Verwaltungsstrafen treffen Geschäftsführer und Vorstände persönlich. Kontrollsysteme, die vor solchen Strafen schützen sollten, sind den Gerichten nie gut genug.

Illustration: Davor Markovic

Es ist dem beruflichen Alltag vieler Führungskräfte immanent: Für die Einhaltung von Verwaltungsvorschriften durch eine Gesellschaft ist verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen befugt ist. Dies ist etwa im Fall einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung der (oder die) Geschäftsführer(in), im Fall einer Aktiengesellschaft die Vorstandsmitglieder.

Übertritt die Gesellschaft eine Verwaltungsvorschrift, haben die jeweiligen Leitungsorgane die Strafe zu bezahlen. In letzter Zeit wurden in diesem Zusammenhang Vorschriften zur Bereithaltung von Unterlagen bei grenzüberschreitender Arbeitskräfteüberlassung bzw. -entsendung in den Medien diskutiert.

Diese verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit für das gesamte Unternehmen kann auf einen Geschäftsführer oder ein Vorstandsmitglied übertragen werden. Besteht das Leitungsorgan aus mehreren Personen, kann dadurch über die übrigen Mitglieder keine Verwaltungsstrafe verhängt werden.

Alternativ kann für räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens ein verantwortlicher Beauftragter, beispielsweise ein Filialleiter, bestellt werden. Im Fall der Fälle hat dieser verantwortliche Beauftragte dann die Verwaltungsstrafe zu bezahlen.

Sorgfaltspflicht

Grundvoraussetzung jeder Verantwortlichkeit ist aber, dass der verantwortlichen Person – meist der Geschäftsführer oder ein verantwortlicher Beauftragter – die Verwaltungsübertretung persönlich vorwerfbar ist, dass sie also nicht die notwendige Sorgfalt hat walten lassen.

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH), dass eine Verwaltungsübertretung dann nicht vorwerfbar ist, wenn der oder die Verantwortliche die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems nachweisen kann, das die Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften gewährleistet (z. B. VwGH 93/02/0181).

Wenn ein solches Kontrollsystem im Einzelfall einmal ausnahmsweise versagt, kann der verantwortlichen Person kein Vorwurf gemacht und daher auch keine Strafe verhängt werden.

Strafbarkeit stets bejaht

Diese – durchaus auch in den Entscheidungen des VwGH regelmäßig wiederholte – Rechtslage klingt zunächst praktikabel und für Führungskräfte wohl auch beruhigend. Das Problem dabei: Der VwGH hat – soweit ersichtlich – noch in keinem einzigen Fall ein Kontrollsystem als ausreichend angesehen und hat in derartigen Fällen die verwaltungsrechtliche Strafbarkeit stets bejaht.

Erst kürzlich hat sich wieder gezeigt, welch hohe – man möchte fast sagen, unerfüllbare – Erwartungen der VwGH an interne Kontrollsysteme hat. In der Entscheidung Ra 2019/02/0164 war 2019 ein Vorfall zu beurteilen, bei dem sich ein Arbeitnehmer beim Beladen eines Waggons aufgrund eines von einem Waggon abgestürzten Gabelstaplers den Fuß eingeklemmt hatte.

Ein Vorstandsmitglied des Arbeitgebers, einer Aktiengesellschaft, wurde daraufhin wegen der Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften zu einer Geldstrafe verurteilt.

Übertretung des Arbeitnehmerschutzes

Dagegen wandte das Vorstandsmitglied das Bestehen eines wirksamen Kontrollsystems ein: Laut den Feststellungen der Vorinstanz waren regelmäßige Planquadrate und monatliche Revierboards eingerichtet, an denen Sicherheitsfachkräfte, Sicherheitsvertrauenspersonen und Abteilungsleiter teilnahmen. Es fanden regelmäßige Evaluierungen, Schulungen und unangekündigte Kontrollen durch Sicherheitskräfte und Abteilungsleiter statt. Diese Maßnahmen wurden vom Vorstandsmitglied überwacht.

Unregelmäßigkeiten wurden protokolliert, dokumentiert und Abmahnungen gegenüber säumigen Arbeitnehmern ausgesprochen. Vom Teamleiter der Abteilung "Verladung" wurden tägliche, unangekündigte Kontrollgänge durchgeführt. Bei Schwierigkeiten bestand die Anweisung, den Vorarbeiter zu verständigen.

Die Staplerfahrer mussten sich mindestens einmal jährlich einer Schulung zu Sicherheitsvorkehrungen unterziehen. Darüber hinaus wurden die Staplerfahrer immer wieder vom Gruppenleiter auf die Sicherheitsvorkehrungen hingewiesen, wobei es auch Unterweisungen je Schicht gab.

In der Vorinstanz sah das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich in diesen – durchaus umfangreichen und aufwendigen – Vorkehrungen kein ausreichendes Kontrollsystem. Der VwGH hatte gegen diese Beurteilung nichts einzuwenden.

Er führte aus, dass das betroffene Vorstandsmitglied nicht aufzeigen konnte, welche konkreten Maßnahmen im Unternehmen im Einzelnen vorgesehen wurden, um gerade eine solche Übertretung des Arbeitnehmerschutzes, wie sie in der vorliegenden Entscheidung zu beurteilen war, zu verhindern.

Es bleibt beim Verschulden

Schulungen und Betriebsanweisungen vermögen demnach ein Kontrollsystem zu unterstützen, nicht aber zu ersetzen. Belehrungen, Arbeitsanweisungen oder stichprobenartige Kontrollen reichen laut VwGH nicht aus, die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems glaubhaft zu machen.

Dem Einwand, dass der verunfallte Arbeitnehmer eigenmächtig eine Absturzsicherung ausgehängt hatte, hielt der VwGH entgegen, dass selbst das Hinzutreten eines – auch krassen – Fehlverhaltens eines Arbeitnehmers am Verschulden des Arbeitgebers nichts zu ändern vermag.

Es muss nach der Judikatur gerade für den Fall eigenmächtiger Handlungen von Arbeitnehmern ein Kontrollsystem wirksam werden, da nicht völlig darauf vertraut werden kann, dass eingewiesene, laufend geschulte und ordnungsgemäß ausgerüstete Arbeitnehmer jedenfalls den Rechtsvorschriften Genüge leisten. Im Ergebnis blieb es daher bei der Strafe für das Vorstandsmitglied.

Diese Entscheidung zeigt einmal mehr die quasi unerfüllbaren Anforderungen der Judikatur an ein wirksames Kontrollsystem. Solange es nicht zu einer Judikaturwende kommt, ist es für die verantwortlichen Personen in der Praxis daher kaum möglich, eine Verwaltungsstrafe durch die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems zu verhindern. (Barbara Klinger, Martin Lanner, Wirtschaft & Recht Magazin, 11.3.2021)

Barbara Klinger

Martin Lanner