gefordert. Dieser könne genau regeln, wann dies auf Produkte zutreffe und auch Abstufungen einführen. Hirmke würde dies begrüßen, da es nicht nur Verbraucher vor irreführenden Angaben schützen würde, sondern auch andere Mitbewerber, die tatsächlich in Österreich produzieren.

Klarer geregelt ist die Lage bereits bei Nahrungsmitteln. Da müssen in der Regel die Zutaten aus dem Land kommen, das in der Herkunftsangabe genannt wird. Die geschützte geografische Angabe (g. g. A.) gilt als Kind der 80er-Jahre. Das blau-gelbe Siegel sagt nichts über die Herkunft der Rohstoffe aus, weckt folglich falsche Erwartungen. Ob Tiroler Speck oder Schwarzwälder Schinken, es genügt, wenn allein die Verarbeitung in der deklarierten Region erfolgt. Mehr Aussagekraft hat die rot-gelbe geschützte Ursprungsbezeichnung (g. U.). Um sie zu tragen, müssen wie beim Waldviertler Mohn oder der Wachauer Marille sämtliche Schritte der Wertschöpfung in der entsprechenden Region erfolgen.

Herkunft schwer festzustellen

Das AMA-Gütesiegel garantiert bei Fleisch, dass Tiere in Österreich geboren, aufgezogen, geschlachtet und verarbeitet wurden. Keine Auskunft gibt es über Haltungsbedingungen oder Herkunft der Futtermittel.

Die Bedeutung des Herstellungsortes ist auf mehreren Ebenen relevant, erläutert Phillip Nell. "Firmen nutzen Herkunftsbezeichnungen, um ihr Produkt besser zu beschreiben. Kunden wollen Herkunftsbezeichnungen, damit sie wissen, was sie kaufen. Und Staaten nutzen Herkunftsbezeichnungen zum Teil auch, um ausländische Produkte kenntlich zu machen – und heimische Unternehmen ein bisschen vor Konkurrenz zu schützen." Der Experte räumt ein, dass es immer schwieriger werde, die geografische Herkunft eines Produkts festzustellen – besonders wenn man auch Forschung und Design berücksichtige.

Kurze Geschichte der Herkunftsbezeichnung

Dass es in einer arbeitsteiligen Weltwirtschaft schwer ist, den Ursprung vieler Waren auf der Landkarte festzuhalten, verwundert kaum. Herkunftsbezeichnungen sind auch eine Erfindung längst vergangener Zeiten, genauer gesagt des späten 19. Jahrhunderts. Britische Messerhersteller sorgten sich vor deutscher Konkurrenz auf der Insel, in London beschloss man am 23. August 1887 deshalb den "Merchandise Marks Act" – deutsche Importe mussten fortan als "made in Germany" gekennzeichnet werden.

In den Weltkriegen diente die verpflichtende Herkunftsbezeichnung den britischen Konsumenten dabei, Feindesware zu boykottieren. Die Kennzeichnung mutierte spätestens nach dem Zweiten Weltkrieg mit steigender Qualität deutscher Waren aber schnell zu einem Qualitätskennzeichen. (Andreas Schnauder, Aloysius Widmann, Alexander Hahn, 11.3.2021)