Ein 40-Jähriger Schwerkrimineller muss sich im Landesgericht für Strafsachen Wien wegen Vergewaltigung und Nötigung verantworten. Er leugnet und beschimpft seinen Verteidiger.

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Wien – Das Verhältnis zwischen Alen L. und seinem Verteidiger Erich Gemeiner ist, vorsichtig ausgedrückt, belastet. "Mir geht es schlecht, wenn ich den sehe", verrät der 40-jährige Angeklagte Olivia-Nina Frigo, der Vorsitzenden des Schöffensenats, in Bezug auf seinen Verteidiger. Offenbar würde L. lieber von Gemeiners Kollegin Iris Augendoppler vertreten werden, er muss nun aber mit einem Mann vorlieb nehmen.

L. wurde aus Deutschland hergebracht, wo er derzeit eine Haftstrafe wegen schweren Raubes samt anschließender Sicherheitsverwahrung verbüßt. Sechs Vorstrafen hat er im Nachbarstaat, verliest die Vorsitzende bei der Überprüfung der Generalien. In seiner Heimat Serbien sind es noch mehr. "Ich habe aufgehört zu zählen, mich interessiert das nicht", antwortet der Angeklagte auf die Frage nach der genauen Zahl. Wie sich herausstellt, war er ab 14 insgesamt 19,5 Jahre im Gefängnis.

Freundin genötigt und Passantin vergewaltigt

In Wien ist er vor Gericht, da er am 12. Oktober 2018 zunächst seine Freundin bedroht und genötigt und neun Tage später eine 18-jährige Passantin überfallen und vergewaltigt haben soll. Zu beiden Anklagepunkten bekennt L. sich nicht schuldig.

Wobei – im Fall der Nötigung ist er mit der Anklage vor allem inhaltlich nicht einverstanden. "Das war eine Schlampe von der Straße, nicht meine Lebensgefährtin", stellt er klar. Er habe damals 18 Frauen gehabt, die für ihn auf den Strich gegangen seien, behauptet er. Das Opfer habe nicht ihn, sondern "das Geschäft" verlassen wollen, daher habe er ihr gedroht, sie zu töten und zu zerstückeln.

Die Vorstellung, mit der Frau liiert gewesen zu sein, wie diese bei der Polizei gesagt hat, empört L. ganz offensichtlich. "Mit einem Gegenstand habe ich keine Beziehung!", hält der Angeklagte fest. "Frauen sind für Sie Gegenstände?", fragt Vorsitzende Frigo nach. "Diese, nicht alle", sagt L., der in Deutschland drei Kinder hat.

Opfer gab Angeklagtem 50 Euro

Auch die Vergewaltigung bestreitet er, obwohl seine DNA-Spuren gesichert wurden. Er hatte laut Anklage die 18-Jährige in den frühen Morgenstunden von der U-Bahn verfolgt, sie nahe ihrer Wohnung attackiert und in einem Grünstreifen vergewaltigt. Erst als ihm das Opfer 50 Euro anbot, die sie in der Geldbörse hatte, ließ er von der jungen Frau ab, nahm deren Geld und verschwand.

L. will sich nicht näher dazu äußern. "Ich will meine Serie gucken und trainieren", bescheidet er der Vorsitzenden. Und fordert sie auf, kurzen Prozess mit ihm zu machen: "Ich will einfach in meine Zelle gehen und den Tag genießen." Über sein Schicksal macht er sich keine Illusionen, wie er schon zu Beginn verdeutlicht hat: "Ich habe die Chance rauszukommen, wenn ich sterbe."

Katze der Pflegemutter erschlagen

Ganz so kurz wird das Verfahren nicht, zunächst erstattet die psychiatrische Sachverständige Sigrun Roßmanith ihr Gutachten. Demnach sei L. Sohn einer sehr jungen Mutter, die ihn mit fünf Monaten "weggeworfen" habe, wie der Angeklagte es ausgedrückt hat. Es folgte eine Kindheit in Heimen und bei Pflegeeltern, schon damals war er gewalttätig – so erschlug er die Katze einer Pflegemutter mit einem Stein.

L. leide an einer "schweren kombinierten Persönlichkeitsstörung", ist Roßmanith überzeugt, und sei "höhergradig abnorm", aber zurechnungsfähig. Er genieße es, wenn eine andere Person in eine Ohnmachtsposition gebracht werde, und benütze "Sexualität als Werkzeug", um Macht auszuüben. Aus psychiatrischer Sicht unterstützt die Sachverständige die von der Staatsanwältin geforderte Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.

"Heilbar ist das nicht"

"Ist das heilbar?", will Vorsitzende Frigo von Roßmanith wissen. "Heilbar ist das nicht. Im besten Fall milderbar", erklärt diese. Vielleicht würde sich die Störung im Alter mildern, therapierbar sei L. aber nicht. "Dafür ist zu viel kaputt. Nicht fachlich ausgedrückt."

Die genötigte Frau erscheint nicht vor Gericht, laut L. ist sie mittlerweile in Tschechien. Privatbeteiligtenvertreterin Brigitte Loacker beantragt vor dem Abspielen der auf Video aufgezeichneten kontradiktorischen Vernehmung der 18-Jährigen erfolgreich den Ausschluss der Öffentlichkeit.

Schlussendlich verurteilt der Senat L. zur Höchststrafe und verhängt eine Zusatzstrafe von sechs Jahren zu den vier Jahren wegen des Raubes in Deutschland, insgesamt also zehn Jahre Haft. Zusätzlich wird die Einweisung verfügt. Der Angeklagte akzeptiert das Urteil nicht, die Entscheidung ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 11.3.2021)