Elektro- statt Otto- und Dieselmotor. Mehrere EU-Länder, darunter auch Österreich, fordern von der EU einen Termin für das Aus.

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Wien – Wer Großes plant und umsetzen will, tut gut daran, sich konkrete Ziele zu setzen. So gesehen klingt der Vorstoß grundvernünftig, den Verkehrs- und Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) im Verbund mit acht anderen EU-Ländern unternommen hat: Die EU-Kommission möge das Durcheinander der 27 Mitgliedsstaaten harmonisieren und ein Ausstiegsdatum aus dem Verbrennungsmotor für Pkws festlegen.

Das klingt einfach, denn die Bandbreite ist tatsächlich groß. Norwegen will bereits 2025 keine neuen Diesel- und Benzinautos mehr zum Verkehr zulassen, Frankreich hingegen erst 2040 voll auf Elektroautos umsatteln. Dazwischen tummeln sich jede Menge Länder, die sich nicht festgelegt haben – wie Österreich. Und das mit guten Gründen. Denn so gut ein Enddatum wirken kann, um das große Ganze nicht aus den Augen zu verlieren: Ohne Masterplan für die Wende in Energie, Verkehr, Wirtschaft, Umwelt und Leben können positive Effekte zu Kollateralschäden mutieren.

Tragende Rolle

Österreich hat mit ausnehmend hohen Treibhausgasemissionen im Pkw-Bereich wohl besonderen Handlungsbedarf, sollte aber mit besonders viel Bedacht vorgehen- Denn die Automobilwirtschaft mit all ihren Verästelungen und Zulieferbetrieben spielt in der traditionell grundstofflastigen Industrie eine tragende Rolle. Noch gibt es traditionelle Motoren-, Auspuff- und Stahlverarbeiter, bei denen direkt und indirekt 450.000 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Lohn und Brot stehen, mit denen nicht zuletzt im Ausland gut verdient wird.

45 Milliarden Euro Umsatz macht die Autobranche pro Jahr in Österreich (und noch einmal so viel die mit ihr engstens verzahnte Metallverarbeitungsindustrie). Die Bruttowertschöpfung wird auf bis zu 30 Milliarden Euro taxiert.

Pkw-Bestand (zu) groß

ist klar, dass die Verkehrswende in absehbarer Zeit nicht gelingt, wenn die Politik darauf wartet, bis der Bestand von rund fünf Millionen diesel- und benzinbetriebenen Pkws aus Altersgründen aus dem Verkehr gezogen und durch emissionsfreie Elektroautos ersetzt wird. Das würde trotz Förderungen Jahrzehnte dauern, allein deshalb, weil die Ladeinfrastruktur nicht flächendeckend vorhanden ist.

Obwohl die modernen Fahrzeuge immer weniger CO2 ausstoßen: Bis der Pkw-Bestand von gut 250 Millionen Stück in der EU erneuert und umgerüstet ist, vergehen Jahre.

Unbestritten ist: Dekarbonisierung ist notwendig, die Treibhausgasemissionen sind weder der Gesundheit des Menschen noch der Umwelt zumutbar. Sie sollte allerdings, darauf weisen namhafte Umweltökonomen hin, technologieoffen sein. E-Mobilität sei nicht das einzige Instrument, denn sie ist weder in der (Batterie-)Herstellung emissionsfrei noch im Antrieb, solange der Strom, nicht aus Erneuerbarer Energie kommt.

Kleine Schritte nötig

Auch künftig synthetisch hergestellte Treibstoffe können emissionsfrei sein. Auf den Gesamtkontext komme es an: Weniger verbieten, stattdessen bestehende Infrastruktur besser nützen, lautet seit Jahren die Empfehlung.

Mobilitätswende ist mehr, als bloß Millionen von Autos mit Verbrennungsmotoren durch Zero-Emission-Vehicles oder Hybrid zu ersetzen. Staukosten, Bodenversiegelung wären dann perpetuiert.

Billige Tickets für den öffentlichen Verkehr sind ebenfalls ein legitimer Zugang. Was das 1-2-3-Ticket für Bahn, Bus und Co, das nun auch in Oberösterreich kommen wird, abseits der Ballungsräume bewirken wird, bleibt abzuwarten. Denn in den Regionen hilft auch ein Gratisticket wenig: Ohne Pkw kommt dort mangels Taktverkehr kaum jemand zur Arbeit, zum Einkaufen, zur Betreuung von Kindern und Alten.

Auf nach Fernost?

Hinzu kommt, dass mit einer Verdrängung der Automobilindustrie nach Fernost im Lichte des Weltklimas nicht viel gewonnen ist. Der Weg dort hin ist allerdings längst geebnet: Während die Pkw-Verkäufe in Westeuropa im Jänner und Februar 2021 um ein Viertel auf 1,5 Millionen Stück eingebrochen sind, schossen sie in China um 150 Prozent auf 3,95 Millionen in die Höhe.

Das wäre eine dramatische Entwicklung für das Corona-gebeutelte Europa, warnt Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer vom Car-Center an der Uni Duisburg-Essen: "Wer in China Autos verkaufen will, muss diese in China bauen." Genau das passiere auch, immer mehr Pkw-Produktion wandert nach China, und Elektroautos werden eher aus China nach Deutschland exportiert, sagt Dudenhöffer mit Verweis auf X3 Elektro und E-Mini (beide BMW). Damit wäre Europa doppelt auf der Verliererstraße – es sei denn der gepriesene Motor für Green-Jobs kommt rechtzeitig in die Gänge. (Luise Ungerboeck, 12.3.2021)