Klack. Klack. Klack. Es ist das Geräusch von Holz, das auf Holz trifft. Rhythmisch. Immer wieder. Dreimal hintereinander, dann Pause: Klack. Klack. Klack. Pause. Klack. Klack. Klack. Es ist ein neblig-kalter Vormittag im Februar. Das "klack, klack, klack" kommt von einer Wiese auf der Donauinsel. Dort stehen – pittoresk-archaisch, aus der Ferne nebelverhangen – zwei Figuren. Schwingen Knüppel. Immer gleich. Verharren: Klack. Klack. Klack.

Beim Näherkommen werden aus den Knüppeln Holzschwerter, aus den Figuren ein Mann und eine Frau. Nennen wir sie Eva und Gerd. Sie trainieren. "Europäischen Schwertkampf", erklärt Gerd – und entschuldigt sich, dass an den Übungsschwertern ein Detail am Heft nicht den historischen Vorgaben entspricht. Denn bei aller Begeisterung für Legenden von Schildmaiden, Witchern, Amazonen oder Jedis gehe es doch auch um Authentizität: Das Aussehen von Dolch, Lang- und Kurzschwert oder Rapier ist in Fechtbüchern ebenso beschreiben wie der Umgang mit den Waffen. Der muss geübt werden. Minutiös. Immer wieder: Klack. Klack. Klack. Pause.

Crossfit braucht kein Studio – und immer mehr Personal Coaches können es sich nicht mehr leisten, das Gruppentrainingsverbot einzuhalten.
Foto: Christian Fischer

Normalerweise trainieren Eva und Gerd in der Vereinshalle. Nur: Das geht derzeit nicht – Corona. Kontaktsport? Verboten. Vereinstreffen? Verboten. Indoorsport? Verboten. Gruppentraining im Freien? Verboten. Treffen? Immerhin: erlaubt – solange nicht mehr als vier Erwachsene aus maximal zwei Haushalten ... und so weiter. Gerd und Eva wissen das. Wissen, dass sie Verbotenes tun, sobald sich die Holzklingen berühren. Aber "es geht einfach nicht anders. Wir drehen durch. Alle drehen durch. Und im Freien ..." Auf dem Rathausplatz sperrt jetzt der Eistraum auf. Vor dem Wiener Eislaufverein stehen die Leute Schlange. Aber Holzschwertfechten findet, bestenfalls, in einer Grauzone statt – nicht nur wegen des Nebels auf der Insel.

Die Grauzone wird voller

Schaut man genauer, ist diese Grauzone dicht bevölkert: Hundert Meter flussaufwärts der Schwertkämpfer hat die Stadt sechs öffentliche Beachvolleyballplätze angelegt. Sogar bei Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt sind vier besetzt. Zweier-, Dreier- und Viererteams spielen. Am Spielfeldrand warten weitere Crews. Es gibt einen Schiedsrichter: Offensichtlich findet hier ein Turnier statt. Ein Stück weiter, am Absatz des Brückenabgangs, liegen Matten am Boden. Ein junger Mann krallt die Finger in die Brückenmauer, sucht mit den Zehen Halt in Zwischenräumen. Die Hand fährt in den Magnesiumbeutel am Gürtel. Zwei andere "spotten": sprungbereit mit ausgestreckten Armen, sollte ihr Kumpel ("Falls wer fragt, sind wir halt eine WG!") fallen: "Was sollen wir denn tun? Die Kletterhallen sind seit Monaten zu, da improvisiert man eben."

Improvisation trifft es: Wer mit offenen Augen durch Wien geht, entdeckt sie an allen Ecken und Enden des öffentlichen Raums. Und längst nicht nur dort, wo Stadtväter- und -mütter dafür Infrastruktur bereitstellen – und lieber nicht laut drüber nachdenken, wie das im Alltag hier derzeit mit Abstands- oder Vereinzelungsregeln abläuft: Fußball- und Basketballkäfige, Reck- und Klimmzugstationen, Skater- und BMX-Parks, Wiens Pumptrack (eine Rad-Hügelbahn) oder die an etlichen Orten aufgestellten Fitness- und Trainingsgeräte sind seit Ausbruch der Pandemie voller denn je. Weil aber der Platz an den offiziellen Orten für offiziell nicht organisierten Sport nicht ausreicht, solange offizielle Sportstätten für organisierten Breitensport geschlossen sind, wird trainiert und gesportelt, wo immer es nur irgendwie geht: "Pop-up-Sport", würde die Stadt-PR wohl schwärmen – wenn nicht alle geflissentlich lieber wegschauen würden. Denn auch wenn nachvollziehbar und im Grunde unproblematisch ist, was da passiert – wirklich legal ist es oft nicht.

Gesprayte Tennisplätze

Unter welchen Autobahnbrücken oder wo entlang des Donaukanals (halbe) Tennisplätze auf den Boden gesprayt sind, gilt deshalb als "heiße" Info unter Wiens Tennisspielerinnen und -spielern. Denn die sieben öffentlich-städtischen Betontennisplätze (mit "Festnetzen") im Donaupark sind überlaufen. Ringsum gäbe es zwar etliche betreute Outdoorhartplätze – dort darf aber keiner spielen. Spaziergängern und Spaziergängerinnen fliegen auf Praterwiesen im Umfeld der (für Kinder und Amateure gesperrten) Hockey- und Baseballanlagen hin und wieder Hart- und Softbälle um die Ohren.

In abgelegeneren Revieren von Prater und Wienerwald wurden – vereinzelt – Bogenschützen gesichtet. Auf dem Wasser "eroberten" dafür je nach Lockdownintensität Kite-, Hydrofoil- (ein elektrisch betriebenes Surfboard) und Wingsurfer neues, weil plötzlich kaum bespieltes Terrain. "Normalerweise wäre ich um diese Zeit nicht in Österreich. Aber sogar wenn ich verreisen könnte: Ich habe keine Lust auf wochenlange Quarantäne", erzählte ein Hydrofoil-Surfer im Frühjahr, als er sich auf dem Kaisermühlen-Parkplatz in den Wetsuit zwängte. Konflikte mit (nicht erlaubtem Leih-)SUP-Verkehr, Tret- oder Elektrobooten wären zu normalen Zeiten vorprogrammiert: Nicht ohne Grund ist Kiten normalerweise streng geregelt.

Mit enormen Abständen und meist mit Masken wird ...
Foto: Christian Fischer

Aber auch in der eigentlich fürs Rudern reservierten Zone bei der Steinspornbrücke sind Zickzack-Surfer derzeit kein Problem: Gerudert wird oft zu mehreren. Außer Elite- und Spitzensportlern ist Vereinssport, ist organisiertes Training ja ... und so weiter.

Zumindest offiziell. Denn immer mehr Personal Coaches und so mancher Vereinstrainer wollen und können es sich nicht mehr leisten, das Gruppentrainingsverbot für Nicht-Eliteathletinnen und -athleten einzuhalten. Wer im Prater und in großen Parks unterwegs ist, sieht auf Wiesen oft Zug- und Gummiseile an Bäumen. Matten, Kettlebells und andere Gewichte werden reihum und unter Anleitung genutzt: Crossfit braucht kein Studio. Und die Laufgruppen auf der Hauptallee, die Frisbeespieler am Frisbeegolf-Parcours und die Gymnastikgruppe im Esterházypark behaupten nicht einmal mehr, WGs zu sein.

Das ist auch nicht nötig. Weil niemand fragt. Mit gutem Grund: Sport im Freien ist in kleinen Gruppen und mit Abstand kein reales Problem. Dennoch, bedauert Wiens Jugend- und Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos), erhalte er Berichte, wonach die Polizei seit einiger Zeit "auch Jugendliche straft, die im Ballkäfig spielen". Doch Zwangsmaßnahmen wären "kein geeignetes Mittel", um mit der grotesken Situation umzugehen, dass Bewegung und Sport politisch gutgeheißen und gefordert, das kontrollierte Ausüben aber de facto oft unmöglich gemacht werde.

Es fragt keiner, warum auch?

Es gehe aber nicht bloß um den ab Mitte März für Jugendliche "zum Glück immerhin" (Wiederkehr) wieder möglichen Vereinssport: Der sportliche Wildwuchs findet – eben in Ballkäfigen und an städtischen Trimmstationen – oft an Orten statt, an denen man Jugendliche erreichen und abholen könne. Nur sei genau das derzeit nicht möglich. Wiederkehr: "Aufsuchende Jugendarbeit und die Arbeit mit Kleingruppen wäre gerade jetzt so immens wichtig." Ganz nebenbei könnten so auch Hygiene- und Abstandsprobleme beim Impro-Sport "sanft" reguliert werden: "Nicht nur Schul- und Jugend-, auch Hobbysport mit Eintrittstests muss möglich sein. Fakt ist: Die Leute treffen einander sonst trotzdem und unkontrolliert – und stecken sich an."

Ins gleiche Horn stößt Wiens Sozial- und Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ), wenn er "mehr Raum und Möglichkeiten" fordert. Die naheliegende Schlussfolgerung, wegen der ungeregelten Situation in den "Käfigen" öffentliche oder improvisierte Sportanlagen zu schließen, sei keine Option, Manöver wie die Sperre der Bundesgärten im Vorjahr durch den Bund hätte man längst als "falschen Weg" erkannt.

... im Wiener Volksgarten – unangemeldet und unentgeltlich – Morgengymnastik in der Gruppe ausgeführt.
Foto: Christian Fischer

Stattdessen plädiert Hacker für ein "Öffnen mit Hirn" – und bezieht das ausdrücklich nicht nur auf Vereins- und Jugendsport: Das dichte Testnetz und ausgeklügelte Präventions- und Sicherheitskonzepte würden Sport und andere Aktivitäten in Kleingruppen schon jetzt legal möglich machen – und wären allemal besser, als so zu tun, als sähe man nicht, was vorgeht. Verbote, Sperren oder Strafen brächten gerade im Frühling nichts: "Lösungen, die zu einem weiteren Verdrängen führen, sind keine: Entweder ziehen sich die Leute an Orte zurück, an denen wir sie dann gar nicht erreichen – oder sie hören auf, Sport zu machen. Beides ist nicht akzeptabel."

Dem aus der Not geborenen Trend zum Pop-up-Sport sei auch Positives abzugewinnen, meint der Wiener Sportpsychologe Georg Hafner: Dass öffentliche Freiflächen spontan sportlich bespielt werden, bereichere das Stadtbild. "Ich hoffe, dass das bleibt." Hafner erzählt lächelnd von den Heerscharen, die in China gemeinsam Qigong oder Tai-Chi praktizieren – und könnte sich das auch in Wien, etwa auf dem Rathausplatz, vorstellen: "Mit ein Paar Markierungen am Boden wären dann sogar Abstände kein Thema."

Tai-Chi im Regierungsviertel

Gleich auf der anderen Ring-Straßenseite passiert genau das seit über zehn Jahren: Vor dem Theseustempel wird jeden Tag pünktlich um acht Uhr morgens in großer Gruppe Tai-Chi geübt. Ungeachtet der Jahreszeit, des Wetters oder etwaiger Verordnungen: strikt unentgeltlich, unorganisiert und unangemeldet – obwohl das "offizielle" Wien genau weiß, dass hier (derzeit mit enormen Abständen und Masken) gemeinsam geturnt wird: Sogar Heinz Fischer soll auf dem Weg in die Präsidentschaftskanzlei hin und wieder mitgemacht haben.

Freilich: Das war lange vor Corona. Doch der tägliche Weg zu den Schaltstellen der Politik führt auch heute hier vorbei. Um zu sehen, wie Sport im öffentlichen Raum Plätze sucht und findet, um zu erkennen, wie er problemlos und sicher stattfinden kann, muss man gar nicht in die nasskalten, fernen Nebel der Donauinsel reisen – ein Spaziergang durch das Regierungsviertel genügt. (Tom Rottenberg, 13.3.2021)