OStA-Wien-Leiter Johann Fuchs sorgte mit seinen Aussagen für Aufregung-

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Der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien, Johann Fuchs, hat im Ibiza-Untersuchungsausschuss für Aufregung bei der Opposition gesorgt. Sinngemäß meinte Fuchs, man solle vor Hausdurchsuchungen bei Regierungsmitgliedern den Justizminister informieren; immerhin sitze dieser ja beim Ministerrat mit dem betroffenen Kollegen zusammen. Auch andere Informationsflüsse machten die Abgeordnete skeptisch: So konnte Fuchs nicht ausschließen, auch dann Aktenteile an den mittlerweile suspendierten Sektionschef Christian Pilnacek übermittelt zu haben, als dieser nicht mehr Teil der Weisungskette war.

Generell zeigte sich Fuchs nicht besonders erinnerungsfest, was die Kommunikation mit Pilnacek betrifft. Ausgetauscht habe man sich aber auch noch, als dieser nicht mehr Leiter der Strafrechtssektion war. Dieser sei immerhin ein "exzellenter Strafrechtsexperte". Ausschließen konnte Fuchs auch nicht, dass man sich im Nachhinein über die Verdachtseinschätzung im Fall von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) unterhalten habe. Immerhin gebe es nicht so viele Leute im Büro, mit denen dies möglich sei.

Ob er Pilnacek generell Aktenteile überlassen hat, konnte Fuchs nicht genau beantworten. Auf die Frage, ob er je Aktenteile abfotografiert habe, verwies Fuchs darauf, dass er immerhin zwei Stunden mit dem Zug zur Arbeit fahre und manche Fälle während der Fahrten am Handy studiere. An "Unberechtigte" habe er Akten aber sicher nie weitergeleitet.

Sein Handeln sei "ausschließlich" durch das Gesetz bestimmt und nicht durch opportunistische Überlegungen oder "Netzwerke", meinte Fuchs. So bezeichnete er aus "heutiger Sicht" auch die "gesetzmäßige Strukturierung" der Ermittlungen in einen Strang rund um die Erstellung des Videos, den die Staatsanwaltschaft Wien bearbeitet, und in die Ermittlungen zu Wirtschafts- und Korruptionsstrafsachen durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) als "gute Entscheidung".

Ein Beamter, der nicht mutig sein will

Zuvor war der einstige Justiz-Kabinettsmitarbeiter K. befragt worden. Der Ticker des STANDARD zum Ibiza-Untersuchungsausschuss habe ihn stutzig gemacht, erzählt der Staatsanwalt K. in ebendiesem U-Ausschuss: Denn bei der Befragung des einstigen Sektionschefs Pilnacek wirkte es so, als hätten die Abgeordneten nicht alle Unterlagen aus dem Ministerium erhalten. Auch bei den Fragen an Johann Fuchs, der schon im Sommer im Ausschuss geladen war, beschlich K. dieses Gefühl. Als Kabinettsmitarbeiter unter dem einstigen Justizminister Josef Moser war K. live dabei, als das Ibiza-Video die türkis-blaue Regierung sprengte und zu weitreichenden Ermittlungen führte.

K. ging nun seine Unterlagen durch und schickte E-Mails sowie interne Vermerke an die WKStA weiter; von dort gingen die Informationen zur Staatsanwaltschaft Innsbruck, also weit weg von WKStA und Staatsanwaltschaft Wien, über die Fuchs als Leiter der OStA Wien die Fachaufsicht hat. Denn auch gegen ihn richten sich die Vorwürfe: Sowohl Fuchs als auch Pilnacek sollen vor dem U-Ausschuss falsch ausgesagt haben, heißt es. Konkret seien Weisungen unmittelbar nach Auftauchen des Ibiza-Videos verschwiegen worden, ebenso eine Vorabinfo von Fuchs an Pilnacek über eine anstehende Hausdurchsuchung bei Öbag-Chef Thomas Schmid – mit dem sich Pilnacek wiederum bestens verstanden hat.

Drohung übermittelt

Es gilt die Unschuldsvermutung, ein Vorhabensbericht wurde bereits aus Innsbruck an das Justizministerium übermittelt. Wie fühlt es sich an, Hinweise über etwaiges Fehlverhalten zweier so mächtiger Beamter wie Fuchs und Pilnacek zu übermitteln? "Mit Mut hat das nichts zu tun", gab sich K. bescheiden. Er sei kein Whistleblower, Hinweisgeber oder Insider, sondern lediglich ein Beamter, der seine Aufgabe erfüllt habe.

"Ich fürchte mich nicht, aber unangenehm ist es schon", sagt K., der nun wieder als Staatsanwalt tätig ist, über seine Situation. So habe ihn jemand aus der Justiz angerufen und gefragt, ob er die Justiz verlassen wolle – die Nachfrage danach, wer das war, verbietet Verfahrensrichter Ronald Rohrer zum Ärger der Opposition und der Grünen.

K. beleuchtete in seiner Befragung auch noch einmal eine interne Arbeitsgruppe zur Zukunft der WKStA, die pikanterweise ohne Mitarbeiter der WKStA eingerichtet wurde. Daraus stammen beispielsweise Ideen wie die Einrichtung von "Wirtschaftskompetenzzentren" bei anderen Staatsanwaltschaften – Vorschläge, die nun von der ÖVP nach den WKStA-Ermittlungen gegen Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) verbreitet worden waren. In der Arbeitsgruppe saß auch der Anwalt, der den mittlerweile suspendierten Sektionschef Pilnacek vertritt. Pilnacek wird vorgeworfen, eine anstehende Hausdurchsuchung beim Milliardär Michael Tojner verraten zu haben – es gilt die Unschuldsvermutung. Auch deshalb gewinnt die Frage, wann Pilnacek über andere Razzien Bescheid wusste, an neuer Bedeutung.

Abseits der Causa Ibiza hielt sich die Wahrnehmung von K. über politische Interventionen aber in Grenzen. Ein einziges Mal soll ihm Justizminister Moser erzählt haben, dass Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sich über ein Verfahren informieren ließ, konkret die Causa Stadterweiterungsfonds gegen mehrere Sektionschefs. Eine Anfrage des STANDARD im Kanzleramt blieb unbeantwortet. Moser meinte zu K. auch, man werde "die WKStA zerschlagen". Was damit gemeint war, fragte K. nicht nach – die Wortwahl habe ihn aber sehr beschäftigt.

"Absoluter Holler"

Moser sagte dazu, die Aussage sei "absoluter Holler", die WKStA "nie infrage" gestellt worden. Vielmehr habe sich eine Arbeitsgruppe nach der BVT-Affäre mit etwaigen Mängeln beschäftigt. Diese konnte ihre Arbeit durch das Koalitionsende nie abschließen.

Nach K. war dann Fuchs geladen. Der Leiter der OStA Wien reagierte schon in einem ausführlichen Eingangsstatement auf die Kritik an seiner Amtsführung. Fuchs gab an, die von K. übermittelten E-Mails nicht zum Akt genommen zu haben, da sie "auf den Verfahrensfortgang keinen Einfluss" gehabt hätten.

Der von Pilnacek übermittelte angebliche Wunsch des Justizministers, der WKStA "keine aktive Rolle" zukommen zu lassen, sei "nicht umsetzbar" gewesen, erklärte Fuchs. Der OStA-Wien-Leiter ist auch für die Übermittlung von Akten der WKStA und StA Wien an den U-Ausschuss zuständig, auch für Entscheidungen dazu gab es regelmäßig Kritik. So wollte er ursprünglich den Akt zur ÖVP-Schredderaffäre nicht vorlegen, Pilnacek entschied dann anders.

SMS zwischen Kurz und seinem einstigen Vizekanzler Heinz-Christian Strache wurden anfangs in einer hochgeheimen Stufe geliefert, dann vom Justizministerium herabgestuft. Fuchs verwies darauf, dass strittige Lieferungen vom Ministerium überprüft würden, ihm sei es ein "Anliegen", dass der U-Ausschuss "alle Informationen" bekomme. Die erwähnten SMS beschäftigten die Abgeordneten schon vor der Befragung. SPÖ und Neos monierten, dass in den Chats von "Sidelettern" die Rede war, also zusätzlich zum Regierungsprogramm vereinbarten Abkommen. Diese seien aber nicht an den U-Ausschuss geliefert worden. (Fabian Schmid, Renate Graber, 10.3.2021)