Schließen Sie die Augen und folgen Sie in eine autosuggestive Reise voller Heimat und Nationalstolz besser als jeder luzide Traum.

"Es ist ein schwüler Spätsommertag im südlichsten Bundesland Österreichs. Der schnittige Kärntneranzug sitzt wie angegossen auf Ihrem durch die Feldarbeit gestählten Körper. Die Carinthische Sommersonne hat Ihren Nacken, der jenem eines Zuchtbullen ähnelt, in ein intensives Rot gefärbt. Es ist heiß. Ein letztes Mal schweift Ihr Blick auf das goldgelbe Feld, das in den pittoresksten See Österreichs, den Wörthersee, überzugehen scheint. Durch derart geballte Impressionen von Natur, Nation und Stolz auf die eigene Identität sind Sie locker in der Lage jeden Karawankenbären mit den bloßen Händen niederzuringen, wenn dieser nicht allein durch die Witterung Ihres Selbstwertgefühls Reißaus nehmen würde."

So oder so ähnlich könnte ein überzeichneter Einstieg in eine nationale Facette der komplexen Kärntner Seele, die einst von Erwin Ringel, einem Vertreter der Individualpsychologie, beschrieben wurde, aussehen. Dieser liefert im folgenden Video einen Ansatz zur Thematik der Überkompensation und größeren Selbstsicherheit.

Witzeling

Muster einer defizitären Entwicklung

Aus diesem Gefühl der Überlegenheit und der zugrundeliegenden übersteigerten Selbstsicherheit ist der erste Lauf der FPÖ von Kärnten unter dem damaligen Parteichef Jörg Haider hin zur Regierungsbeteiligung im Jahr 2000 ausgegangen. Diese war für die Freiheitlichen ähnlich wenig nachhaltig und schadhaft wie jene 17 Jahre später mit Heinz-Christian Strache als Obmann. Ein destruktiv-defizitäres Muster zieht sich durch alle Versuche der Blauen im etablierten Politsystem und im Bund Fuß zu fassen. Sobald sie an der Macht sind, sind auf einmal viele im sogenannten Establishment sehr freundlich, weil das dritte Lager von heute auf morgen über Einfluss verfügt. Jene Freundlichkeit ist aufgesetzt, denn der neue Fremdkörper wird nicht wirklich akzeptiert.

Die Vertreter der Partei des kleinen Mannes sind anfangs jedes Mal sehr entzückt nach der jahrelangen Durststrecke und dem langanhaltenden Schmuddelkind-Image an den Schalthebeln der Macht angekommen und scheinbar anerkannt zu sein. Diese Genugtuung hält nur bis zu dem Punkt an, wo sie das System, wie sie es nennen würden, wieder ausspuckt und sie wieder wie bei dem Brettspiel "Mensch ärgere Dich nicht" zurück an den Start müssen. Dies ganz verdutzt und verwundert ob des Traumes der plötzlich zum Albtraum wird. Die Phase bis zum Super-GAU überwiegt die Euphorie und das Glücksgefühl endlich auf den Ministersesseln Platz genommen zu haben. Die Fragilität dieses Zustandes basierend aus vergangenen negativen Erfahrungen wird verdrängt. Doch woran liegt dieses Phänomen, dass die freiheitliche Gesinnungsgemeinschaft bis auf ganz wenige Ausnahmen nicht im Politsystem Österreichs Fuß fassen kann?

Macht tut den Blauen nicht gut.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Part of the Game

Die Psychotherapie ist, frei nach Ringel, eine Erfindung, die versucht den Menschen mit sich selbst zu konfrontieren. Dieser Ansatz ist für jeden von uns vielleicht nicht der Sinn des Lebens, aber zumindest eine Lebensaufgabe. Dies gilt auch für Organisationen und Systeme wie politische Parteien. Wie beim Menschen geht man davon aus, dass Systeme ebenfalls lernfähig sind. Die FPÖ hat aus den Regierungsversuchen anscheinend zu wenig gelernt. Anstatt auf eine gewachsene Entwicklung zu setzen und eventuell auf eine Regierungsbeteiligung zu verzichten, lässt sie sich immer wieder, die zu verteilenden Posten wie eine Karotte vor den Augen hängend in Aussicht, auf ein Himmelfahrtskommando ein und glaubt jedes Mal aufs Neue "Part of the Game" seien zu können. Dies ist aber ein Trugschluss. In einer politischen Landschaft, die seit mehreren Jahrzehnten auf Proporz aus Rot und Schwarz beruht, kann die "soziale Heimatpartei" gar nicht so handzahm werden, als dass sie mit ihrer nationalen Identität und den damit verbundenen Wertbildern akzeptiert werden würde.

Man darf nie vergessen wer man ist und woher man kommt. Dazu gehört ebenfalls abschätzen zu können, mit wem man harmoniert und mit wem nicht und in welchem Stadium der individuellen Genese man sich selbst befindet. Personalauswahl und Personalentwicklung - Ibiza ist hier nur ein Symptom politischer Depersonalisation - wird nicht nur für die Freiheitlichen ein Zukunftsthema sein, sondern für jede Bewegung, die dauerhaft in unserem Land etwas zum Positiven verändern will. In diesem Sinne lassen wir den heutigen Beitrag mit der sanften Stimme des einstigen Landeshauptmannes von Kärnten Jörg Haider zur Inspiration und Kontemplation ausklingen:

MichaelKlagenfurt

(Daniel Witzeling, 22.3.2021)

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