Vorfälle im Mittelmeer bleiben vorerst ungeklärt.

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Frontex hat ein Transparenz-Problem. Das zeichnet sich immer klarer ab. Die Grenzschutzagentur der Europäischen Union kam in den vergangenen Monaten regelmäßig wegen schwerer Vorwürfe in die Schlagzeilen. Einer der schwerwiegendsten ist sicher das angebliche Wegschauen im Mittelmeer, wenn griechische Küstenwachebeamte im Verdacht stehen, Flüchtlinge und Migranten in türkische Gewässer zurückzuschleppen – ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, um Asyl anzusuchen.

Nachdem der Druck auf Frontex immer größer wurde, startete eine interne Untersuchung, deren Bericht vor kurzem fertiggestellt und dem Managementboard der Agentur vorgelegt wurde. Die Transparenz-NGO "Frag den Staat" hat den Bericht und weitere Dokumente veröffentlicht und wehrt sich gegen Versuche von Frontex, dies zu verhindern.

In dem Bericht kommt die Arbeitsgruppe, der unter anderem Vertreter von nationalen Polizeibehörden angehören, zu dem Schluss, dass bei fünf von 13 Zwischenfällen im Mittelmeer der Sachverhalt aufgrund fehlender Informationen nicht geklärt werden kann.

Ungeklärte Fakten

Etwa weil – wie bei einer Aktion im April – auf den Fotos des Frontex-Fliegers nicht erkennbar war, ob das in türkische Gewässer gebrachte Boot mit Migranten nicht doch einen Motor an Bord hatte. Oder ein dänischer Frontex-Helikopter zwar im Juli ein Schlauchboot in griechischen Gewässern entdeckt und den griechischen Behörden gemeldet hatte, diese jedoch die Türken alarmiert haben – offiziell, weil es ein Missverständnis in Sachen Hoheitsgewässer gegeben habe. Dieses konnte durch die Arbeitsgruppe ebenfalls nicht ausgeräumt werden. Dass in türkische Gewässer gebrachte Migranten bei griechischen Beamten nicht um Asyl angesucht haben, wurde einfach geglaubt.

Für Melanie Fink ist es nicht überraschend, dass die interne Untersuchung zu diesem Schluss kommt, sagt die Juristin und Frontex-Forscherin im Gespräch mit dem STANDARD. Die Assistenzprofessorin an der Universität Leiden war aber dennoch überrascht, dass die interne Arbeitsgruppe nicht einmal den Anschein erwecken wollte, die Fakten zu den Vorfällen unabhängig festzustellen.

Um das Vorgehen der Behörde zu verbessern, wäre laut Fink wichtig, dass Frontex transparent agiert. Dass die Behörde Berichte wie die der jetzigen Arbeitsgruppe öffentlich macht und es nicht monatelanger journalistischer Arbeit bedarf, um die Agentur zu Untersuchungen von Vorwürfen zu bewegen. Außerdem plädiert sie dafür, dass endlich die eigentlich verpflichtenden Menschenrechtsbeobachter von der Agentur eingestellt werden, "die dann auch die finanziellen Mittel und Möglichkeiten erhalten, um ihre Arbeit machen zu können", sagt Fink.

Unabhängige Stelle

Das wäre aber nur ein erster Schritt. In weiterer Folge müsste es eine unabhängige Beschwerdestelle geben, an die sich Betroffene wenden können und die auch selbst automatisch zu arbeiten beginnt, wenn es interne Berichte zu Vorfällen gibt.

"Es zeigt sich, dass es bei der Europäischen Union eine Rechtsschutzlücke gibt", sagt Fink. Die müsse nicht nur im Zusammenhang mit der Grenzschutzagentur Frontex geschlossen werden, sondern auch etwa in Hinblick auf die Europäische Staatsanwaltschaft. Denn sobald es Vorwürfe gibt, dass eine EU-Behörde oder -Institution Menschenrechte verletzt, müssen diese unabhängig untersucht werden können, sagt Fink. (Bianca Blei, 12.3.2021)