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Ein Sommer wie damals: Joe Biden verspricht Feiern zum 4. Juli.

Foto: Reuters / Tom Brenner

Einer Gefahr den Krieg zu erklären gehört zur amerikanischen Politiksprache wie der permanente, meist fruchtlose Appell an die Überparteilichkeit. Es gab den Krieg gegen Drogen, den Krieg gegen den Terror, den Krieg gegen Fettleibigkeit. Nun hat Joe Biden am Donnerstagabend in seiner ersten TV-Rede an die Nation den Krieg gegen das Coronavirus proklamiert. "Das mag übertrieben klingen", räumte er ein. "Aber ich meine es so. Wir befinden uns im Kriegszustand."

Abgesehen vom Pathos, der Washingtoner Pflichtübung, skizzierte Biden einen klaren Zeitplan, an dessen Ende der Sieg über die Epidemie steht. Er weist die fünfzig Bundesstaaten an, bis zum 1. Mai dafür zu sorgen, dass für jeden Erwachsenen, der sich impfen lassen will, der nötige Impfstoff verfügbar ist. Am Unabhängigkeitstag, dem 4. Juli, der nicht nur für opulente Feuerwerke steht, sondern auch für opulente Grillfeste, sollen die Amerikaner wieder Barbecue-Partys feiern dürfen, wenn auch in kleinen Gruppen.

"Nach einem langen, harten Jahr wird dies den Independence Day zu etwas Besonderem machen, wenn wir nicht nur unsere Unabhängigkeit als Nation begehen, sondern auch den Beginn unserer Unabhängigkeit vom Virus." Allerdings könne bis dahin noch viel passieren, relativiert er. Die Lage könne sich schließlich auch wieder verschlimmern.

Tempo ohne Engpässe halten

Hatte der Präsident vor Amtsantritt von einer Million Menschen gesprochen, die täglich geimpft werden sollen, so legt er die Latte nun höher. Die neue Zielmarke liegt bei zwei Millionen. Dass dies kein luftiges Versprechen ist, lässt sich allein schon an der aktuellen Statistik ablesen. Am vergangenen Samstag haben 2,9 Millionen Menschen eine Spritze bekommen. Im Grunde geht es darum, das Tempo zu halten, ohne Engpässe zuzulassen. Biden stellt personell aufgestockte Callcenter und eine bessere Website zur Terminvergabe in Aussicht. Schon bald, verspricht er, brauche niemand mehr Tag und Nacht nach einem Termin zu suchen.

Irgendwann holt der 78-Jährige eine Karteikarte aus der Innentasche seines Jacketts. Auf der ist die Zahl der Corona-Toten notiert. An diesem Donnerstagabend (Ortszeit) sind es seit Pandemiebeginn mehr als 529.000. Vor einem Jahr, sagt Biden, sei man von einem Virus getroffen worden, dem die damalige Regierung mit Schweigen begegnete und das sich unkontrolliert verbreiten konnte. "Realitätsverweigerung, über Tage, über Wochen, schließlich über Monate hinweg."

Parallel zu der Rede hat das Weiße Haus weitere konkrete Schritte verkündet. So sollen 4000 Soldaten die Impfzentren unterstützen, zusätzlich zu den 2000, die bereits abkommandiert wurden. 20.000 Apotheken, neben kleineren, unabhängigen sind damit die Filialen großer Drogerieketten wie CVS und Walgreens gemeint, sollen eingeschaltet werden. Erweitert wird der Kreis derer, die Impfstoff injizieren dürfen – auf Zahn-, Tier- und Augenärzte sowie Hebammen.

America first

Dass es schneller vorangeht als noch zu Jahresbeginn erwartet, liegt daran, dass Unternehmen aufs Tempo drücken. Moderna etwa hatte zunächst 200 Millionen Dosen bis Ende Juni in Aussicht gestellt. Nach neuen Schätzungen steht die Menge bereits einen Monat früher zur Verfügung. Als Johnson & Johnson mit Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen hatte, drängte die Regierung auf eine Partnerschaft mit dem Pharmariesen Merck.

Geht es um Vakzine, handelt auch Bidens Mannschaft nach der Maxime "America first", nur eben im Stillen. Nach einem Bericht der Washington Post hat der US-Präsident die Bitte seines mexikanischen Amtskollegen, mit Impfspenden zu helfen, bis auf weiteres abschlägig beschieden. Laut New York Times lagern viele Millionen Dosen von Astra Zeneca in amerikanischen Fabriken, ohne dass sie verwendet werden können. "Wenn wir einen Überschuss haben, werden wir ihn mit dem Rest der Welt teilen", hatte Biden erst Mitte der Woche erklärt. Zunächst müsse man sicherstellen, dass für Amerikaner gesorgt sei. (Frank Herrmann aus Washington, 12.3.2021)