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Der Europäischen Gerichtshof wird prüfen, ob die im Jänner in Kraft getretene Rechtstaatsklausel zulässig ist.

Foto: Reuters / Francois Lenoir

Brüssel/Luxemburg – Polen und Ungarn klagen vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) gegen die neue Rechtsstaatsklausel im EU-Budget. Das teilten die Regierungen in Warschau und Budapest am Donnerstag mit. Die obersten EU-Richter sollen prüfen, ob der im Jänner in Kraft getretene Mechanismus zur Kürzung von EU-Geldern bei bestimmten Rechtsstaatsverstößen zulässig ist. Die Machtprobe Ungarns und Polens mit der EU geht damit in die nächste Runde.

Der EuGH bestätigte am Donnerstag den Eingang der Klagen. Sie werden nach einer Vereinbarung der EU-Staaten dazu führen, dass der Sanktionsmechanismus vorläufig nicht angewendet wird.

Verfahren gegen beide Länder

"Wir können nicht zulassen, dass diese EU-Bestimmung, die ernsthaft gegen EU-Recht verstößt, in Kraft bleibt", schrieb die ungarische Justizministerin Judit Varga auf Facebook. Deshalb klage ihr Land zusammen mit Polen gegen die Verordnung.

Man gehe davon aus, dass die derzeitige Lösung keine rechtliche Grundlage in den EU-Verträgen habe, sagte der polnische Regierungssprecher Piotr Müller. Sie beeinträchtige die Kompetenzen der EU-Staaten und verstoße gegen EU-Recht.

Polen und Ungarn lehnen den neuen Rechtsstaatsmechanismus im mehrjährigen EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 ab. Sie befürchten, dass der Mechanismus darauf abzielt, ihnen wegen umstrittener politischer Projekte EU-Mittel zu kürzen. Beide Länder bekommen netto hohe Milliardenbeträge aus dem EU-Haushalt. Gegen beide läuft zugleich ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge wegen mutmaßlicher Missachtung von EU-Grundwerten.

Prüfung durch EuGH bereits angekündigt

Warschau und Budapest hatten wegen des Streits Ende 2020 zeitweise den neuen EU-Budgetrahmen inklusive der geplanten Corona-Hilfen mit einem Gesamtvolumen von 1,8 Billionen Euro blockiert. Als Kompromiss handelte Deutschland – damals Ratsvorsitzland – eine Zusatzerklärung zum Rechtsstaatsmechanismus aus, die letztlich alle 27 EU-Staaten akzeptierten. Zentraler Punkt war die Klarstellung, den Mechanismus vom EuGH überprüfen zu lassen. Ungarn und Polen hatten bereits angekündigt, davon Gebrauch zu machen.

Ob die Klagen die Rechtsstaatsklausel schwächen, verzögern oder gar zunichtemachen, wurde nach dem Kompromiss Ende 2020 unterschiedlich bewertet. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sah die Wirkung nicht eingeschränkt. "Es geht kein einziger Fall verloren", sagte sie damals. Die EU-Kommission werde mögliche Fälle im Rahmen des neuen Mechanismus betrachten. "Wenn ein Bruch der Rechtsstaatlichkeit vorliegt, dann wird dieser Fall aufgenommen." Sobald der EuGH geurteilt habe, würden diese Fälle abgearbeitet. Kritiker befürchten aber, dass die Anwendung der Klausel um viele Monate hinausgezögert wird.

Bezug zu EU-Geldern

Die Zusatzerklärung zum Rechtsstaatsmechanismus erläutert auch, dass die Feststellung eines Rechtsstaatsverstoßes allein nicht ausreicht, um EU-Finanzhilfen zu kürzen. Vielmehr muss erwiesen werden, dass der Verstoß negative Auswirkungen auf die Verwendung von EU-Geld hat. In strittigen Fragen muss sich der Rat der Staats- und Regierungschefs mit dem Thema beschäftigen.

Befürworter des Rechtsstaatsmechanismus betonen, dass die rechtsnationalen Regierungen in Budapest und Warschau die EU-Gelder dazu missbrauchen würden, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit abzubauen. "Hart erarbeitetes Steuergeld der Unionsbürgerinnen und -bürger darf nicht in Strukturen fließen, die jenseits der Rechtsstaatlichkeit sind", betonte der ÖVP-Europaabgeordnete Lukas Mandl. Rechtsstaatlichkeit sei "keine langweilige bürokratische Sache", sondern mache Leben in Freiheit und Sicherheit erst möglich. (APA, 11.3.2021)