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Lernunterlagen, Tablet, Smartphone und Laptop: Was gilt bei der Online-Klausur als unerlaubtes Hilfsmittel zum Schummeln und was nicht?

Foto: REUTERS/Yara Nardi

Bei der Prüfung abschreiben, Forschungsdaten fälschen oder fremde Gedanken nicht zitieren: Schummeln und Täuschen begleiten die Wissenschaft seit jeher. Seit Ex-Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP) im Jänner wegen Plagiatsvorwürfen zurückgetreten ist, wird vermehrt über die (Un-)Redlichkeit akademischer Arbeiten diskutiert. Artikel, in denen Ghostwriter aus ihrem Job erzählen oder Studierende von ihren unlauteren Methoden berichten, sorgen für hitzige Reaktionen der Leserschaft.

Auch die Corona-bedingt neuen Prüfungsformate außerhalb der Hörsäle fachen Spekulationen über Schlupflöcher und Missbrauch an. Doch wie wirkt sich Schummeln auf die Hochschulen und ihren Ruf aus?

"Schwindeln betrifft die Hochschulen auf mehreren Ebenen", sagt Ulrike Felt, Wissenschaftsforscherin an der Universität Wien. Erstens treffe es den einzelnen Studierenden, der aus dem Tricksen und Trügen einen Selbstschaden zieht. Etwa indem er nur wenig lernt, wenn jemand anderer seine Arbeit schreibt, oder gar akademischen Titel und Job verliert, wenn das Fehlverhalten auffliegt. "Es stellt sich schließlich auch die Frage, wie viel ein Abschluss wirklich wert ist", sagt Felt.

Schaden für Reputation

Zweitens sei es laut der Wissenschaftsforscherin "ein Schaden für das Ansehen der Uni", wenn dort Betrügereien auftauchen. Prominente Fälle machten das Problem und Systemversagen jedenfalls sichtbarer als ein Fall einer unbekannten Studentin. Und sie können letztlich auch auf die Studierenden der jeweiligen Hochschule zurückfallen. Davor fürchten sich zum Beispiel Studierende der Fachhochschule Wiener Neustadt, die kürzlich in einer ORF-Doku interviewt wurden. An dieser FH hat Aschbacher 2006 ihre Diplomarbeit eingereicht.

Und drittens ist es eine moralische Frage: Schummeleien seien "demoralisierend für jene, die trotz richtiger Anstrengungen kaum formal andere Leistungen erzielen als ein Kommilitone, der relativ billig mit Leistungsumgehungsstrategien um die Ecke schrammt, und niemand merkt es". Das habe dann auch negative Auswirkungen auf das Klima am Institut.

Wie weit Schummeln verbreitet ist, kann nur geschätzt werden. Die wenigsten Betrügereien kommen ans Licht. Laut einer internationalen Metaanalyse im Journal of Academic Ethics von 2017 plagiieren oder täuschen je 3,5 Prozent der Studierenden, weitere 3,5 Prozent lassen ghostwriten. Bei rund 376.000 Immatrikulierten im vorigen Studienjahr wären das je Schummeltyp rund 13.000 Studierende.

Bei einer Befragung der Uni Wien im Sommer gab mehr als die Hälfte der Studierenden an, dass Online-Prüfungen zum Schummeln einladen. Bei sogenannten Open-Book-Prüfungen sei das aber weniger ein Thema: Viele Lehrende setzen im Distanzbetrieb auf dieses Format, bei dem offene Fragen ganz legal mithilfe von Lernunterlagen und Literatur beantwortet werden dürfen. Dadurch entfällt die schwierige Kontrolle der virtuellen Klausur, dafür ist eine reflektiertere Verarbeitung von Wissen gefordert.

Doch nicht bei allen Prüfungen sind solche Formate möglich. Vor allem bei Massenprüfungen, betont Felt: "Das wäre zeitlich nicht machbar, wenn ich 800 dreiseitige Essays korrigieren müsste." Sie könne nicht beurteilen, ob es in Zeiten der Fernlehre einfacher ist, zu schummeln.

Betreuung essenziell

Doch weit kämen Studierende, die bei Prüfungen tricksen, ohnehin nicht, denkt Felt: "Spätestens bei komplexeren Arbeiten wie etwa der Bachelorarbeit fällt es in der Betreuung auf." Die intensive Betreuung wird häufig als Schlüssel zur Entdeckung von Ghostwriting und Plagiaten genannt. "Wenn man sich regelmäßig trifft, erkennt man als Lehrender, was eine Person kann oder nicht", sagt Felt. Das treffe auch auf die aktuell virtuelle Betreuung der Arbeiten zu. In Massenfächern bleibt aber fraglich, ob die Lehrenden viel Zeit in ihre Studierenden investieren können.

Prinzipiell sei das Schummeln an der Uni auch eine Kulturfrage, sagt Felt. In Österreich sehe man es als Kavaliersdelikt an – anders als in den USA. Das zeige sich etwa im vergleichsweise lockeren Umgang der heimischen Unis mit den Trügereien. (Theo Anders, Selina Thaler, 12.3.2021)