"Ein zentraler ORF-Chefredakteur ist für mich nicht vorstellbar", sagt Stiftungsrat Thomas Zach.

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Die ORF-Information steht vor dem größten Umbau seit Jahrzehnten: In einem Jahr sollen die Journalistinnen und Journalisten von TV, Radio und Online im neuen gemeinsamen Newsroom zusammenarbeiten – unter einer neuen, gemeinsamen Führung.

"Zentraler Chefredakteur nicht vorstellbar"

Im obersten ORF-Gremium wollen die Stiftungsräte kommende Woche von ORF-General Alexander Wrabetz wissen, wie er sich diese Führung vorstellt. Der bürgerliche Fraktionssprecher Thomas Zach schließt eine Variante schon aus: "Ein zentraler ORF-Chefredakteur ist für mich nicht vorstellbar", sagt Zach im Gespräch mit dem STANDARD.

Dienstag wollte sich ORF-Chef Alexander Wrabetz vor Journalistinnen und Journalisten nicht festlegen, wie er sich die Führungsstruktur für den Newsroom im Detail vorstellt. Erst referierte er nur über bleibende Sendungsteams und neu auszuschreibende, multimediale Ressortleitungen, ohne auf die redaktionelle Führung des gesamten Newsrooms einzugehen.

Auf Nachfrage sagte Wrabetz zur Chefredaktion wie berichtet: "Das ist dann der Schlussstein. Es wird ein multimediales Newsroom-Management über der ganzen Struktur geben." Bei Konflikten unter den Teams und Verantwortlichen etwa müsse jemand entscheiden.

"Multimedialer Newsroom-Manager im Team"

Ein "multimedialer Newsroom-Manager" würde "in einem Führungsteam arbeiten", möglich wäre ein "Chefredaktionsteam". Man müsse "noch festlegen", wie sich das Newsroom-Management "ergänzen" soll. Für die Sender und Plattformen Zuständige könne es im Team geben, oder doch nur "Vertreter" (wohl eines Chefredakteurs oder einer Chefredakteurin). Man werde die Führungsstruktur "noch diskutieren" für "alle, die an der großen Newsmaschine" arbeiten.

Muss es nicht einen oder eine Verantwortliche/n geben? "Wir fahren sehr gut damit, dass eine Ö1-'Journal'-Welt in der Themensetzung anders aussieht als eine 'ZiB'-Welt, die wieder anders ist als eine 'ZiB-Insta'-Welt. Das wollen wir erhalten", sagt Wrabetz. "Einen zentralen Chefredakteur, der vom ersten Früh-'Journal' bis zur 'ZiB 24' alles entscheidet, hielte ich für falsch."

"Echte Teamführung"

In internen ORF-Strukturpapieren zur Newsroom-Organisation kommt laut mehreren STANDARD-Quellen aber ein Chefredakteur für diesen vereinte Information vor. Ein zentraler Chefredakteur oder eine zentrale Chefredakteurin müsste ja nicht unbedingt jede Meldung von früh bis spät selbst entscheiden, um in Wrabetz' Bild zu bleiben.

Der Stiftungsrat, Finanzausschussvorsitzende und ÖVP-Freundeskreissprecher Zach hat Pluralismus und Vielfalt in der ORF-Information in den vergangenen Jahren vielfach als Ziel betont. Und er will die Newsroom-Pläne mit Blick darauf im Plenum des Stiftungsrats diese Woche mit dem ORF-General diskutieren. "Eines steht für mich jedenfalls fest", sagt Zach: Ein zentraler Chefredakteur komme für ihn nicht infrage. Er plädiert im Gespräch mit dem STANDARD für eine "echte Teamführung" des Newsrooms.

"Meinungsvielfalt", verfassungsrechtlich

Zach erklärt seine Festlegung mit den Vorgaben des Verfassungsgesetzes Rundfunk – "Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme" etwa – und des ORF-Gesetzes und mit grundsätzlicher demokratiepolitischer Notwendigkeit von Vielfalt in der Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der zugleich Österreichs weitaus größtes Medienunternehmen ist.

Vielfalt sei aber auch eine unternehmenspolitische, wirtschaftliche Frage für den ORF, sagt Zach: Vielfalt sei ein Schlüsselfaktor für Relevanz bei möglichst vielen Menschen in Österreich – und damit letztlich auch Reichweite der ORF-Programme und der ORF-Information.

Die ORF-Information habe gerade in Zeiten der Pandemie gezeigt, dass sie "sehr gut" arbeite. Mit ihrer grundlegendsten Neuorganisation seit Jahrzehnten dürfe sich daran "nichts verschlechtern"; die Newsroom-Struktur müsse im Gegenteil zu einer weiteren Verbesserung beitragen.

Generalswahl im August

Die bürgerlichen, ÖVP-nahen Stiftungsräte haben im ORF-Stiftungsrat eine Mehrheit. Am 10. August wird der Stiftungsrat mit einfacher Mehrheit den nächsten ORF-Generaldirektor oder die nächste ORF-Generalsdirektorin ab 2022 bestellen. Alexander Wrabetz hat seine Bewerbung noch nicht offiziell ausgesprochen, es spreche aber "sehr viel dafür", erklärte er zuletzt am Dienstag vor Journalisten.

Mitte September bestellt der Stiftungsrat dann auf Vorschlag des oder der neu gewählten GeneraldirektorIn die übrigen ORF-Direktoren und -Landesdirektoren. Danach, im Herbst, will Wrabetz die Ressortleitungen für Innenpolitik, Außenpolitik, Wirtschaft, Chronik im neuen, medienübergreifenden Newsroom ausschreiben. Und wohl auch die Newsroom-Führung.

Bis Mitte 2022 sollen die Journalistinnen und Journalisten neu organisiert auf dem Küniglberg im neu gebauten Glaskomplex zusammenarbeiten; ein Umstieg bei laufendem Betrieb der ORF-"Newsmaschine" (Wrabetz), eine Operation am offenen Herzen einer zentralen Informationsversorgung des Landes.

Eine Operation am offenen Herzen soll das nicht werden, sagt Zach: Die Neuorganisation müsse sehr gut vorbereitet werden. Donnerstag im Stiftungsrat will er mehr darüber erfahren und diskutieren. (fid, 13.3.2021)