Das Interview von Harry und Meghan hat große Wellen geschlagen – vor allem natürlich in Großbritannien.

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In der öffentlichen Debatte über die Rassismusvorwürfe gegen das britische Königshaus stellt sich die britische Bevölkerung als ziemlich uneinig dar. Längerfristige Analysen von Meinungsforschern ebenso wie Blitzumfragen seit dem sensationellen Interview von Prinz Harry und Meghan Markle legen nahe: Für die Einstellung zum Königshaus spielen sowohl das Alter wie auch die politische Einstellung der Befragten eine herausragende Rolle.

Ende vergangenen Jahres erklärten sich der Firma Yougov gegenüber acht von zehn Briten im Alter über 65 Jahren zu Anhängern der Monarchie; als Alternative war ihnen ein gewähltes Staatsoberhaupt genannt worden. Hingegen gaben sich die unter 25-Jährigen zu genau gleichen Teilen als Monarchisten und Republikaner zu erkennen.

Torys eher monarchietreu

Der Trend setzte sich in Bezug auf die Vorwürfe wegen Rassismus und Diskriminierung, die das Herzogspaar von Sussex zu Wochenbeginn im US-Fernsehen vorgebracht hatte, nahtlos fort. Wähler der konservativen Regierungspartei von Premierminister Boris Johnson sahen ihre Sympathie zu 64 Prozent bei Queen Elizabeth II und ihrer Familie; lediglich acht Prozent unterstützten die im kalifornischen Exil lebende Kleinfamilie, bestehend aus der schwangeren Meghan, 39, dem 36-Jährigen und dem knapp zwei Jahre alten Sohn Archie; der Rest gab sich unentschieden.

Unter Labour-Sympathisanten machten die Unentschiedenen den größten Teil aus. Wer sich aber zu einem Lager bekennen mochte, bevorzugte mit 38 zu 15 Prozent Harry und Meghan gegenüber dem Buckingham-Palast. Noch eklatanter fiel der Unterschied beim Lebensalter der Befragten aus. Auf die Frage "Wurden Harry und Meghan vom Königshaus ungerecht behandelt?" antworteten 15 Prozent der über 65-Jährigen mit Ja. Bei den jungen Erwachsenen lag der Anteil bei 60 Prozent. Generell gilt: Je jünger die Befragten waren, desto größere Sympathie empfanden sie für den Sechsten der Thronfolge und seine Gattin.

"Man muss ihr glauben"

In Medieninterviews gehen prominente junge Frauen und Vertreter ethnischer Minderheiten über Sympathie hinaus. "Man muss ihr glauben" – dieser Satz fällt immer wieder in Bezug auf die Schilderungen der 39-Jährigen Tochter einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters, die vor ihrer Ehe mit dem britischen Prinzen als Schauspielerin ("Suits") erfolgreich war.

"Ich nehme sie beim Wort", bekennt die prominente schwarze Anwältin Jacqueline McKenzie und verweist zur Begründung auf einschlägige Berichte über die Königsfamilie: Prinz Philip, heute 99, warnte einst britische Studenten vor zu langem China-Aufenthalt, sie könnten sonst "Schlitzaugen" bekommen wie ihre Gastgeber. Prinz Charles, 72, teilte bei einem Besuch im nordenglischen Manchester einer schwarzen Frau mit, diese sehe "gar nicht aus, als ob Sie aus Manchester kommen". Nicht zuletzt ging Prinz Harry selbst einst in Nazi-Uniform zu einem Kostümfest.

Die schwarze Londoner Labour-Abgeordnete Bell Ribeiro-Addy leitet aus Meghans Fall einen Grundsatz ab, wie sie am Mittwoch den sechs Millionen Zuhörern des BBC-Radiomagazins "Today" anvertraute: "Wenn eine Person, die Diskriminierung erlebt hat, öffentlich sagt, sie habe Diskriminierung erlebt, müssen wir uns die Zeit nehmen, ihr zu glauben."

Zeit nehmen, das klingt gut. Aber einfach unbesehen glauben?

Umstrittene Aussage

Da klingt die Politikerin auf fatale Weise wie ein Kriminaldirektor von Scotland Yard, der 2013 mit der Aufklärung historischer Sexualverbrechen gegen Kinder und Jugendliche betraut wurde. Seine Sonderkommission werde "allen Opfern, die sich bei uns melden, Glauben schenken", teilte der Beamte der Öffentlichkeit mit – als sei es nicht Aufgabe der Kripo, Zeugen anzuhören und auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Später musste die berühmte Polizeibehörde einräumen: Im Eifer, angeblichen Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, war sie einem Phantasten auf den Leim gegangen. Unter vollkommen ungerechtfertigten Verdacht gerieten unter anderen ein früherer Innenminister, ein Generalstabschef und der beliebte Entertainer Cliff Richard.

Ob nicht auch gegenüber den Äußerungen der PR-gestählten Medienprofis Meghan und Harry ein Quäntchen gesunde Skepsis angezeigt ist? Schließlich verrät schon eine oberflächliche Prüfung der Aussagen bei Oprah Winfrey, dass dort manches zur Sprache kam, was höchstens als Halbwahrheit durchgehen kann.

Das trifft nicht zuletzt auf den vielfach wiederholten Bericht zu, die Herzogin sei in ihrer Schwangerschaft mit der Frage eines nichtgenannten Mitglieds der Königsfamilie konfrontiert worden, "wie dunkel" wohl die Hautfarbe ihres damals noch ungeborenen Sohnes Archie ausfallen werde. In Wirklichkeit gab Meghan nur weiter, was ihr Mann berichtet hatte. Und Harry bestätigte im Verlauf des Interviews: Der peinliche Dialog habe ganz zu Beginn seiner Beziehung mit der damals in Kanada lebenden Schauspielerin stattgefunden, keineswegs nach der Traumhochzeit im Mai 2018.

Fragwürdiger Spin

Spielt der Zeitpunkt einer mindestens peinlichen, womöglich aber bösartigen Äußerung eine Rolle? Stellt allein schon die Spekulation über die Hautfarbe eines nicht-weißen Kindes Rassismus dar? Von der Beantwortung dieser Fragen wird abhängen, wie die britische Gesellschaft den berichteten Fall einordnet. Fest steht aber: Mit dem ausdrücklichen Bezug auf Archie gab Meghan dem Zwischenfall einen sehr fragwürdigen Spin.

Eindeutig auf Kriegsfuß mit den Fakten stand Markle bei der Beschreibung ihrer Eheschließung. Unter Anglikanern herrschte kurzzeitig Aufregung nach der hübschen Anekdote, Harry und Meghan seien zum Zeitpunkt der weltweit übertragenen Hochzeit in der Schlosskirche von Windsor bereits drei Tage lang offiziell verheiratet gewesen. Als Zelebrant habe der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, gedient, anwesend waren "nur wir drei". Dabei gehören zu einem korrekten Traugottesdienst in der englischen Staatskirche, der Heiratswilligen den Gang aufs Standesamt erspart, zwingend Zeugen. Mag in der Erinnerung der Herzogin das Traugespräch mit dem Geistlichen wichtiger gewesen sein als das öffentliche Bekenntnis vor Gott und der Welt – faktisch war ihre Schilderung falsch. (Sebastian Borger aus London, 12.3.2021)