Die Beschädigung ihres Mobiltelefons soll eine 14-Jährige so wütend gemacht haben, dass sie ihre schwangere Stiefmutter schlug, die daraufhin beinahe ihr Kind verlor.

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Wien – Selbst die vom STANDARD befragten gestandenen Juristinnen und Juristen im Grauen Haus müssen passen. Niemand weiß spontan, was im Paragraf 98 des Strafgesetzbuches steht. Kein Wunder, schließlich wird "Schwangerschaftsabbruch ohne Einwilligung der Schwangeren" vielleicht einmal alle zehn Jahre verhandelt. Die 14-jährige Angelina muss sich aber genau wegen dieses versuchten Delikts, versuchter schwerer Körperverletzung und Bestimmung zur Falschaussage vor Richterin Alexandra Skrdla verantworten.

Laut Staatsanwältin soll das Mädchen am 27. Oktober ihrer Stiefmutter, die in der 25. Woche schwanger war, bei einem Streit so fest in den Bauch geschlagen haben, dass diese ihr Kind fast verlor. "Es kann sein, dass ich sie in den Bauch geschlagen habe. Ich war wütend", sagt die eher pubertär-maulfaule Angeklagte und bekennt sich schuldig.

Ruiniertes Mobiltelefon

"Was ist da passiert?", will Skrdla von der unbescholtenen Angelina wissen. "Wir haben uns gestritten", antwortet der Teenager. Ihre Stiefmutter hatte sie zwischen 8 und 9 Uhr morgens aufgeweckt, Angelina reagierte unfroh. "Ich hasse dich, du kannst meine Mutter nicht ersetzen!", schleuderte das Mädchen der 32-Jährigen entgegen. Die im Gegenzug das Mobiltelefon der Stieftochter auf den Boden geworfen und ruiniert haben soll. "Normalerweise schlag ich keine Frauen", verweist die junge Angeklagte auf ihren Ehrenkodex. "Ich habe sie auf den Arm geschlagen. Vielleicht auch auf den Bauch."

Angelinas ebenfalls 14-jährige Freundin war anwesend, sie berichtet als Zeugin von einem Schlag gegen den Bauch. Und sie kann einen weiteren Anklagepunkt präzisieren: Die Angeklagte hat ihr am 17. Dezember eine Nachricht geschickt, wonach die Zeugin bei der Polizei aussagen solle, es habe keinen Schlag gegeben.

Angelina sagt dazu zunächst: "Ich habe ihr geschrieben, dass sie die Wahrheit sagen soll." Die Richterin hält ihr die Nachricht vor: "Du musst sagen, dass ich sie nicht geschlagen habe." – "Ich habe es eigentlich anders gemeint", versucht die Angeklagte sich herauszuwinden. Allerdings log sie auch ihren im Saal anwesenden Vater zunächst an.

Ungewöhnliche Familienverhältnisse

Ihre Freundin berichtet, dass auch Angelinas Stiefmutter sie angerufen habe und versuchte, eine Falschaussage zu erreichen. Allerdings handelt es sich dabei nicht um das Opfer, sondern um die zweite Stiefmutter, die von Angelina "Tante" genannt wird und damals auch in der Wohnung in Wien-Donaustadt lebte.

Das 32-Jährige Opfer will mit der ganzen Sache eigentlich nichts mehr zu tun haben. Sie könne sich nicht mehr erinnern, sagt sie. Ihr Kind sei zwei Wochen alt und krank, "ich würde das alles gerne lassen". Sie bestätigt die Dreierbeziehung, sagt aber auch, sie habe ein "freundschaftliches Verhältnis" zu Angelina gehabt. Dass sie das Handy der Stieftochter ruiniert hat, bestreitet sie. "Sie hat immer Handys kaputt gemacht. Ihr Vater kauft ihr immer neue Handys", behauptet die Frau. Auf Nachfrage der Staatsanwältin, ob das Kind die Zeugin – wie diese noch bei der Polizei sagte – in den Bauch getreten oder mit der Hand geschlagen habe, verweist die Stiefmutter neuerlich auf Erinnerungslücken.

Jugendamt wurde verständigt

Die Richterin verliest am Ende noch den Bericht der Jugendgerichtshilfe, aus dem hervorgeht, dass die Angeklagte kein sehr schönes Leben hat. Sie habe eine "problembehaftete Beziehung" zur verletzten Stiefmutter gehabt, werde in der Schule gemobbt und vom Vater "bestraf- und gewaltaffin" erzogen. Die Jugendgerichtshilfe verständigte sogar das Jugendamt, das Angelina auch eine Therapie vermittelte, von der das Mädchen profitiere.

"Ich bin mir nicht sicher, ob Sie wirklich verstanden haben, was Sie gemacht haben. Ich hoffe es. Bei mir kommt an, dass Sie furchtbar genervt sind, dass Sie hier sein müssen", begründet Skdrla ihre Strafe von fünf Monaten bedingter Haft. An eine Diversion sei "gar nicht zu denken gewesen", da das Geständnis absolut nicht reumütig gewirkt habe. Zusätzlich ordnet die Richterin Bewährungshilfe für Angelina an. Die Angeklagte akzeptiert, die Staatsanwältin gibt keine Erklärung ab, die Entscheidung ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 12.3.2021)