Die Dame mit Fächer kehrt nun für ein Gastspiel nach Wien zurück.

Collage: Michael Huey and Christian Witt-Dörring Photo Archive; Belvedere, Markus Guschelbauer

Garderobendiebstahl bei Herrn Erwin Böhler, meldete das Neue Wiener Tagblatt im Oktober 1918 einen Einbruch in der Wohnung des Industriellen im ersten Bezirk, "Kaiser-Wilhelm-Ring Nr. 4". Gestohlen wurden "Herrenkleidungsstücke, ein Damensamtmantel, ein schwarz-weiß gestreiftes Seidenkleid und ein graues Kostüm im Gesamtwerte von 50.000 K". Andere Vermögenswerte hatten den Dieb offenbar nicht interessiert: Weder Schmuck oder exotisch anmutende Antiquitäten noch die Vielzahl der in der Wohnung verteilten Gemälde zeitgenössischer Künstler wie Gustav Klimt.

Über bislang unveröffentlichte Interieur-Aufnahmen im Besitz Christian Witt-Dörrings, langjähriger Leiter der Möbelsammlung im Museum für angewandte Kunst (Mak) und Kurator der Neuen Galerie New York, lassen sich drei identifizieren: eine Baumlandschaft und eine Ansicht von Unterach am Attersee, die Klimt im Sommer 1916 gemalt hatte, sowie ein Dame mit Fächer betiteltes Gemälde aus dem Jahr 1917.

Als Klimt im Februar 1918 verstarb, befand sich das Porträt der jungen, in einen Kimono gehüllten Frau mit entblößter Schulter noch auf einer Staffelei in seinem Atelier. Böhler, dessen Familie in den gleichnamigen Werken Eisen und Stahl produzierte, erwarb es über den Kunsthändler Gustav Nebehay.

Klimt im Palais Dumba

1917-1918 beauftragte der Industrielle Erwin Böhler Josef Hoffmann mit der Einrichtung einiger Räume für seine Wohnung im Palais Dumba. Dazu gehörte auch das Musikzimmer, für das Hoffmann Kommoden mit Vitrinenaufsatz entwarf und in dem Böhlers Gemälde von Gustav Klimt hingen.
Foto: Michael Huey and Christian Witt-Dörring Photo Archive

In seiner unweit der Firmenzentrale in der Elisabethstraße gelegenen Wohnung präsentierte er das Bild förmlich: Passend zu dem opulenten Bildhintergrund mit Blumen- und Vogelmotiven aus der asiatischen Kunst, positionierte er unterhalb figuratives asiatisches Porzellan auf einer Kommode mit Vitrinenaufsatz: ein Entwurf von Josef Hoffmann, den Böhler 1917–1918 mit der Einrichtung einiger Räume "in einem bestehenden Palais" beauftragt hatte, wie in der Fachliteratur dokumentiert ist.

Die Information, um welches Palais es sich handelte, ging verloren: Es war jenes von Nikolaus Dumba, dem als Kunstmäzen und Musikfreund bekannten Industriellen und Politiker, wie die Innenaufnahmen nun belegen. Das in den 1860er-Jahren errichtete Gebäude am Parkring, Ecke Zedlitzgasse, gehört zu den Hauptwerken des Historismus, für dessen Ausstattung Dumba namhafte Künstler wie Hans Makart (1870er) und Gustav Klimt (1890er) heranzog.

Letzterer schuf zwei Supraporten für das Musikzimmer, das Böhler mit seinen Klimt-Bildern dekorierte: erkennbar am einzigartigen Muster des Parkettbodens, das – wohl entsprechend Dumbas griechischer Herkunft – eine stilisierte Version des Emblems des antiken Königreichs Makedonien zeigt.

Illegale Ausfuhr

Die Dame mit Fächer war in Österreich zuletzt 1920 in einer Ausstellung im damaligen Österreichischen Museum für Kunst und Industrie (heute Mak) zu sehen und kehrt nun für ein Gastspiel nach Wien zurück. Ein kleines Wunder, das dem Verhandlungsgeschick der Belvedere-Direktorin Stella Rollig und dem Segen der Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer geschuldet ist. Denn das Bild war in den 1980er-Jahren auf ungeklärte Weise illegal außer Landes gebracht worden. Aber der Reihe nach.

Gustav Klimts "Dame mit Fächer" war zuletzt 1920 in Österreich in einer Ausstellung zu sehen. In den 1980er Jahren wurde das Gemälde illegal exportiert und kehrt nun für ein Jahr zurück: ab Ende März wird es im Belvedere gezeigt.
Foto: Belvedere, Markus Guschelbauer

Der von Belvedere-Provenienzforscherin Monika Mayer akribisch rekonstruierten Besitzerchronik zufolge reichte Erwin Böhler das Bild an seinen Bruder Heinrich weiter, der 1940 verstarb. Dessen Witwe Mabel verkaufte es – so wie etwa auch 43 Arbeiten auf Papier von Egon Schiele – an Rudolf Leopold. Im ersten, 1967 veröffentlichten Klimt-Werkverzeichnis (Novotny/ Dobai) scheint Leopold als Besitzer auf.

1981 gastiert das Gemälde als Leihgabe in der von Serge Sabarsky kuratierten Klimt-Ausstellung im Isetan Museum of Art in Tokio. Leopold hatte dafür beim Bundesdenkmalamt (BDA) um eine befristete Ausfuhrbewilligung angesucht und diese auch bekommen. Das Bild kehrte, wie Zolldokumente belegten, im Sommer des gleichen Jahres nach Österreich zurück. Vorerst.

Versteigerung in New York

Im Mai 1994 taucht es bei Sotheby’s in New York auf und wird für 10,6 Millionen Dollar (exkl. Aufgeld) oder umgerechnet 9,3 Millionen Euro versteigert. Der Zeitpunkt machte hierzulande etwas stutzig, denn die Verhandlungen zum Ankauf der Sammlung Leopold durch die Republik liefen auf Hochtouren. Und auf expliziten Wunsch des damaligen Finanzministers war auch Sotheby’s mit einem Schätzgutachten beauftragt worden.

Hatte Rudolf Leopold das Klimt-Gemälde heimlich verkauft, um es nicht im Konvolut an die Republik abtreten zu müssen? Der Verdacht drängte sich auf. Rudolf Anschober, damals Nationalratsabgeordneter (Grüne), stellte eine parlamentarische Anfrage, deren Beantwortung Licht in die Vorkommnisse bringen sollte.

Demnach hatte das BDA bereits 1992 davon Wind bekommen, dass sich das Gemälde im Ausland befand. Konkret war es dem damaligen Belvedere-Direktor Gerbert Frodl von einem Kunsthändler aus Chicago telefonisch für acht Millionen Dollar oder 80 Millionen Schilling angeboten worden. Da nie jemand einen Antrag auf "unbefristete Ausfuhr" gestellt hatte, erstattete man "gemäß § 84 Strafprozessordnung bei der Staatsanwaltschaft Wien Anzeige gegen unbekannt wegen Verstoß gegen das Ausfuhrverbotsgesetz für Kulturgut".

Ermittlungen der Staatsanwaltschaft

Die Ermittlungen verliefen im Sand. Im September 1993 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach "gerichtlichen Vorerhebungen" ein, "da der bzw. die Täter nicht ausforschbar" waren. Tatsächlich hatte es Rudolf Leopold "über einen Händler in Wien" verkauft, wie seine Witwe auf aktuelle Anfrage bestätigt: Man sei damals wegen der Schulden und drückenden Zinslast in höchster finanzieller Not gewesen.

Die Trostpflaster: Klimts Tod und Leben und andere Werke, für die Leopold nur Anzahlungen geleistet hatte und die mit den vor 1983 lukrierten 18 Millionen Schilling ausbezahlt werden konnten, wie er zu Protokoll gab. An den Namen des Käufers konnte oder wollte er sich allerdings nicht erinnern.

Die unrechtmäßig aus Österreich exportierte Dame mit Fächer blieb jedenfalls im Verfügungsbereich Sabarskys, der sie 1989 in einer von ihm im Nassau County Museum of Art (Roslyn, New York) zeigt und an einen gewissen Wendell Cherry verkauft: Der Unternehmer gehörte Mitte der 1980er-Jahre zu den 100 wichtigsten Kunstsammlern der Vereinigten Staaten. Nach seinem Tod 1991 ließen seine Erben Teile seiner Sammlung 1994 von Sotheby’s versteigern. So schloss sich der Kreis zum neuen Eigentümer im Ausland, der anonym bleiben möchte.

Eine Leihgabe an ein österreichisches Museum stand lange nicht zur Debatte. Denn durch die illegale Ausfuhr des Bildes war ein Rechtsanspruch verwirkt: konkret die Garantie einer Wiederausfuhr nach Ende eines temporären Aufenthalts. Die Lösung lauerte in einem 2006 novellierten Gesetz, das dem Verleiher, sofern es im öffentlichen Interesse liegt, die "vorübergehende sachliche Immunität des Kulturgutes rechtsverbindlich" zusagt: Ab Ende März wird das Gemälde nun ein Jahr im Rahmen einer Sonderpräsentation im Belvedere sein befristetes Quartier beziehen. (Olga Kronsteiner, ALBUM, 14.3.2021)