Der Frankfurter Hof in der Main-Metropole ist eines der Aushängeschilder von Steigenberger. Derzeit läuft das Geschäft dort wie auch anderswo Corona-bedingt auf Sparflamme.

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Das Jackett zugeknöpft, die Krawatte akkurat gebunden: So präsentiert sich Marcus Bernhardt, CEO von Deutsche Hospitality (Steigenberger Hotels & Resorts, Maxx by Steigenberger, Jaz in the City, Intercity Hotel sowie Zleep Hotels), im Videocall. Geholt wurde der Schweizer von Ji Qi, Eigentümer von Huazhu. Der chinesische Hotelgigant hat Deutsche Hospitality und damit auch Steigenberger Ende 2019 um 700 Millionen Euro vom ägyptischen Unternehmer Hamed El-Chiaty übernommen.

STANDARD: Wie oft telefonieren Sie mit Ji Qi ?

Bernhardt: Wir hören uns mindestens alle zwei Wochen. Dabei ist der Umgang mit der Pandemie immer das wichtigste Thema. Wie ist die Lage in Europa? Wann dürfen wir unsere Hotels auch wieder für Feriengäste öffnen? Zu solchen Fragen und vielem mehr sind wir in einem sehr konstruktiven Austausch.

STANDARD: Verliert Herr Ji nicht langsam die Geduld? Während die Hotels in China nach der Pandemie längst wieder gefüllt sind, müssen Sie in Europa noch immer Gäste abweisen.

Bernhardt: Sein Engagement in die Deutsche Hospitality ist für Ji eine langfristige Investition. Mit fast 7.000 Hotels ist Huazhu derzeit die Nummer zwei im asiatisch-chinesischen Raum, weltweit die Nummer acht. Das Ziel von Huazhu ist es, unter die Top drei Hotelkonzerne der Welt zu kommen. In diesen Plänen spielt die Deutsche Hospitality eine wichtige Rolle.

STANDARD: Persönlich getroffen haben Sie Herrn Ji seit Ihrem Einzug in die Chefetage von Steigenberger Anfang November 2020 wohl noch nicht?

Bernhardt: Nein. Ji konnte aufgrund der Pandemie unsere Hotels noch nicht besuchen. Da wir seit November im Lockdown sind, konnten wir auch noch nicht nach Asien fliegen.

Seit 1. November 2020 an der Spitze der Deutschen Hospitality, der Dachmarke, zu der auch die Steigenberger Hotels gehören: Marcus Bernhardt.
Foto: Steigenberger Hotels AG

STANDARD: Sie wissen aber ziemlich genau, wo Sie mit der Deutschen Hospitality und Steigenberger hinsollen?

Bernhardt: Momentan geht es klarerweise um die Bewältigung der Pandemie. Strategisch bereiten wir uns gemeinsam auf die Expansion der Deutschen Hospitality vor. Unser Ziel ist es, zu den Top drei der europäischen Hotelkonzerne vorzustoßen. Deshalb hat Ji mich geholt. Dabei sind meine früheren Erfahrungen in verschiedensten Industrien, unter anderem bei Europcar, sehr hilfreich. Mit Europcar haben wir zum Beispiel im Jahr 2015 erfolgreich einen Börsengang gemacht. Mittelfristig ist das auch für Deutsche Hospitality denkbar.

STANDARD: Ist das Deutsch vor Hospitality so wichtig, dass Sie das im Markennamen belassen?

Bernhardt: Die Namensfindung ist zwar vor meiner Zeit passiert, aber auch ich zähle das unbedingt zu unserem Markenkern. Deutsche Produkte haben weltweit einen hohen Stellenwert, gerade auch in Asien. Der deutsche, europäische Markenkern ist auch bei der geplanten Expansion hilfreich.

STANDARD: Deutsch steht für ...?

Bernhardt: ... gute Tugend, Kontinuität, Qualität. Auf Produkte bezogen: Gerade die asiatischen Touristen kaufen am liebsten das Original. Wenn man wie in unserem Fall mit dem Original nach Asien geht, ist das unser Alleinstellungsmerkmal, um Kunden an uns zu binden. Der Markenexport funktioniert aber auch in die andere Richtung: Huazhu hat über 153 Millionen Mitglieder in seinem Kundenbindungsprogramm – ein Riesenpotenzial für unsere Hotels in Europa. Wenn nur ein Bruchteil der Loyalty-Mitglieder international verreist, sind das sehr viele Menschen, die hoffentlich bald in unseren Hotels in Wien, Frankfurt, Berlin und Krems übernachten.

STANDARD: Wie viel Deutsche Hospitality verträgt der asiatische Markt?

Bernhardt: Das klingt jetzt vielleicht etwas klischeehaft, aber: The sky is the limit. Wir haben bereits heute für acht Steigenberger-Hotels in Asien unterschrieben. Und es kommen laufend neue Projekte hinzu.

STANDARD: Wird sich die Zeit nach Corona touristisch deutlich von der Zeit vor Corona unterscheiden?

Bernhardt: Es wird weniger Geschäftsreisen geben, die Zahl der Meetings und Events wird sich reduzieren. Der Einsatz von Videokonferenzen trägt dazu bei, dass viele Firmen aus Sicherheits-, aber auch aus Kostengründen ihre Budgets anderweitig einsetzen und ihre Reisetätigkeiten reduzieren. Andererseits wird die Nachfrage nach touristischen Reisen steigen.

STANDARD: Wie hoch ist der Business-Anteil bei Ihnen?

Bernhardt: Ungefähr ein Drittel sind Leisure-, 60 bis 65 Prozent Business-Gäste. Künftig wollen wir den touristischen Bereich noch mehr steigern. So suchen wir derzeit etwa auch in Österreich nach neuen Standorten für Hotels.

Mit dem "Herrenhof" ist Steigenberger auch in Wien vertreten, dazu kommt ein Steigenberger in Krems und etliche andere Hotels der Marken Maxx by Steigenberger, Intercity Hotel und Jaz in the City. Letzteres soll nach Corona-bedingten Verzögerungen heuer im Sommer in Wien aufsperren.
Foto: Steigenberger Hotels AG

STANDARD: Wie wollen Sie den Einbruch bei Geschäftsreisen, Konferenzen, Meetings kompensieren?

Bernhardt: In Frankfurt, Berlin und an weiteren Standorten haben wir zum Beispiel Konferenzräume zu Broadcast-Studios umfunktioniert, die insbesondere von international tätigen Unternehmen sehr gut angenommen werden. Mit unserem Innovation Lab überlegen wir weitere alternative Nutzungsmöglichkeiten.

STANDARD: In die Nach-Corona-Zeit müssen sie erst einmal kommen. Wie lange reichen Ihre Ressourcen noch?

Bernhardt: Wie alle anderen auch arbeiten wir knallhart am Limit. Und auch wir sind auf die Unterstützung vom Staat angewiesen. Gleichzeitig haben wir den Vorteil, dass unser Hauptaktionär uns – bildlich gesprochen – nicht am langen Arm verhungern lässt. Huazhu unterstützt uns bei dringend notwendigen Investitionen in die IT, in Personalsysteme. Auch zahlt sich aus, dass wir in der Vergangenheit durch gutes Management die Voraussetzung dafür geschaffen haben, in Krisenzeiten noch arbeitsfähig zu sein.

STANDARD: Bisher waren Entschädigungen in der EU für die staatlich verordnete Schließung mit 800.000 Euro pro Jahr gedeckelt. Inzwischen wurde der Deckel angehoben, was speziell großen Betrieben wie Steigenberger helfen sollte. Spüren Sie schon etwas?

Bernhardt: In Deutschland leider gar nichts. Österreich ist bei den Unterstützungszahlungen besser und zügiger vorgegangen als Deutschland.

STANDARD: Viele Mitarbeiter sind frustriert. Haben zum Teil schon monatelang ihren Arbeitsplatz nicht mehr gesehen. Was sagen Sie denen?

Bernhardt: Wir versuchen, mit den Mitarbeitern immer in Kontakt zu bleiben, haben beispielsweise ein Sorgentelefon eingerichtet. Zudem haben wir einen Unterstützungsfonds, um besonders betroffenen Mitarbeitern zu helfen. Die Kurzarbeit hat uns sehr geholfen, dass wir bis zum heutigen Tag niemanden aufgrund Corona entlassen mussten.

STANDARD: Wien ist die erste Stadt, in der die Deutsche Hospitality mit vier von fünf Marken vertreten ist: Steigenberger, Intercity, Maxx by Steigenberger und Jaz in the City – das sollte ursprünglich im Frühsommer 2020 aufmachen, Corona kam dazwischen.

Bernhardt: Wir versuchen, die Eröffnung des Jaz-in-the-City-Hotels Mitte des Jahres nachzuholen. Leider fehlen derzeit die Kunden, was damit zu tun hat, dass der internationale Tourismus komplett eingebrochen ist. Wir fokussieren uns derzeit auf den Inlandsgast.

STANDARD: Wann wird in der Stadthotellerie Normalität zurückkehren?

Bernhardt: Hätte ich eine Kristallkugel, wäre ich ein reicher Mann (lacht). Vor einem Jahr um diese Zeit waren wir alle der Meinung, dass die Pandemie bis September 2020 vorbei sein würde. Jetzt haben wir März 2021, und die Lage ist, wie sie ist. Wir gehen davon aus, im dritten und vierten Quartal 2021 eine Normalisierung zu sehen. Das Level von 2019 werden wir aber noch nicht erreichen. Vor Ende 2022, Anfang 2023 wird das nicht der Fall sein.

STANDARD: Vielen Hotels steht das Wasser bis zum Hals. Werden Sie in dem Wasser fischen?

Bernhardt: Absolut. "Fischen" klingt zwar sehr hart, beschreibt aber nur, dass wir nach Hotels und Hotelgesellschaften Ausschau halten, die sich uns anschließen wollen oder die wir übernehmen können. Nur so können wir als Unternehmen mit rund 11.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern überlebensfähig bleiben. Und hier haben wir einen großen Vorteil durch unseren Investor, der uns bei Akquisitionen unterstützt. Schon jetzt sind viele Hotelgesellschaften auf dem Markt. Da wird sich in den nächsten Monaten noch sehr viel tun. (Günther Strobl, 15.3.2021)