Der Fall Australien zeigt: Weltweit gelingt es Regierungen kaum, Facebook konsequent zu regulieren, sagt Medienmanager Veit V. Dengler im Gastkommentar.

Australiens Schatzkanzler Josh Frydenberg frohlockte Ende Februar: Als erstes Land der Welt werde Australien dafür sorgen, dass "Nachrichtenmedien für ihre Inhalte fair entlohnt werden". Was gut klingt, wird dem Realitätstest wohl nicht standhalten. Das neue Gesetz wurde auf Druck von Facebook entschärft. In seiner revidierten Fassung erlaubt es Facebook, Deals mit einigen großen Verlagen direkt auszuhandeln. Der Rest der Branche, vor allem kleinere Medienunternehmen von Perth bis Brisbane, wird leer ausgehen. So wird Australien zum nächsten Beispiel dafür, wie Regierungen weltweit einknicken, sobald Big Tech ihnen die Stirn bietet.

Die erdrückende Vormachtstellung von Facebook im digitalen Medienmarkt ist für die Branche schädlich. Doch nicht nur das: Facebook hat sein Monopol mit unredlichem und zweifelhaftem Verhalten erlangt. Dies zeigt ein genauerer Blick auf seinen Werdegang.

Privatsphäre: Mittel zum Zweck

Die Juristin Dina Srinivasan von der Universität Yale hat sich intensiv mit der Frage beschäftigt, wie Facebook zum weltweit führenden sozialen Netzwerk wurde. Sie streicht einen überraschenden Punkt heraus: Entscheidend für Facebooks Wachstum war, dass es sich in den ersten zehn Jahren nach Gründung 2004 das Thema Privatsphäre groß auf die Fahne schrieb. Damals war der Markt für Social-Media-Plattformen noch kompetitiv (mit Myspace als Branchenprimus), doch die Nutzer hatten Bedenken, was mit ihren Bildern und Posts in diesem noch unbekannten Umfeld passieren würde. "Facebooks entscheidendes Versprechen war, die Daten seiner Nutzer zu schützen", sagt Srinivasan. "Damit erreichte es starkes Wachstum und schließlich eine marktbeherrschende Stellung."

Kaum hatte Facebook sämtliche ernst zu nehmenden Mitbewerber aus dem Markt gedrängt und die Nutzer an das eigene Produkt gebunden, begann es, Userdaten in nie gesehenem Ausmaß mit Millionen von Websites zu teilen. Mit anderen Worten: Facebook nutzte seine mit falschen Versprechen erreichte Monopolstellung aus, um die Qualität seines Produkts zu verschlechtern. "Das ist wettbewerbswidriges Verhalten", schlussfolgert Srinivasan.

Aufkaufen, was gefährlich wird

Gleichzeitig legte Facebook alles daran, seine Monopolstellung abzusichern. Aufstrebende Konkurrenz wurde kopiert oder aufgekauft: 2012 die Foto-Plattform Instagram für eine Milliarde US-Dollar, zwei Jahre später das Messaging-Service Whatsapp für 19 Milliarden. Die Federal Trade Commission (FTC) folgerte Ende letzten Jahres nach eingehender Untersuchung: Facebook habe eine "systematische Strategie" verfolgt, um den Wettbewerb zu ersticken und Innovation im Markt zu hemmen. Die FTC bezeichnete die Deals von Facebook als "ausbeuterischen Aufkauf von Unternehmen", der rückblickend betrachtet hätte verhindert werden sollen.

Facebooks Vormachtstellung im Social-Media-Markt brachte Zuckerbergs Firma Milliardenumsätze aus digitaler Werbung. Diese wird mittlerweile größtenteils programmatisch, sprich in automatisierten Auktionsverfahren verkauft. Und dieses Geschäft – 2020 war es ein Markt von 50 Milliarden US-Dollar – kontrolliert Facebooks Konkurrent Google, indem es die grundlegenden Technologien für die Marktteilnehmer bereitstellt.

Konspiration mit Google

2017 kündete Facebook an, es teste eine neue Art, digitale Werbung zu verkaufen, um die Vormachtstellung von Google zu durchbrechen. Zwei Jahre später jedoch stellte Facebook das Projekt ein und unterstützte fortan ein Alternativprojekt von Google. Vor einigen Wochen wurde nun klar, weshalb. Ein Vertrag zwischen Facebook und Google gelangte als Teil einer Anklage von zehn US-Bundesstaaten gegen die beiden Big-Tech-Firmen an die Öffentlichkeit. Er zeigt auf: Die beiden Dominatoren haben sich – zum Nachteil aller anderen Marktteilnehmer – auf eine bevorzugte Behandlung von Facebook auf Google-Plattformen geeinigt. Facebook versprach Google, 500 Millionen Dollar pro Jahr auf dessen Werbeauktionsplattformen auszugeben, wenn es im Gegenzug unfaire Zeit- und Informationsvorteile erhalten würde.

Kein "Like" von Big Tech gibt es für das neue australische Mediengesetz.
Foto: EPA / John G. Mabanglo
In Down Under müssen Google und Facebook künftig für Medieninhalte zahlen.
Foto: EPA / John G. Mabanglo

Die Fakten – oder zumindest die gut unterlegten Anklagen – zu Facebooks Machtmissbrauch liegen auf dem Tisch. Es ist nun auch in Europa an der Zeit, die Marktdominanz von Facebook zu kappen. Folgende Ansätze sind vielversprechend:

  • Aufsplittung: Um wieder Wettbewerb im Markt für soziale Netzwerke zu ermöglichen, ist es nötig, den Koloss in mehrere Firmen zu zerschlagen, etwa Whatsapp und Instagram wieder herauszulösen, und so sein Monopol zu beschneiden.
  • Interoperabilität: Für die Nutzer von sozialen Medien muss es einfach werden, den Anbieter zu wechseln, also ein persönliches Profil von einer Plattform auf eine andere zu verschieben. So reduziert man die Netzwerkeffekte und senkt die Eintrittsbarrieren für neue Marktteilnehmer. Außerdem muss das Teilen von Nachrichten und Beiträgen zwischen Plattformen möglich sein, so, wie das bei SMS verschiedener Telekomanbieter der Fall ist. Facebook muss von einem geschlossenen zu einem offenen Kommunikationsprotokoll wechseln.
  • Plattform-Regulierung: Drittens müssen auf digitalen Werbemarktplätzen Regeln gelten, die unfaire Informationsvorteile für die größten Teilnehmer verhindern. Das kürzlich vorgestellte "Digitale-Märkte-Gesetz" der EU-Kommission enthält wichtige Punkte dafür, wie etwa die Transparenz über Preise. Doch es geht nicht weit genug. Die Regulierung sollte sich an Standards zur Regulierung digitaler Finanzmärkte orientieren.
  • Privatsphäre-Transparenz: Zu guter Letzt müssen die Social-Media-Konzerne endlich dazu verpflichtet werden, Privatsphäre (wieder) ernst zu nehmen: Nutzer sollten mit einem einfachen Knopfdruck in einen "Do not track"-Modus wechseln können. Es muss möglich sein, dass User schlicht Nein sagen können zur Verwendung ihrer Daten für die kommerziellen Geschäfte der Tech-Giganten. (Veit V. Dengler, 11.3.2021)