Die Künstlerin Birke Gorm – kürzlich mit dem Strabag Artaward ausgezeichnet – arbeitet mit Textilien. Davon ist in ihrer Wohnung in Wien-Ottakring wenig zu sehen. Gemütlichkeit liegt für sie in der Leere.

"Die meisten Menschen, die ich im STANDARD sehe, beschäftigen sich wahrscheinlich mehr mit dem Wohnen oder Einrichten, als das bei mir der Fall ist. Meine Wohnung ist klein und ziemlich spärlich möbliert. Die Möbel sind etwas willkürlich zusammengestückelt, vieles ist selbstgebaut, das meiste hat sich über die Zeit akkumuliert. Die längste Zeit meines Lebens mussten die Dinge, die mich zu Hause umgeben, nur einen Zweck erfüllen – nämlich praktisch sein. Macht es Sinn, in so einer Wohnung ein Wohngespräch zu führen?

Die Künstlerin Birke Gorm in ihrer 43 Quadratmeter großen Wohnung unweit des Yppenplatzes.
Foto: Lisi Specht

Ich bin in Hamburg geboren und in Jütland im Westen Dänemarks aufgewachsen. Als Kind und Jugendliche, ungefähr bis zu meinem 25. Lebensjahr, bin ich extrem oft umgezogen. Das hatte einerseits mit der geografischen Streuung meiner Familie, andererseits mit Beruf und Ausbildung zu tun. Pragmatik, Mobilität und Kompaktheit waren Teil meines Lebens und meiner Sozialisation. Der kleinste und schnellste Umzug, an den ich mich erinnern kann, hat in zehn Kartons Platz gefunden, das Verladen ins Auto hat eine gute Viertelstunde gedauert.

Seit neun Jahren wohne ich in Wien. So lange an einem Ort war ich noch nie! Hier in dieser Wohnung bin ich nun seit einem Dreivierteljahr. 43 Quadratmeter, 16. Bezirk, nicht weit vom Yppenplatz entfernt. In mein Atelier im 17. Bezirk sind’s 15 Minuten zu Fuß und fünf Minuten mit dem Rad. Eigentlich perfekt. Gefunden habe ich die Wohnung in einem Online-Inserat. Die Wohnungssuche als freischaffende Künstlerin kann herausfordernd sein, und ich hatte ziemliches Glück, diese Wohnung zu bekommen.

"Sobald ich zu Hause bin, erfreue ich mich an der visuellen Ruhe", sagt Birke Gorm.
Fotos: Lisi Specht

Erst jetzt lerne ich, dass nicht alles in meinem Leben faltbar und wieder abschraubbar sein muss. Fast alle meine Möbel sind aus zweiter Hand. Den Esstisch und die Stühle beispielsweise habe ich aus einem alten Gasthaus. Eines meiner liebsten Objekte ist das kleine Holzregal mit allerlei Tongefäßen – handgefertigte Stücke, industrielle Ware, selbstgemachte Sachen von Hobbybastlern, die ich über die Jahre gesammelt habe. Zum Teil Geschenke, zum Teil Schnäppchen von Flohmärkten.

Man könnte sagen, das ist sinnbildlich für meine Kunst. Auch dort steht das Sammeln von Material im Mittelpunkt. Ich verwende hauptsächliche rohe, leicht zugängliche und nicht besonders wertvolle Materialien. Entweder sammle ich sie in meiner unmittelbaren Umgebung, oder aber sie sind einfach und günstig zu bekommen. Besonders gern arbeite ich mit Jute, unter anderem mit gebrauchten Getreidesäcken aus der Landwirtschaft, die ich auf sehr zeitintensive Weise vernähe und besticke. Mit dem Fokus auf Naturmaterialien hat sich eine gewisse – braune – Farbpalette in meiner Arbeit manifestiert. Wie man sieht, setzt sich das auch bei mir zu Hause fort.

Fast alle Möbel hat Birke Gorm gebraucht gekauft. Das Holzregal mit Tongefäßen ist eines ihrer Lieblingsstücke.
Fotos: Lisi Specht

In meiner Wohnung jedoch spielen Textilien keine besondere Rolle. Ich finde Gemütlichkeit auch ohne Stoff und ohne Fülle. Manchen mag das karg und leer vorkommen, wenn die typischen Symbole von Wohnlichkeit wie etwa Pölster, Decken und viele Teppiche fehlen. Doch für meine Begriffe ist die Wohnung jetzt schon ziemlich voll. Die Sache ist die: Ich verbringe sehr viel Zeit im Atelier, umgeben von Haufen an Materialien wie Holz und Textilien. Sobald ich dann zu Hause bin, erfreue ich mich an der visuellen Ruhe, an der Tatsache, dass mich nichts ablenkt und kaum Gegenstände die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.

Ob ich in Wien und in dieser Wohnung endgültig Wurzeln schlagen werde? Das ist schwer zu sagen. Ich fühle mich hier jedenfalls sehr zu Hause. Ein bleibender Traum für mich ist es, eines Tages ein kleines Refugium außerhalb der Stadt zu haben, wo man im Freien wohnen, arbeiten, spazieren kann — ein Garten oder eine Hütte, ein Rückzugsort im Grünen, der sich mit dem Alltag in der Stadt kombinieren lässt. Bis dahin darf der Yppenplatz als mein Garten einspringen." (15.3.2021)