Ein kleines Fleckchen Grün wurde im vergangenen Jahr zum Nonplusultra. Dafür weichen manche aufs Land aus.

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Jahrelang hat Sophie, 36, zur Miete in der Nähe Wiens gelebt. Aber eigentlich wusste sie immer schon: "Irgendwann möchte ich kaufen." Im Frühjahr ging sie ihr Vorhaben inmitten der Corona-Pandemie an. Erst schaute sie sich im zweiten, dritten 19. und 20. Bezirk in Wien um, um nahe bei ihrem Büro zu sein. "Aber irgendwas gab es immer, das nicht gepasst hat", erzählt sie im Gespräch mit dem STANDARD.

Preislich lagen die Wohnungen, die für sie interessant waren, immer zwischen 400.000 und 500.000 Euro. Das sind Preise, die vielen ein fassungsloses Kopfschütteln entlocken. Denn bei solchen Summen ist klar: Wer nicht erbt oder einen Lottogewinn macht, hat es schwer, sich in jungen Jahren Eigentum zu schaffen. So bleiben viele auf den Mietmarkt angewiesen. Das bedeutet zwar im besten Fall, dass man flexibel bleibt und finanziell kein Risiko eingehen muss. Das bedeutet in der Realität aber auch oft, dass man alle paar Jahre umziehen muss, weil die Mietverträge befristet sind und Mieten steigen.

Run aufs Betongold

An der Misere hat auch die Corona-Krise nichts geändert. Die Wohnimmobilienpreise sind im letzten Jahr nicht gesunken. Ganz im Gegenteil: Der Run aufs Betongold hat sich noch einmal beschleunigt. Das treibt die Preise in die Höhe. Mit einem Sinken der Preise rechnet auch in den kommenden Jahren kaum jemand. Dafür sind die Zinsen niedrig, ein Kredit ist also günstig. Viele junge Menschen, die sich in den letzten Jahren ein wenig Geld angespart haben, fragen sich: Ist nun der richtige Zeitpunkt, um zu kaufen? Oder aber der komplett falsche?

Wirklich wissen wird man das erst im Nachhinein. Auch Wilhelm Breuer kann darauf keine Antwort geben. Er ist Experte für Immobilienfinanzierung an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen. Er betont aber: Angst, sich über einen Kredit zu trauen, müssen auch junge Menschen nicht haben.

Ganz im Gegenteil: Wer unter 30 ist, bekommt von Banken auch Kredite mit einer Laufzeit von 30 oder sogar 40 Jahren. Dann ist die Immobilie zwar im schlimmsten Fall erst in der Pension abbezahlt. "Aber so kann man die Belastung niedriger halten", sagt Breuer. Die Frage ist aber immer, wie viel Eigenkapital von der Bank verlangt wird. Komplett ohne Eigenkapital wird es schwierig, 20 Prozent sollten es in den meisten Fällen schon sein.

Veränderung durch Corona

Was man sich unter diesen Voraussetzungen leisten kann, hängt auch davon ab, wo gesucht wird. Corona hat bei vielen zu einer Erweiterung ihres Suchradius geführt. "In den Metropolen wird die Luft dünner", sagt Breuer. Hier wird es für Normalverdienende auf der Suche nach einer zentral gelegenen Wohnung für die Familie zunehmend schwierig.

Doch viele haben im letzten Jahr im Homeoffice erkannt, dass sie theoretisch von überall aus arbeiten könnten – und wollen das Homeoffice zumindest tageweise auch nach Corona beibehalten. Damit könnten auch Wohnungen und Häuser, die etwas weiter entfernt und daher günstiger sind, interessant werden. Für die ein, zwei Tage, die man pro Woche im Büro arbeitet, könnte sich dann sogar die Übernachtung im Hotel auszahlen.

Auch die eingangs erwähnte Sophie hat im Laufe des Frühlings ihren Suchradius erweitert. "Im Speckgürtel rund um Wien kamen für mich aber nur wenige Orte finanziell infrage", erzählt sie. Im Juni besichtigte sie ein Haus in Stockerau mit 100 Quadratmeter Wohnfläche auf 700 Quadratmeter Grund. Der Angebotspreis: 400.000 Euro. Das Haus war in die Jahre gekommen, die eine oder andere Sanierungsarbeit würde nötig sein.

Aber die junge Frau begann, zu rechnen. Sie schaute sich an, welche Kosten auf sie zukommen würden – und welche Kreditraten sie stemmen könnte, ohne sich im Alltag plötzlich nichts mehr leisten zu können. Dann kam der Sommer. Aber das Haus in Stockerau wollte ihr nicht mehr aus dem Kopf gehen.

Wege zum Eigentum

Wenig bekannt ist: Es gibt auch andere Wege, sich etwas Eigenes zu schaffen. Interessant findet Immo-Experte Breuer etwa das Baurecht, bei dem Grundstücke nicht verkauft, sondern nur auf beispielsweise 99 Jahre verpachtet werden. So spart man sich den Grundstückspreis, dafür fällt ein Baurechtszins an. Ein entscheidendes Manko hat das Baurecht aber: Hier wird kein Eigentum für Generationen geschaffen. Genau das wünschen sich viele aber mit ihrem Eigenheim.

Dann gibt es noch Mietkaufkonzepte. "Aber das ist ein Nischenprogramm", sagt Breuer. Eine Mietkaufoption gibt es hierzulande im gemeinnützigen Wohnbau. Hier muss bei entsprechenden Wohnungen den Mieterinnen und Mietern mehrmals die Möglichkeit gegeben werden, die Wohnung zu kaufen.

Alexander Bosak von der Bauträgerdatenbank Exploreal bringt noch eine ganz andere Idee ins Spiel. Er hat die Kaufverträge von Eigennutzerwohnungen zwischen Anfang 2018 und Ende 2020 analysiert und erkennt ein Muster: Die meisten Wohnungen werden im Alter von 31 bis 50 Jahren gekauft. Die größten Einheiten werden in der Altersgruppe von 31 bis 40 Jahren gekauft. Im Alter sind es dann wieder kleinere.

"Man könnte daraus ableiten: Kauf dir eine kleine Wohnung fürs Alter, die in jungen Jahren vermietet wird", sagt Bosak. Durch die Mieteinnahmen werde eine größere Wohnung, in der die Kinderzimmer Platz haben, möglich. Und wenn die Kinder aus dem Haus sind und die alte Wohnung zu groß und arbeitsintensiv wird, zieht man um.

Was finanziell möglich ist

Was viele beim Hype um Immobilien und die seit Jahren steigenden Preise vergessen: Die Eigentumsquote ist in Österreich relativ konstant – und zwar vergleichsweise niedrig. Hier gibt es aber große Unterschiede zwischen Stadt und Land. Das liegt, sagt der Wohnbauforscher Justin Kadi von der TU Wien, auch am starken Segment des gemeinnützigen Wohnbaus: "Aber die Wohnung, die man sich kauft, um dort Geld zu parken, ist schon im gesellschaftlichen Diskurs angekommen."

Man sollte sich trotzdem gut überlegen, was finanziell möglich ist und wie die Lebensplanung in den kommenden Jahren ausschaut. Die Überlegungen sollten auch über die nackten Zahlen hinausgehen: "Ein reiner Kostenvergleich ist oft nicht sinnvoll, weil die Menschen mit Eigentum etwas ganz anderes verbinden", sagt Michael Klien vom Wifo. Wer Eigentum will, wünscht sich zum Beispiel oft Unabhängigkeit und mehr Selbstbestimmung.

Garten als Argument

Sophie hat das Haus in Stockerau vergangenen Herbst gekauft. Auch weil es gut gelegen ist – und somit notfalls in zehn oder 15 Jahren weiterverkauft werden kann, wenn sich die Lebensplanung wieder ändert. Die gröbsten Sanierungsarbeiten hat Sophie mit Freunden mittlerweile erledigt. Im Sommer müssen aber noch die Fenster ausgetauscht werden.

Der Garten wird auch noch viel Arbeit erfordern. Das derzeit noch etwas verwilderte Stück Land war letztendlich allerdings auch eines der Argumente für das Haus, erzählt Sophie: "Diese Sehnsucht nach einem Garten war wahrscheinlich schon sehr durch Corona geprägt." (Franziska Zoidl, 17.3.2021)