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Das Vorgehen der Polizei sorgte für Kritik.

Foto: REUTERS/Hannah McKay

London – Trotz Warnungen vor rechtlichen Konsequenzen haben sich am Samstagabend hunderte Menschen, größtenteils Frauen, in einem Park im Süden Londons versammelt, um der mutmaßlich von einem Mann entführten und ermordeten Sarah E. zu gedenken. Der Fall hatte zu einem landesweiten Aufschrei gegen Belästigungen und Gewalt an Frauen geführt. Für Kritik sorgte am Sonntag aber vor allem das Vorgehen der Polizei.

Kritik an Polizei

Diese versuchte, die wegen der Corona-Maßnahmen nicht genehmigte Versammlung teils mit Gewalt aufzulösen. Das wurde mit lautstarken Protestrufen und Pfeifkonzerten beantwortet, wie auf Videos im Internet zu sehen war. Polizisten zerrten mehrere Frauen gewaltsam von einem Musikpavillon weg, eine Frau wurde auf den Boden gedrückt.

Labour-Chef Keir Starmer sprach von "verstörenden Szenen". Frauen hätten sich versammelt, um den Tod von Sarah E. zu betrauern. "Das hätten sie dürfen sollen", sagte Starmer. "Ich teile ihre Wut über das Vorgehen der Polizei."

Die Polizei begründete ihr Vorgehen damit, dass die Zusammenkunft aufgrund der Corona-Pandemie die öffentliche Gesundheit gefährdet habe. "Die Beamten vor Ort waren mit einer sehr schwierigen Entscheidung konfrontiert", rechtfertigte eine Scotland-Yard-Sprecherin den Einsatz später, bei dem es vier Festnahmen gegeben hatte.

Londons Bürgermeister Sadiq Khan kritisierte auf Twitter das "inakzeptable" Verhalten der Polizei. "Sie hat die Verantwortung, die Covid-Regeln durchzusetzen, aber anhand der Bilder, die ich gesehen habe, ist klar, dass die Reaktion zuweilen weder angemessen noch verhältnismäßig war". Innenministerin Priti Patel hat einen "vollständigen Bericht" von Scotland Yard zu den Ereignissen angefordert.

Der Chef der Liberaldemokraten, Ed Davey, forderte die Londoner Polizeichefin Cressida Dick zum Rücktritt auf. "Die Polizei hätte an diesem Tag Solidarität zu den protestierenden Frauen zeigen sollen, nicht die friedlichen Proteste auflösen."

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Polizist in Untersuchungshaft

Der Polizei wurde auch deshalb mangelndes Fingerspitzengefühl vorgeworfen, weil ein 48 Jahre alter Polizist unter Tatverdacht steht, Sarah E. ermordet zu haben. Er wurde am Samstag dem Haftrichter vorgeführt. Er muss weiter in Untersuchungshaft bleiben. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Erst am Freitag war der in einem Waldstück in der Grafschaft Kent gefundene leblose Körper der zuvor als vermisst gemeldeten 33-jährigen Sarah E. identifiziert worden. Damit wurde aus Befürchtungen über ihr Schicksal traurige Gewissheit. Zuletzt gesehen wurde Sarah E. am 3. März in der Nähe von Clapham Common, als sie in der Dunkelheit auf dem Nachhauseweg von einer Freundin war.

Auch Kate an Gedenkstätte

Die Initiative "Reclaim These Streets" (etwa: Erobert diese Straßen zurück) hatte deshalb ursprünglich zu einer Mahnwache in London aufgerufen, um an Sarah E. zu erinnern und alltägliche Belästigungen und Gewalt gegen Frauen anzuprangern.

Auch Herzogin Kate (39) hatte den improvisierten Gedenkort an einem Musikpavillon im Park Clapham Common am Samstag aufgesucht und Berichten zufolge Narzissen niedergelegt. Wie die Deutsche Presse-Agentur aus Palastkreisen erfuhr, wollte Herzogin Kate der getöteten Sarah E. und ihrer Familie Respekt zollen. Sie habe sich auch daran erinnert, wie es sich anfühlte, vor ihrer Hochzeit mit Prinz William (38) nachts allein durch London zu gehen, hieß es.

Foto: EPA/JOSHUA BRATT

Premierminister Boris Johnson kündigte per Twitter an: "Ich werde alles tun, was in meiner Macht steht, um sicherzustellen, dass die Straßen sicher sind, und dass Frauen und Mädchen keine Belästigung oder Missbrauch erleiden müssen."

Drohende Geldstrafen

Den Organisatorinnen der Mahnwache droht aber noch ein Nachspiel: Denn die Polizei hatte die Durchführung der Demo nicht genehmigt, weil die Einhaltung der Corona-Maßnahmen nicht sichergestellt wurden. "Uns wurde gesagt, dass jede der Organisatorinnen eine Strafe von 10.000 Pfund (11.650 Euro) riskiert, sollten die Vorbereitungen weitergehen", hieß es in einer Mitteilung von "Reclaim These Streets" am Samstagmorgen.

Daraufhin erhielten die Veranstalterinnen zahlreiche Spenden. Trotz der Absage der Mahnwache kamen bis zum Abend bereits mehr als 380.000 Pfund (etwa 442.000 Euro) zusammen. Die Organisatorinnen riefen auch dazu auf, um 21.30 Uhr (Ortszeit) auf der Türschwelle eine Kerze zu entzünden. Das war die Zeit, zu der Sarah E. zuletzt lebend gesehen wurde. (APA, dpa, Reuters, red, 14.3.2021)