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Carrie Lam verteidigt die Reform nach deren Absegnung. Die Reform würde "das Wahlsystem verbessern" und "sicherstellen, dass Patrioten Hongkong regieren".

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Da die Spannungen unter anderem mit den USA und Taiwan zunehmen, beschloss der Volkskongress auch, die Verteidigungsausgaben um fast sieben Prozent zu erhöhen.

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Peking/Hongkong – Die Abgeordneten des chinesischen Volkskongresses haben am Donnerstag für die umstrittene Wahlrechtsreform in Hongkong gestimmt. Das Parlament nahm den Beschluss auf der Abschlusssitzung seiner Jahrestagung in Peking wie erwartet fast einstimmig an. Details der Reform wurden nicht veröffentlicht. Der Einfluss der demokratischen Opposition soll jedenfalls weiter zurückgedrängt werden. Das Vorhaben stößt auch international auf scharfe Kritik.

Wie Hongkonger Medien berichteten, ist geplant, das Komitee zur Wahl des Hongkonger Regierungschefs von 1.200 auf 1.500 Mitglieder zu vergrößern. Das schon jetzt in dem Komitee dominierende Pro-Peking-Lager wird damit weiter gestärkt. Das Wahlkomitee soll künftig auch darüber entscheiden, wer bei der Hongkonger Parlamentswahl antreten darf, womit Kandidaten indirekt auf die Zustimmung Pekings angewiesen wären. Das Parlament soll laut den Berichten von 70 auf 90 Sitze vergrößert werden.

Nach der Absegnung in Peking meldete sich die Regierungschefin der Finanzmetropole zu Wort. Laut Carrie Lam müsse "man Chinas Kommunistische Partei nicht lieben, um ein Patriot zu sein". Sie und auch die Zentralregierung in Peking seien geistig darauf eingestellt, dass sich ausländische Länder "brutal" in die Angelegenheiten der Stadt einmischen würden.

"Patrioten" sollen regieren

Die Wahlreform ist ein weiterer Schlag für das freiheitliche System in Hongkong. Es soll sicherstellen, dass die chinesische Sonderverwaltungsregion "von Patrioten regiert" wird. Kritiker hatten gewarnt, dass mit der Reform de facto die Demokratie in Hongkong begraben werde. Denn "patriotisch" sei aus Pekings Sicht nur, wer der Linie der Kommunistischen Partei folge.

Großbritannien reagierte prompt kritisch auf die Neuerung. Außenminister Dominic Raab warnte, dass die Wahlreform das weltweite Vertrauen in China weiter beeinträchtigen würde. "Das ist der jüngste Schritt Pekings, um die demokratische Debatte in Hongkong auszuhöhlen", sagte Raab. Hongkong war bis 1997 britische Kronkolonie. Damals wurde die Finanzmetropole an China zurückgegeben. Eigentlich sollte das demokratische System Hongkongs unter dem Motto "Ein Land, zwei Systeme" für 50 Jahre weiterbestehen. Peking steigt aber beim Umbau Hongkongs schon seit geraumer Zeit aufs Gas. Massenproteste gegen diese Politik wurden 2019 vehement bekämpft. Spätestens mit dem Nationalen Sicherheitsgesetz vom vergangenen Sommer wird den Demokratieaktivisten der Garaus gemacht.

Prozesse wegen Verschwörung

Am Donnerstag kam eine von 47 festgenommenen oppositionellen Abgeordneten auf Kaution frei. Im größten Schlag gegen die Opposition unter dem neuen Gesetz wurden diese im Jänner festgenommen. Den demokratischen Kräften werden Verschwörung und Unterwanderung vorgeworfen. Sie hätten im Sommer 2020 illegale Vorwahlen durchgeführt, die zum Ziel gehabt hätten, die lokale Regierung zu stürzen.

In der Tat wurden Vorwahlen durchgeführt, um die vielversprechendsten Kandidaten für die Wahlen zum Lokalparlament zu ermitteln. Diese Lokalwahlen hätten im September 2020 stattfinden sollen, wurden aber verschoben – wegen Corona, hieß es von Regierungsseite. Wann sie stattfinden, ist weiter ungewiss.

Mehr Eigenständigkeit

Zum Abschluss seiner Jahrestagung stellte der Volkskongress auch die Weichen, um die zweitgrößte Volkswirtschaft eigenständiger zu machen. Mit dem neuen Fünfjahresplan will die Regierung die Binnennachfrage stärken und die Investitionen in Forschung und Entwicklung um jährlich mehr als sieben Prozent steigern.

Damit soll die technologische Abhängigkeit vom Ausland verringert werden. Die Strategie ist eine Reaktion auf die Unterbrechung von Lieferketten durch US-Sanktionen gegen Chinas Technologiekonzerne und die globale Rezession durch die Corona-Pandemie.

Internationale Spannungen

Vor dem Hintergrund der wachsenden Spannungen mit den USA, Indien, Taiwan und Nachbarn im Ostchinesischen und Südchinesischen Meer sollen auch die Verteidigungsausgaben um 6,8 Prozent steigen. Staats- und Parteichef Xi Jinping rief das Militär zur Kampfbereitschaft auf, um die "nationale Souveränität, Sicherheit und die Entwicklungsinteressen" zu verteidigen. Er forderte auch eine "hochkarätige strategische Abschreckung". Der Militäretat steigt wieder stärker als die Gesamtausgaben.

Nächste Woche soll das erste hochrangige Treffen zwischen der US-Regierung von Joe Biden und China stattfinden. Wie Bidens Sprecherin Jen Psaki am Mittwoch mitteilte, soll US-Außenminister Antony Blinken kommenden Donnerstag in Alaska mit Chinas Außenminister Yang Jiechi zusammenkommen.

Mit dem Arbeitsbericht von Regierungschef Li Keqiang billigten die Abgeordneten auch das Wachstumsziel von "mehr als sechs Prozent" für dieses Jahr. Mit strikten Maßnahmen wie Ausgangssperren, Quarantäne, Massentests, Kontaktverfolgung und Einreisebeschränkungen hat China die Pandemie weitgehend unter Kontrolle gebracht. So haben sich der Alltag und die Wirtschaftstätigkeit längst normalisieren können. Der Währungsfonds rechnet sogar mit 8,1 Prozent Wachstum in diesem Jahr in China.

Haushaltsdefizit zu groß

Das Haushaltsdefizit liegt mit 3,2 Prozent Anteil an der Wirtschaftsleistung erneut über der allgemein als kritisch angesehenen Grenze von drei Prozent. Im Vorjahr war das Defizit wegen der massiven Ausgaben zur Ankurbelung der Konjunktur nach dem vorübergehenden Einbruch durch die Pandemie schon auf 3,6 Prozent gestiegen. Der neue Fünfjahresplan für 2021 bis 2025 und die langfristigen Ziele bis 2035 wurden mit 2.873 Stimmen angenommen – bei nur elf Gegenstimmen und zwölf Enthaltungen. (APA, red, 11.3.2021)