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Ein Textilbetrieb in Bangladesch, wo gefährliche Zustände immer wieder tödliche Fabrikskatastrophen auslösen. Vor allem der Rana-Plaza-Einsturz 2013 mit 1.135 Toten hat die Debatte um Lieferketten angeheizt.

Foto: AP / A. M. Ahad

Sind westliche Konzerne für Verletzungen von Umwelt, Menschenrechten oder Arbeitnehmerschutz durch ihre Zulieferer in Entwicklungsländern verantwortlich? Diese Frage, die etwa nach tödlichen Unglücken in Textilfabriken heftig diskutiert wird, sollen sogenannte Lieferkettengesetze beantworten.

Sie verpflichten betroffene Unternehmen, dafür zu sorgen, dass nicht nur im eigenen Geschäftsbereich, sondern entlang der gesamten Lieferkette Mindeststandards eingehalten werden.

Die ersten Initiativen gehen auf den Beschluss der "UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte" der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2011 zurück, die den Kampf gegen Kinderarbeit, Sklaverei und Ausbeutung zum Ziel hatten. Ein aktuelles Gesetzesvorhaben in Deutschland und eine EU-Initiative geben diesen Bemühungen nun neuen Schwung.

Einigung in Deutschland

Die deutsche Bundesregierung hat sich Anfang März auf ein Lieferkettengesetz geeinigt. Das "Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten" soll ab 2023 für Konzerne mit mehr als 3.000 Mitarbeitern in Deutschland gelten, das sind rund 600 Unternehmen, ein Jahr später bereits 2.900 Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitern.

Betroffene Unternehmen haben sich angemessen zu bemühen, dass es auch in ihrer Lieferkette zu keinen Verletzungen von Menschenrechten kommt. Bei schweren Verstößen beträgt der Bußgeldrahmen bis zu zwei Prozent des weltweiten Konzernumsatzes.

Es wird jedoch ausdrücklich klargestellt, dass bloß eine Pflicht zum Bemühen, jedoch keine Erfolgspflicht oder Garantiehaftung besteht. Auch eine zivilrechtliche Haftung ist nicht vorgesehen. Außerdem erwähnt der Entwurf nur Menschenrechtsverstöße; Umweltverletzungen werden nur berücksichtigt, wenn sie Menschenrechte berühren, was naturgemäß oft vorkommt.

Dieser letzte Punkt wurde bereits von Umweltschutzorganisationen heftig kritisiert. Wirtschaftsverbände warnen hingegen vor einer Klagsflut aufgrund von Umständen, auf die das Management wenig Einfluss hat.

Einfluss auf österreichische Unternehmen

Auch wenn das Gesetz für Unternehmen in Deutschland gilt, so hat es auch Einfluss auf österreichische Unternehmen, wenn diese Teil der gesamten Lieferkette sind.

Der deutsche Vorstoß findet seinen Widerhall auch auf EU-Ebene. Am 10. März beschloss das EU-Parlament Eckpunkte für ein europäisches Lieferkettengesetz, die als Empfehlungen vorgelegt werden. Strenger als im deutschen Entwurf fordern die EU-Abgeordneten zudem, dass Unternehmen für ihre Handlungen haftbar gemacht und mit Geldstrafen belegt werden sollten, wenn sie Schaden verursachen oder dazu beitragen.

Ausgenommen von dieser Regelung seien sie nur dann, wenn sie nachweisen können, dass sie im Einklang mit der Sorgfaltspflicht gehandelt und Maßnahmen ergriffen haben, um Schäden zu verhindern und Leidtragende zu entschädigen. Änderungsanträge, die für kleine und mittlere Unternehmen Ausnahmen von den weitreichenden Sorgfaltspflichten entlang ihrer Lieferkette vorsahen, fanden keine Mehrheit.

Die EU-Kommission will dazu noch heuer einen entsprechenden Legislativvorschlag machen. Anders als in Deutschland will die Regierung in Österreich abwarten, was dort konkret vorgegeben wird.

Auch in der Schweiz gab es Ende November 2020 eine Volksabstimmung zu einem der strengsten Lieferkettengesetze der Welt. Die Initiative erhielt den Zuspruch von über 50 Prozent der Wähler, nicht aber die nötige Mehrheit der Kantone. Ein Gegenentwurf des schweizerischen Parlaments sieht nun vor, dass Unternehmen zu Menschenrechts- und Umweltschutz weltweit verpflichtet werden, ohne sie jedoch rechtlich verantwortlich zu machen.

Unternehmen in Zugzwang

In Zukunft werden betroffene Unternehmen jedenfalls dafür sorgen müssen, ein angemessenes Risikomanagement einzuführen oder ihr schon bestehendes System anzupassen. In einem ersten Schritt muss das Management ermitteln, ob ein Risiko besteht, dass ihre eigenen geschäftlichen Handlungen oder jene in der Lieferkette Menschenrechte verletzen oder Umweltverletzungen verursachen.

Auf Grundlage dieser Risikoanalyse müssen entsprechende Präventions- und Abhilfemaßnahmen getroffen bzw. überprüft werden. Das betrifft etwa die Lieferantenauswahl und Lieferantenkontrolle, die Schaffung von Verhaltenskodizes, die Durchführung von Schulungen und auch die nachhaltige Vertragsgestaltung. Diese Maßnahmen sind entsprechend zu dokumentieren, wobei jährlich ein Bericht zu erstellen und bei der zuständigen Behörde einzureichen ist.

Es bleibt abzuwarten, inwieweit der Vorschlag der EU-Kommission die stark umstrittene Haftung auf Schadensersatz in der Lieferkette umfasst. Ebenso wird sich zeigen, ob er auch explizit auf Umweltschäden eingeht oder – wie der Entwurf in Deutschland – nur Menschenrechtsverletzungen umfasst. Dafür wurde der deutsche Gesetzesentwurf auch schon von Umweltschutzorganisationen kritisiert. (Martin Eckel, Andreas Schütz, 15.3.2021)