Bei aller Kritik: Haaland und seine Kollegen wollen zur WM.

Foto: APA/EPA/Borgen

Oslo – Erling Haaland schweigt. Doch was der Wunderknabe von einem norwegischen Boykott der WM 2022 in Katar halten würde, ist ein offenes Geheimnis. Sein Nationalcoach Stale Solbakken sagte, er habe die drängende Frage bereits "mit einzelnen Spielern diskutiert". Alle seien sich einig gewesen: "Wir können als Mannschaft etwas tun."

Norwegen mag eine kleine Fußballnation sein, sagte Solbakken, aber: "Wir haben einen Weltstar, einen halbverrückten Trainer und junge, nach vorn stürmende Spieler. Wir müssen groß denken!" Also an einen Boykott? Mehrere Erstliga-Klubs und die Fans wollen den widerstrebenden Verband NFF bei der Jahreshauptversammlung "Footballting" am Sonntag dazu zwingen. Solbakken sympathisiert offen mit ihnen – und ist doch dagegen.

"Wir müssen Druck machen!"

"Ich habe alles dazu gelesen, was ich in die Finger kriegen konnte", sagte er. Natürlich auch den Artikel im englischen Guardian über die über 6500 Toten auf den WM-Baustellen im Wüstenstaat, der die Boykottbewegung ins Laufen gebracht hatte. Was der NFF bisher getan habe, um Arbeiter- und Menschenrechte in Katar zu fördern, sei "zu schwach und zu wenig resolut" gewesen, sagte Solbakken.

Sich wie Verbandspräsident Terje Svendsen nur auf einen Dialog zu berufen, sei "feige", meinte er offen und forderte: "Wir müssen Druck machen!" Der Sport habe die Kraft, "Signale zu setzen". Das habe "Black Lives Matter" gezeigt. Das sei auch die Meinung von Haaland und Co, sagte Solbakken, seine Stars nähmen "mit vollem Herzen" teil an der Diskussion. Aber, klar: Sie wollen spielen.

Spielen "auf einem Friedhof"

Das, betonen die Gegner, täten sie angesichts all der toten Arbeiter "auf einem Friedhof". Ihr Logo zeigt den WM-Pokal auf einem Haufen Totenschädel. Der Klub Tromsö IL hat die Bewegung ins Leben gerufen, sechs weitere der 16 Erstligisten um Rekordmeister Rosenborg Trondheim haben sich angeschlossen, mehrere prominente Spieler äußerten sich positiv.

14 von 16 Fanklub-Vereinigungen wollen den WM-Verzicht (zwei sind unentschieden), ebenso der Dachverband Norsk Supporterallianse, der erklärte: "Wir akzeptieren nicht, dass im Namen des Fußballs Menschen sterben, versklavt oder ihre Rechte gebrochen werden."

Fifa setzt auf Dialog

Die Fifa nimmt den Aufruhr ernst. "Ich glaube nicht, dass der Boykott der WM ein richtiger Ansatz ist", erklärte Präsident Gianni Infantino wenig überraschend. Der Dialog habe bereits viel bewirkt. Doch die mühsam erarbeiteten Reformen würden aktuell wieder zurückgedreht, hielt der norwegische Zweig von Amnesty International dagegen.

Um das Thema beim Verbandstag auf die Agenda zu setzen, bräuchte es eine Zweidrittel-Mehrheit unter den Delegierten. Danach könnte der Boykott mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Das, betonte Verbandsboss Svendsen, würde die anderen Nationen "nicht mal zu einem Schulterzucken veranlassen". Er drängt auf eine außerordentliche Versammlung im Herbst, um die Frage dort zu klären.

"Katar hätte die WM nie bekommen dürfen"

Das will auch der Ligaverband, doch die Klubs wollen das Thema bis spätestens Sommer vom Tisch haben. Die Zeit drängt: Haaland und Co starten am 24. März gegen Gibraltar in die WM-Qualifikation. "Katar hätte die WM nie bekommen dürfen", sagte Trainer Solbakken. Aber ein Boykott, betonte er, würde die Probleme der Arbeiter auch nicht lösen. (sid, 12.3.2020)